Mehrere Tage habe ich wieder einmal die „Last“ meiner Bilder und vorgeschriebenen Texte mit mir rumschleppen müssen, weil es mit dem Internet eine Crux ist. Letzte Nacht saß ich mit Frust bis vier Uhr morgens. Es ist nicht nur Internet. Immer neue Probleme mit der Internetverbindung, meinem Rechner und Handy, dem Provider meiner Seite oder mit sonst was fressen Zeit und Nerven. Brauchbares WLAN konnte ich schon seit Wochen nicht mehr nutzen. Es macht mir meist wirklich Spaß, zu schreiben, manchmal fließt es aber auch, wie zäher Brei aus der Feder und das merkt man dann beim Lesen auch. Das Hochladen aber ist meistens frustrierend. Das musste ich jetzt mal rauslassen. Nun aber schlage ich das wohl vorletzte Kapitel auf.

 

 

B a n g l a d e s c h

 

 

Kumilla, der 15.12.2017 am dritten Abend nach der Einreise

 

Wieder einmal habe ich die Bestätigung, dass ich nicht nur ein Sonntags-Kind sondern wohl auch noch ein Glückspilz bin. Ergebnisoffen rollte ich auf die nahe Grenze zu. Den Ausreisestempel hatte ich schnell. Beim Zoll aber liefen gleich mal ein paar staunende Beamte zusammen, als ich die Frage verneinen musste, dass ich keine Genehmigung für meine Maschine bei der Regierung beantragt und somit diese auch nicht hätte. Für eine solche Genehmigung müsste ich u.a. eine Bankbürgschaft über den vierfachen Wert der Maschine beibringen. Das wären im Fall meiner bescheidenen BETA 16.000 Euro, die futsch wären, wenn ich die Maschine nicht wieder ausführen würde.

 

Ich sah meine Chance nahe bei Null und mich schon durch den schönen indischen Urwald zurückfahren und einen großen Bogen um Bangladesch machen. Also machte ich ein echtes trauriges Gesicht und erzählte meine Geschichte über 20.000 strapaziöse Kilometer, um Bangladesch nach über 40 Jahren wieder zu sehen. Selbst die „meine Reise verfolgenden Deutschen Botschaften der Region“ mussten herhalten. Das Karnet des Passages würde mir nicht weiterhelfen, da Bangladesch nicht Teilnehmer dieser Zoll vereinfachenden Organisation sei. Trotz Kopfschütteln und -wiegen wurden alte Akten und handgeschriebene Dienstanweisungen hervorgeholt, studiert und interpretiert. Als ich in den Akten den Abschnitt eines Carnets sah, keimte Hoffnung. Der Chef, der nicht Englisch sprach, würdigte mich keines Blickes telefonierte dafür aber mehrmals anscheinend mit entfernten Behörden. Ein Zöllner der indischen Seite, der mir mitgegeben worden war, brachte mich „zurück nach Indien“, wo man mir Kopien von allen meinen Papieren machte, die Ausreise aus Indien wurde mit Stempeln und dem Versprechen vollendet, dass man mich bei Misserfolg wieder rein ließe,

 

Der Zöllner, der mich begleitet hatte, nahm den „Schlüssel für die Grenze“ aus dem Schubkasten, ich tuckerte zum hundert Meter entfernten Schlagbaum, er wickelte den Grenzzubinde-Strick ab und schloss die Grenze auf für mich auf. Inzwischen hatten die freundlichen Bangladeschis grünes Licht bekommen und mein Carnet kam zum Einsatz mit dem Hinweis, dass dies für meinen Fall eine Ausnahme sei. Ich fragte noch für Mischa, der kein Carnet hat und sein indisches TukTuk, falls er mir folgen wollte. Sie würden sich erinnern und auch dafür eine Lösung finden. Vor lauter Freude vergaß ich an der Immigration zu halten um „wirklich einzureisen“. Zum glück schnappte ich den Ruf noch auf, der mir nacheilte. Das hätte böse ausgehen können – illegal im Land! Als ich mich dann über die zerfurchte weiche Straße von der Grenze entfernte jauchzte ich und fühlte mich großartig. Je größer die Hürden – umso größer die Freude, sie überwunden zu haben, auch wenn ich kaum etwas zu beigetragen habe. Es waren die lieben Leute auf beiden Seiten. Ich bedanke mich hier noch mal ganz, ganz herzlich bei ihnen.

 

 

Der Film WATER WORLD mit Kevin Costner, den ich zum ersten Mal im Flieger nach USA gesehen habe, hat mir sehr gefallen. Wenn das stimmt, was Uli Lass mir erzählt hat, dass – wenn alles Eis der Erde geschmolzen ist – der Meerespiegel um 17 Meter steigt, dieser phantastische Film hier zuerst apokalyptisch Wirklichkeit werden wird. Seit zwei Tagen bewege ich mich zwischen 2 und 7 Metern. Ich bin sehr gespannt auf dieses Land. Anders als alles, was ich bisher auf meiner Reise gesehen habe – enttäuscht werde ich auf keinen Fall sein auch wenn die Straßen und der Rikscha- und TukTuk-Verkehr in den Ortschaften und Städten die Hölle auf Erden ist.

 

 

 

Khagrachhari, der 16.12.2017

 

Es ist nichts Besonderes passiert. Ich bin jeden Tag ein Stückchen gefahren und ein paar Hundert Kilometer weiter nach Süden gekommen. Heute will ich ein nur die Landschaft, die ich durchfahren in ein paar Bildern festhalten. Der größte Teil des Landes ist flach, wie Kuchenblech und oft bis zum Rand mit Wasser gefüllt.

 

Wasser ist überall. In Form von Flüssen, Tümpeln, überfluteten Feldern oder Teichen, aus denen Lehm für die Ziegeleien, zum Deich- oder Straßenbau gewonnen wurde. Die Felder sind gelb und abgeerntet. Das junge knallige Grün ist entweder Getreide oder es sind Reis-Setzlinge. Überall qualmen die Schornsteine der Ziegeleien.

 

Die Straßen gehen immer geradeaus – nur fahren kann ich nicht so, sondern muss oft um die Schlaglöcher rumkurven. Sie sind von „sehr gut“ bis sehr schlecht und insgesamt besser, als im nördlichen Indien. Schlaglöcher sind oft ausgebessert, in Indien niemals. Dort geht (natürlich etwas übertrieben) der Zerfall schon mit dem ersten Auto los und es kümmert keinen, is sie zu Schott gefahren sind.   Baumpflege

 

 

Es war natürlich Quatsch, als ich geschrieben habe, dass keine Erhebung in Bangladesch über 50 Meter ist, denn ich hatte ja vor, einen Abstecher in die Berge zu machen.                                                                                                                                 Die ersten Erhebungen in der Landschaft

 

Heute also mein Abstecher in die Berge dicht an der Grenze zur indischen Provinz Tripura. Ich wollte nicht einfach so durchs Land auf Kalkutta zu.

Auch wenn es reizvoll wäre, am Heiligen Abend in Kalkutta in einer Kirche zu sein. So bin ich also erstmal Richtung SSO unterwegs. Auf einer sehr schönen kurvenreichen Straße ging es bis auf ein paar Hundert Meter hinauf hierher nach Khagrachhari. In zwei Hotels bekam ich die Auskunft: „Ausgebucht“. Im dritten für 2,50€/Nacht war es so gruselig, dass ich mich zwar eintrug aber weitersuchte und erfuhr, dass ich mir als Ausländer wieder mal vorher irgendwo ein Permit für die Bergregion hätte besorgen müssen. Der gute Mann am Tresen hatte Mitleid und nimmt das Risiko auf sich, wegen meiner Blauäugigkeit Ärger zu bekommen. Auf einer Wandtafel sah ich die „Sehenswürdigkeiten“ der touristischen Region und bin nicht weiter interessiert. Mein eigentliches Ziel und Hauptgrund meines Umweges ist eine Seenlandschaft südlich von hier, die nach der Karte sehr reizvoll sein muss. Dahin breche ich morgen auf. Nun aber komme ich endlich dazu, meine angehäuften Emails zu beantworten.

 

 

Rangamati, der 18.12.2017

 

 

 

Am nächsten Morgen beim Frühstück in einer „Gaststätte“ gab es noch eine kleine Überraschung. Ein junger Mann mit Walki-Talki setzte sich zu mir und fragte nach meinem Permit und bekam mein Bedauern. Ich wäre erst heute Morgen hier angekommen (um dem guten Mann im Hotel keine Schwierigkeiten zu bereiten), hätte erst hier davon erfahren und würde deshalb die Region mit Bedauern gleich wieder verlassen. Formular ausfüllen, Pass-Kopie aus dem Gepäck rauskramen, das schon auf dem Motorrad verschnürt war, Eskorte zum Checkpoint an der Stadtgrenze und austragen in einem dieser dicken großen Bücher, die ich au meiner Reise zur Genüge kennengelernt habe. Als er tanken musste, spendierte er mir auch eine Liter-Pulle. Also alles ganz freundlich. 

 

Die Tour nach Süden über Berg und Tal war ein Traum. 

 

… und dann die erste Berührungen mit der Seenlandschaft

 

Thanchi (im Urwald), der 19.12.2017

 

 

Wie immer bin ich zu spät weggekommen und es gab wieder „Großen Bahnhof“ beim Abschied. So schnell, wie sich – wenn ich mal etwas länger an einem Ort bin – herzliche Beziehungen aufbauen, so schwer fällt es mir immer Abschied zu nehmen. Ich wohnte am Ende einer Landzunge, die dicht bis ins Wasser hinein überbaut ist und voller geschäftlichem Treiben ist. Schnell spricht sich da rum, dass ein Verrückter im Dorf ist, der aus Deutschland mit dem Motorrad angereist ist und dann auch noch ausgerechnet in ihr Nest. Da kommen schnell weitere Fragen auf, die zu beantworten sind und natürlich müssen Selfies gemacht werden. Man würde (zu Allah in diesem Fall) für meine sichere Weiterreise beten und ich müsse wiederkommen.

 

 

Die ganztägige Bootstour gestern durch die „Water World“ der besonderen Art war sehr schön. Die beiden Seen, die miteinander verbunden sind, entstanden durch Aufstauen des Wassers in dieser Bergwelt. Ich weiß nicht wann, aber das muss schon vor längerer Zeit geschehen sein. Eine wunderschöne Insel- und Landzungen-Seenlandschaft ist entstanden

 

 

Mein Käpt´n, das Boot mit dem wir unterwegs waren und Buddha schaut vom Berg aus dem Treiben auf dem Wasser zu

 

Die Form der Boote ist sehr elegant und schön, sauber gezimmert aus dem Holz, das hier reichlich wächst. Die Boote sind das gängige und meist auch einzige Verkehrsmittel und so ist das Wasser voll davon.                                                                 Von Weiße-Flotte-Dampfern bis Paddelboot

 

 

 

Heute Morgen, wusste ich bis zur Abzweigung, wo ich mich entscheiden musste, noch nicht, wie´s nun weitergeht. Direkt auf „Heimreise“ oder doch noch eine Biege? Ich entschied mich für die Biege, die aber ein paar Tage dauern wird. Google Maps zeigte eine ganz dünne weiße und gewundene Straße am See entlang nach Süden. Und wenn schon noch weiter nach Süden, dann auch richtig, 300 Kilometer durch Urwald und Berge nach COX´s BASAAR, dem längsten Strand Asiens, wie sie hier behaupten.

 

 

 

 

 

Die Abenddämmerung in diesen Breiten ist kurz

 

Blick übern See und Grübeln, wie´s weiter geht morgen.

 

 

Mein Tagesziel war Thanchi, eine kleine Ortschaft im Wald, die dann wieder mal eine Überraschung verbarg. Doch zunächst war ich wieder einmal der glücklichste Mensch dieser Erde, der sich über traumhafte Blicke von oben auf den See links und das „Achterwasser“ rechts freuen konnte, die ich abwechselnd oder gleichzeitig gnießen konnte. Die Straße ging auf dem Kamm entlang.

 

 

Danach fuhr ich nur noch oben durch die Berge und hatte irgendwann auch keine rechte Muße mehr zum Staunen, denn ich merkte, dass nun langsam die Zeit knapp wird, und ich „aufdrehen“ muss. Aufdrehen in Anführungszeichen, weil das natürlich auch kein besonders schnelles Vorankommen ist, bei der engen und nur aus Kurven und steilen Bergen bestehenden Straße. Zum Glück wurde diese aber immer besser. Zwischendurch Eintragen in ein vertrautes dickes Buch und „Woher? und Wohin?“                                   So kann man auch Schlaglöcher zuflicken.

 

 

Dann 20 Kilometer vorm Ziel, es graute schon, Kontrollpunkt. Permit? Hatte ich natürlich wieder nicht. Ratlosigkeit, Offizier anrufen. Als er eintraf war´s dunkel. Er sprach gut Englisch und war sehr freundlich.

 

Also: Wir haben jetzt hier ein Problem. Ohne Begleitung + Permit dürfe ich hier nicht weiter. Grenzgebiet zu Myanmar. Jetzt, nach 18:00 dürfe hier niemand mehr durch. Terroristen, fünf verschiedene Gruppen aus Burma und Hiesige wären hier aktiv, auch gegen die Leute hier und er ist verantwortlich für meine Sicherheit. Zelten? Auf gar keinen Fall. Er telefonierte, denn jeder Chef hat auch noch einen Chef. Also: oben in meinem Zielort hätten die „Grenztruppen“ (die morgen Jubiläum feiern) ein Gästehaus. Dort würde ich untergebracht. Also noch ein paar Telefonate, wobei auch meine Wünsche zum Dinner übermittelt wurden. Und nun solle ich mich beeilen und nirgends anhalten. Auf der Brücke, die in den Ort führt, würde ich in Empfang genommen werden. Ich – mein scharfes LED-Licht an, und hinein in die Nacht. Selten vergingen 20 Kilometer auf so kurviger Straße so fix, wie diese.                                                      Mit meinen super-LED Lichtern

 

Nun wohne ich zwar nicht im Gästehaus, wegen der hundert Dollar sondern in einer Unterkunft für die Subalternen auf dem Gelände. Für mich war gedeckt im feinen Gästehaus mit feinem Porzellan und einem so schmackhaften Essen, wie ich´s in Indien und hier noch nicht hatte. Reis, Dal (die obligatorische curry-scharfe Erbsensuppe zu jedem Essen), einem Stück Fisch (natürlich auch mit scharfer Soße aber so schmackhaft und dezent, dass ich noch schmeckte, dass ich guten Fisch aß), Gemüse (da muss ich immer schmunzeln, weil es vor allem aus gekochten Kartoffeln besteht (natürlich auch scharf) und zum Nachtisch eine zerteilte Apfelsine. Ich glaube, das war mein Weihnachtsessen.

Und das Schöne, ich muss morgen den Weg nicht zurück. Man lässt mich nach Süden weiterfahren durch Wald und Berge ans Meer. Ich hoffe, die Straße ist ebenso gut, wie hierher. Über die Straßen, selbst in den entlegensten Winkeln staune ich. Sie sind meist in Ordnung. Schlaglöcher werden zugeflickt und wenn es mit Ziegelsteinen im Fischgrätenmuster geschieht. „In Ordnung“ hier in den Bergen heißt, dass sie so gut sind, wie man sie eben aus kochenden Teerfässern mit der Hand bauen kann. Da können sich die Inder abschauen, dass Pflege besser ist, als zuzuschauen, wie aus Schlaglöchern Trümmerfelder werden. So. Ab ins Bett.

 

 

Cox´s Bazar, am 21.12.2017

 

Auf dem Weg nach Cox´s Basar querte ich eine Brücke mit einem kleinen Fischereihafen. Sowas Verrücktes an Fischkuttern habe ich noch nie gesehen. Wie kommt es wohl zu solchen Bootsformen? Als ich eines zum „Inspizieren“ enterte, verwunderte mich, wie leicht und rank es ist. Was kann Gutes sein, an den langen Überhängen und der kurzen Wasserlinie? Aber bekanntlicherweise steckt ja auch hinter jeder Wunderlichkeit ein Sinn.

 

In Cox´s Bazar war die Hölle los. Wie in Warnemünde im Juli – nur dass es hier wohl Hundert große Hotels in Strandnähe gibt. Es ist Hochsaison. Als ich durch eine Gasse an Verkaufsbuden den Strand erreichte, wurde es langsam dunkel. So sieht also ein muselmanischer Strand aus. Jedenfalls sehr viel farbenfroherer als in andern arabischen Ländern. Der Thunfisch wird in Streifen aufgeschlitzt, etwas auseinander gespreizt und getrocknet. Thomas würdesicher sagen, „Schade um den Thun“.

 

 

Der Sand besteht aus gelbe feinen Fluss-Sand und es kann schon stimmen, dass es der längste Beach Asiens ist. Von den 70 Kilometern bis zur Spitze der fast menschenleeren Landspitze bin ich auf einer neuen Straße nach Süden gefahren und bin in dem Fischerdorf, wo die Fotos entstanden, wieder umgedreht, als ich einen Armeeposten nach dem Ziel fragte, das ich hier vor allem ansteuern wollte.

 

 

Ein Ringwaden-Netz wurde mit vereinten Kräften an den Strand gezogen. Die Ausbeute war eher bescheiden. Die armen kleinen Fischchen, Ob sie noch größer geworden wären?

 

Rohingya.

 

Ein Grund, hier so weit in den Südosten zu fahren, war, für die Rohingya-Flüchtlinge eine Spende zu geben. Wie ich das bewerkstelligen sollte, war mir, als ich am See auf die Idee kam, nicht klar, auch war ich mir nicht sicher, ob ich wie ein Voyeur in ein Lager gehen wollte. Ich/Wir spenden mehrmals im Jahr bei besonderen Ereignissen über „Aktion Deutschland“ hilft. Es lag nahe, wo ich schon mal hier im Gastland der armen Teufel war, mal direkt was beizusteuern. Ich drehte also um und stieß auf das südlichste der Lager, fuhr hinein als gerade ein weißer Jeep den Ort verlassen wollte. Es war ein Glücksfall. Dr. Michelle Sanson aus Australien war auf Inspektionstour für das „Word Food Programme“. Sie bestätigte mir, dass es nicht einfach ist, in einem der Lager so fix eine vertrauenswürdige Person zu finden, die geeignet wäre. So gab ich ihr also meine Dollar- und Euroreserven. Sie meinte, sie hätte viele Gelegenheiten, falls ich einverstanden wäre, wenn sie es für besonders Bedürftige, auf die sie oft trifft, verwenden könnte. Besser ging´s nicht. Ich habe mir die Sache mit meinem Freund, der mir, als ich in Ladagk war, 2.000€ für solche Zwecke anvertraute, geteilt. So fiel es mir bei aller Beklemmung etwas leichter, im größten der Lager mit über 500.000 Menschen, meine Kamera für ein paar Fotos zu benutzen.

 

 

Ich gewann den Eindruck, dass die Lager „gut“ eingerichtet und organisiert sind. Es sieht ein bisschen so aus als organisierten die Menschen – zwar auf engstem Raum – ein „normales“ Leben. Märkte, kleine Läden, improvisierte Moscheen, Plätze, an denen man sich trifft… Dicht an dicht stehen die Hütten, zumeist aus natürlichen Materialien mit schmalen Gängen dazwischen. Aber was für ein „Leben“ sollte das sein? Vielleicht nur einige Kilometer entfernt, hinter der nahmen Grenze, haben sie ihr Dorf, Angehörige, ihr Feld, und die Kuh zurückgelassen. Und hier harren sie in Untätigkeit und Ungewissheit…

 

 

 

In der Hafenstadt Schittagong, am nächsten Tag

 

Vor langer Zeit, in den Siebzigern, war ich schon mal hier, kann mich aber an nichts mehr erinnern und schon gar nichts wiedererkennen. Ich bleibe nur über Nacht. Eigentlich wollte ich morgen in die Hauptstadt Dhaka, um den Heilig Abend in einer Kirche, vielleicht einer Baptistischen, in denen es mit Gospelgesang lustig zugeht. Aber die Dimension: 15 Millionen Einwohner, schreckt mich doch ein bisschen ab. Schön wäre es, auf dem Weg nach Kolkata (ex Kalkutta) in der Wasserwelt des Mündungsgebietes des Brahmaputras an einem schönen Ort am Wasser mal ein paar Tage in Ruhe zu verbringen. Aber wie dort eine Bleibe finden?

 

 

Übermorgen also ist Heilig Abend. Die meisten, die ihn feiern, leben in einer ganz anderen, als in der eben beschriebenen Welt. Denen, die ich kenne und besonders meiner Familie und meinen Freunden wünsche ich zur Sicherheit schon mal heute ein gesegnetes, schönes und friedliches Weihnachtsfest. Claudia, Holger, Jannek und Henri sowie Holgers Bruder mit Familie sind heute auf Hiddensee, und wie ich hörte, mit feinen Sachen für die Bratenröhre, angereist. Klar wäre ich jetzt gerne zu Hause aber wie im richtigen Leben: ich kann nicht alles Gute haben. Machts Euch schön. Euer friedrich-unterwegs.

 

 

 

Sandwip Ferry, am 23.12.2017 

 

Heilig Abend rückt näher und vielleicht habe ich den Platz, den ich mir wünsche gefunden. Es wird sich morgen rausstellen. 

Der Tag heute war etwas schwierig, sag´ ich mal. Ich bin spät aus dem Bett, weil fast bis ins Morgengrauen hinein das weggearbeitet habe, was mir auf den Nägeln brannte. Aus Chittagong raus zu kommen, dauerte fast zwei Stunden. Irre dichter Verkehr und die Luft voller Staub, schwarzem Ruß der großen Stinker, zwischen denen eingeklemmt, keinen wirklichen Spaß macht, dem Gehupe in allen Tonlagen und Lautstärken und dem aggressiven Fahrstil besonders der Busse, die sich mit ihren Fanfaren Raum erzwingen. Dazwischen bin aber auch ich nicht mehr zimperlich und nutze auch ich jede sich bietende Lücke um nach vorne zu kommen. Nur ein paar schlanke Motorräder kommen noch schneller voran. Das einige Foto ist allerdings nicht sehr repräsentativ

 

Meine Experimentierfreude zahlte wieder einmal aus, als ich mich ausklinkte aus dem Verkehr von Irren der Hauptverbindungsstraße zwischen dem Süden Bangladeschs und der Hauptstadt. Ich fand einen Fähranleger, von dem Boote auf die Insel SANDWIP abgehen: Sie liegt im Golf von Bengalen im Mündungsgebiet des Meghna (Brahmaputra). Es war schwierig raus zu bekommen, wie ich meine Maschine da rüber bekomme. Da sie angeblich autofrei ist (den Schwindel kenne ich ja schon von Hiddensee) gibt es keine Fähre zum Drauffahren. Es verkehren „Taxiboote“, ausgediente Rettungsboote und hölzerne Frachtkähne. Nach dem Motto „alles ist möglich“ würde man mein Ungeheuer irgendwie schon rüber bekommen. Nacheinander spuckten sieben Geldautomaten nichts aus auf meine VISA-Karten, Ich sah meinen „Urlaub“ schon im Wasser Eimer. Nach 20 Kilometer und wieder in Chittagong hatte ich Erfolg. „Network problems“, erfuhr ich. Im Dunkeln und verrußt, war ich am Fähranleger. Es war auch noch nein Zimmer zu haben in der einigen Absteige.   

Ich hatte es bedauert, dass ich bei meiner Reiseplanung nicht zu den Schiffs-Abwrack-Stränden in NW-Indien kommen würde, wo die Seeschiffe bei Flut und mit Karacho auf den Strand gefahren werden, um dort in handlichen Schrott auseinander geschnitten zu werden. Thomas war ein paarmal dort und hat nicht mehr zu beschaffende Ersatzteile für alte und selten gewordene Schiffsmaschinen zu beschaffen. Alles, was jemand irgendwann mal gebrauchen könnte, wird geborgen, der Rest zu Schrott. Ich brauche gar nicht nach Indien. Hier ist so ein Strand. Den werde ich nach meiner Rückkehr von der Insel inspizieren.

                                                                            Erstes Bild: ein Autotransporter, mit denen Tomas zu tun hat, der achtern schon nackt, am Tage… 

 … und in der Nacht mit Bildern aus dem wüsten Hafen. Da kann die Kamera wieder mal zeigen, was sie draufhat. 2.Bild; nachbearbeitet

 

So, hoffentlich versenken sie mir die Maschine morgen nicht und ich bin gespannt auf MEIN Weihnachtsfest. Ich bin froh, dass ich wieder auf dem Laufenden bin. Der heutige Beitrag ist in der Kneipe unter meinem Zimmer in guter Gesellschaft zu Stande gekommen. Vielleicht habe ich ja Internet da draußen im Meer. 

 

Heilig Abend 

 

Warten auf die Flut - hoffentlich nicht auf die Sintflut, denn hier würde sie zuerst zuschlagen. Das Motorrad ist über eine schmale Planke verladen und gelascht. Die Flut kommt in zwei Stunden (14:00), dann legen wir ab.

 

Hundert Kilo tragen die Schauerleute über die schmale Planke auf die Frachter. 500.000 Einwohner der Insel müssen versorgt werden, auch wenn sie zu den ärmsten Regionen Bangladeschs zählt.

Vom Ei bis zur armen Kreatur, deren Leiden bald ein Ende haben wird

… und so die Menschen.

 

Mit dem Foto verabschiede ich mich vom Festland in die wohlverdienten Weihnachtsferien. Ich denke an Euch in der Heimat und wünsche Euch noch einmal ein schönes Weihnachtsfest. Und fresst nicht wieder so viel. Machts wie ich: trockenes Fladenbrot und ein Schälchen Dal dazu (halbgare Erbsen in scharfer Currysoße) und Wasser (mit viel Glück auch eine Coca Cola).

 

 

Insel Sandwip, der 26.12.2017 

 

Weihnachten ist vorüber. Hätte ich nicht so viele herzliche Grüße und guten Wünsche für meine Weiterreise bekommen, ich hätte nichts davon gespürt. Deshalb bedanke ich mich bei allen, die an mich gedacht und in dem üblichen Weihnachtstrubel auch noch die Zeit gefunden haben, an mich in der Ferne zu schreiben. Mit der Kerze, einer Mandarine, einer Packung Kekse und einem Malzgetränkt (alkoholfrei natürlich) half ich ein bisschen nach. Die Temperaturen sind auch nicht gerade weihnachtlich. Am Tage bei Sonnenschein haben wir hier ca. 25 Grad; abends wird es dann frisch (12-15). Da frieren die Bangladeschi dann und mummeln sich ein in Jacken, sofern sie eine haben oder in Decken oder Tücher, die Beine nackt.

 

 

Alle freien Sitz- und Stehmöglichkeiten zwischen der Ladung waren ausgebucht.  Da ich ziemlich früh an Bord war, hatte ich einen Platz in der ersten Reihe auf dem Dach und konnte die zwei Stunden die Beine entspannt baumeln lassen. 

Zehn Minuten nach dem Auslaufen ging die Maschine aus und wir trieben da so rum. Da die anderen Kutter nach uns ausgelaufen waren, nahm uns einer auf den Haken und schleppte uns westwärts in den grauen Dunst hinein. Die zum dritten Mal ähnlich gestellte Frage, ob ich denn jemand auf der Insel hätte, der sich um mich kümmern würde, bekam erst später eine Bedeutung.

 

 

Früher, bei den Koggen war der achtere Aufbau die Kapitänskajüte heute ist er auf einen Holzkasten degeneriert, der am Boden ein ausreichend großes Loch hat…

Nach ´ner haben Stunde und einigen vergeblichen Anlassversuchen kam die Maschine dann wieder und wir erreichten den schlammigen Kanal mit eigener Kraft. Da wir spät dran waren, kamen uns in der Enge drei Schiffe entgegen, die sich an uns vorbeiquetschten. Ich deutete auf einen Sandhaufen und bekam zur Antwort, dass dies Bau-Sand sei, den es auf der Insel nicht gäbe. Die Insel bestände ausschließlich aus Lehm und existiere seit etwa 400 Jahren.

 

 

Ja und das war dann der Hafen. Ist mein Vertrauen in die schmale Planke und die Leute nicht bewundernswert? Vielleicht delhalb, weil die Reise ja eh dem Ende zugeht.

 

Ankunft. So schnell geht ein Tag zu Ende. Da ich im immer gut stelle mit der örtlichen Polizei, bin ich als erstes in die Polizeistation und wurde mit Tee, Keksen und Pudding begrüßt und bewirtet. Der Polizeichef, die rechte Hand vom Präsidenten Bangladeschs, der zufällig da war und (wohl) sein Adjutant (v.l.n.R.). Natürlich wollten sie wissen, was ich hier auf der Insel wolle. Hier gäbe es doch nichts Interessantes für mich zu sehen. Und nun die Aufklärung der Frage nach jemand an meiner Seite: Ohne Polizeibegleitung dürfe ich mich auf der Insel nicht bewegen. Es wäre zu gefährlich für mich. Auch mein Schmunzeln half nicht. Es wurde ein Polizist gerufen, der „mir jederzeit zur Verfügung“ stehen würde. Ich solle ihn anrufen, wenn ich auf der Insel unterwegs sein will. Im Dunkeln brachte er mich ins Nachbardorf, zum einzigen ordentlichen Hotel, wie ich schon auf dem Boot erfahren hatte.

 

 

Gleich nach dem Einchecken zerpflückte ich wieder einmal das Heckteil meiner Maschine wegen eines altbekannten Gefühls, das mich inzwischen aber nicht mehr aufregt – nicht mal am Heilig Abend. Der Heckrahmen war wieder zweimal gebrochen. Nun könnte man ja über die Maschine meckern, von wegen italienischer Plunder, aber das tue ich nicht. Das sind Ermüdungsbrüche. Für so ein ständig am Heck schwingendes Gewicht ist sie nicht gebaut. Es ist nicht einfach das Gewicht, sondern es sind die Beschleunigungen, die das Material zermürben. Nun schweiße ich auch noch bis zum Ende. Der Heckrahmen hat keinen direkten Einfluss auf die Fahrtüchtigkeit. Also kein Grund zur Unruhe. Er lässt sich später mal einfach austauschen. Da es ohnehin keine weiteren Geschenke gab und weit und breit auch keine Kirche, ging ich in die Moschee, als der Muezzin zum letzten Gebet rief. Das ist SHURIP, der Hausmeister. Er organisierte am 1. Feiertag die Reparatur und machte mit mir einen verbotenen Ausflug an den Weststrand. An einem Punkt auf dem Deich sagte er, weiter gehen wir nicht – zu gefährliche Leute.

                                                                            Bilder von dem Ausflug

 

 

Gesichter der Insel (nach Ostseezeitung). In manche Gesichter zu schauen, ist nicht einfach. An solchen Tagen, wie Weihnachten mit Braten satt auf unseren reich gedeckten Tischen zu Hause, kommt mir der Unterschied zu dieser Welt besonders krass vor. Die Armut, wie hier auf der Insel sieht man auf den ersten Blick nicht. Die Menschen leben in „luftigen“ Hütten aus geflochtenen Matten und/oder verrostetem Wellblech und „scheinen“ ihr Auskommen zu haben. Aber ich glaube, das haben die meisten hier nicht wirklich.

 

                                                                                                                                                     Diese Gesichter meine ich, die nachdenklich machen

Heute am zweiten Feiertag, hat mir der der junge Polizist ein Stück der Insel gezeigt. Er hat mir noch mal versichert, dass es hier auf der Insel wirklich viele Gewaltverbrechen einschließlich kidnapping gibt und ich alleine nicht sicher sei. Trotzdem wurden wir so oft zum Tee eingeladen, wie wir nicht annehmen konnten. Die Hauptstraßen sind asphaltiert, alle übrigen Wege und Stege bestehen aus trockenem Lehm, der sich in der Regenzeit in Schmierseife verwandeln wird. Überall sind durch Erdaushub (Fisch-)Teiche. 

Tätigkeiten auf der Insel

 Hier trocknen Briketts aus Kuhfladen zum Kochen und der Südstrand.                                                                Schluss. Ich muss um 4:00 Uhr raus.

 

 

Barishal (im Flussdeltagebiet) der 28.12.2017

 

Abreise von Sandwip. Um half fünf am Morgen losfahren in die Nacht, ist ein bisschen gruselig, nach den Warnungen, die mich ganz unbeeindruckt gelassen hatten. Meinen freundlichen Polizisten bekam ich nicht wach übers Telefon. Wie so anders ein Dorf in der Nacht aussieht. Als die befestigte Straße zu Ende war und ich in das Spülsandgebiet abbiegen musste, war es aus mit der Navigation. Ich hatte nicht in Erinnerung, dass das Sandgebiet riesig war mit Fahrspuren sonst wohin durchpflügt. Irgendwo sah ich sich bewegende Lichter, steuerte drauflos und stieß auf einen Trecker. Er brachte mich zum Anleger, der stockfinster war.

 

Ich habe ihn falsch verstanden oder aber der Käpt´n hat mich verscheißert. Eine Stunde warten, bis ich das erste Klappern auf den Schiffen hörte. Nach dem Tee an der „Hafenkantine“ wurde ich langsam warm. Um sieben trafen dann die ersten Fahrgäste ein. Motorrad an Bord und dann brachten wir über eine Stunde, um aus dem Hafen zu wühlen. Die Schiffe lagen kreuz und quer und die captains waren noch zu verschlafen für ordentliche Manöver.

  

Im Hafen wurde ich von meinen Fans wieder freudig begrüßt. Auch war ich war ich mit einem Händler für second-hand-Schiffsersatzteile verabredet. Thomas ist gerade in Verhandlungen mit ihm für die Lieferung von Teilen für alte und inzwischen seltene Maschinen. Er hat aber wohl Bedenken, als er Kurbelwellen im Dreck liegen sah.

 

Jedenfalls hat er mir diesen Kontakt hergestellt. Mr. Abu Chhaleh zog mir aber gleich den Zahn, das Zerlegen der Schiffe zu sehen. Die Firmen, die so ein Schiff für etwa 5 Mio. Dollar kaufen, um es gewinnbringend auszuschlachten, lassen keine Ausländer auf die Strände, weil sie befürchten, dass die Bilder in der westlichen Welt in Sachen Umwelt- und Arbeitsschutz „falsch verstanden“ werden. Er zeigte mir aber mehrere seiner Standorte, wo Teile ausgebaut, konserviert, gelagert und im Erfolgsfall versandt werden.  

 

Weil er mir seine Zeit opfern wollte, verschob er das Verladen dieser beiden Yanmar-Schiffsmaschinen (je 35 t) in Container auf heute. Sie gehen per Schiffsfracht nach Südkorea (Frachtkosten: lediglich 300$), Verkaufspreis in diesem Fall: je 50.000$.(und Thomas hat nicht ganz unrecht...)

 

 

Alles muss raus: Schiffstelefone, Lampen, Kabel, Werkstattausrüstungen (Bormaschinen, Drehbänke, Schweisstrafos, Messgeräte), Zylinderbuchsen, Kolben, Pleuelstangen, Zylinderköpfe und eben ganze Maschinen. Das ist sicherlich ein aufreibendes Geschäft, wo man ständig dran bleiben und Abnehmer finden muss. Mr. Chhaleh hat mich damit wieder ein bisschen alte Seeluft schnuppern lassen, auch wenn die eher nach Altöl roch. Ich danke ihm dafür und auch für das schöne Hotelzimmer, in dem er mich untergebracht hat.

 

 

 

Noakhali musste ich mir heute schwer erarbeiten. Anfänglich auf der voll-stressigen Schnellstraße Chittagong-Dhaka, zwischen LKW und den draufgängerischen Bussen, bog ich dann ab ins „Ländliche“. Dort verfranste und verlor ich mich und kurvte rum auf Deichen, Lehm- und Straßen, die noch Reste von Asphalt hatten. Da, wo lt. Google Maps an dem Fluss, über den ich rüber musste, zwei Straßen gegenüber ans Ufer stoßen, müsste es doch eine Brücke oder Fährverbinddung geben. Es gab eine Brücke aber die war im Neubau. Mit den Ratschlägen zu einer anderen Brücke, die es bei Maps nicht gibt, konnte ich bei dem Gewirr an Wegen durch Felder und Wasserflächen nicht viel anfangen. So irrte ich umher, bis ein Junge auf Moped mich lotste und ich über den Fluss kam.

 

 

                                                                                  Die Brücke im Bau.

 

 

Es war trotzdem eine sehr schöne Tour durch die flache Delta-Landschaft. Das Land liegt nur eine Handbreit über dem nahmen Meeresspiegel. Überall Wasserläufe und Teiche. Die Reisfelder sind abgeerntet und das Stroh wird auf der Straße zum Trocknen ausgebreitet.

 

Die Polizisten dreschen auch mal kräftig mit dem Knüppel auf die TukTuks ein, wenn sie nicht schnell genug von der Kreuzung kommen. Schulbesuch zwischendrin.

 Und das waren die Zuschauer, als ich nachdem der Schuhputzer wieder mal ranmusste, meine Schnürsenkel einfädelte.

 

Am frühen Nachmittag war ich fertig mit meiner Maschine und wurde beim Hotelbesitzer zu einem Lunch, wie ich´s noch nie in Bangladesch hatte und anschließend in das Haus des Bürgermeisters (auf dem gleichen Grundstück im Grünen) eingeladen. Reis, zwei Sorten und verschieden zubereiteter Flussfisch, Hähnchen, Ente und Gemüse. Alles hat sehr, sehr gut geschmeckt und war mal nicht unter Mengen von Curry und Chili versteckt. Sie haben 15 Jahre in Singapore gelebt. Auch die beiden Häuser waren sehr ordentlich gemacht und (banglamäßig) sehr schön. Was besonders schön war, waren die offenen und herzlichen Frauen, mal ganz ohne Scheu. In Bangladesch wird überhaupt ein sehr moderater Islam gelebt. Kopftücher tragen die meisten Frauen auf der Straße, Vermummte sind mehr auf dem Lande anzutreffen. Durch die farbenprächtige, lebensfrohe Kleidung wirkt das islamische Leben hier sehr entspannt. Dieses tiefe und besondere Rot liebe ich und ist sexy. Wenn bis über die Nase vermummte Frauen in eine Gaststätte gehen, gibt es Abteile aus Vorhängen oder Buchten, wie auf dem Bild.

 

 

In einer Email wurde ich u.a. gefragt wer denn immer meine Wäsche wäscht. Na wer wohl? Noch ein paar Bilder aus Barishal:

 

 

Abends bin ich durch den großen Markt gebummelt. Um Hühner- und Rinderschlachten habe ich einen Bogen gemacht, Fische gucken ist immer schön. Es gibt sehr viele Arten in den Flüssen und Teichen hier. Zu vielen Händlern wurde ich heran gewunken zu einem Tee. Meist geht es nur um die üblichen Fragen aber oft gibt´s auch Gespräche, die tiefer gehen. Bei einem Lebensmittelhändler, der einige Jahre in Japan gelebt hat, saß ich länger. Er teilte meine gute Meinung über seine Landsleute überhaupt nicht, was ich vorher auch schon öfters zu hören bekam. Ich solle vorsichtig mit meinem Vertrauen zu ihnen umgehen und es wäre für mich allein Reisenden wirklich nicht ungefährlich. Ein Leben zähle hier nichts. Nicht nur im Straßenverkehr, was ich ja schon länger weiß. Es gäbe viele Fundamentalisten im Land, auch politische Organisationen die Ausländer überhaupt nicht mögen.

 

 

Dass nicht alle nett sind, die Erfahrung musste ich heute Morgen machen, als ich mein Geld in der Hosentasche auffüllen wollte. Aus meinem schönen TATONKA-Rucksack auf dem Bett hat mir gestern jemand mein Barvermögen von etwa 7.000 Taka (70 Euro stibitzt. Ich hatte die Tür beim Verlassen immer nur mal für kurze Zeit nicht abgeschlossen. Muss ein pfiffiges Bürschchen gewesen sein. Ich hoffe, er hatte es wenigstens bitter nötig… Also auch ein erfahrener Reisefuchs wird mal beklaut. Zum Glück gab´s ein ATM in der Kleinstadt. 

Eine Eisstangenfabrik. Die Kühlkompressoren kühlen eine Sole runter, in die werden lange Behälter mit Wasser gefüllt, das zu Eis gefriert. Als Matrosen-Lehrling auf MS Gottlieb Fischte 1965 hatte ich mich mit zwei anderen Kumpels freiwillig zum Eisstangenziehen gemeldet, die für die Offiziere zu Saufen gedacht war. So kamen wir als Lehrlinge im untersten Deck E auch in den Genuss von kalten Getränken 

Dass ich nicht langsam unglaubwürdig werde, muss ich bei dieser Gelegenheit auch mal meine negativen Eindrücke über Land und Leute rauslassen. Vom dreckigen und wirklich gefährlichen Verkehr in den Städten und auf den Landstraßen habe ich ja schon berichtet. Die Leute sind reinlich in ihren Läden und bis einen Meter davor wird gefegt zur Straße hin. Dort endet jegliches Reinemachen und die Haufen werden wieder breitgefahren. Einfache Hotels sind meist wirklich nur was für Hartgesottene, die ich außer mir selber niemandem empfehlen würde. Wenn Laken, dann vermutlich ungewaschen und unter den Decken, die gar nicht waschbar sind, würde sich auch niemand einkuscheln. Die Krönung sind die Waschräume, öfters für die ganze Etage und irgendwo am Ende des Flures. In dem Falle habe ich dann (wie in er letzten Unterkunft) eine leere Wasserflasche neben dem Bett für meine neuerdings fast nur nachts aktiven Nieren. Die Waschräume vermissen schon mal jegliches Handwerksgeschick und was funktionieren und einfach zu reparieren sein sollte, funktioniert nicht.

Spülungen, Wasserhähne, Abflüsse, Duschen. Und da sie schon mal scheisse gebaut sind, macht es wahrscheinlich auch keinen Spaß, sie überhaupt mal sauber zu machen. Das nenne ich mal „Resignation vor Dreck“, den man wahrscheinlich auch gar nicht mehr wahr nimmt. Wie die Menschen mit dem Krach, der eigentlich überall ist, auskommen, ist mir schleierhaft. In den hallenden Gaststätten, die schon mal vom Straßenlärm gefüllt sind, können Gespräche zwischen den Leuten nur mit Brüllstimmen geführt werden. Die benutzen sie dann oft auch im normalen Gespräch. Am lautesten krakelen die Kellner ihre orders durch die Gegend (und sind trotzdem nett). Für mich wischen sie Teller und Gläser vorher noch schnell mit einem dunkelgrauen Lappen ab, der wahrscheinlich nur morgens einmal nass gemacht wurde. Besonders morgens holen die Männer mit Genuss und völlig ungeniert mit ins Mark dringenden Getöse die Aulen aus der Tiefe der Kehlen und spucken sie da hin, wo sie gerade stehen. Klingt nicht gerade appetitlich aber gehört auch hierher.


 

Zwischendrin schon mal die Fotos von der heute nur 50km langen Tour, Dass das, was nun folgt ein bisschen bunter wirkt. Kuhmist-Briketts mal anders. Auf Knüppel gequetscht und getrocknet, kann man sie unter dem Kochtopf allmählich immer weiter reinschieben.

 

Eine Frau sagte mir mal: wahrscheinlich wäre es anders, wenn Frauen an diesen Stellen arbeiten würden. Aber weder in der Küche, als Kellner oder zum Reinemachen sieht man eine Frau. Das ist, wie überhaupt in moslemischen Ländern, Männersache. Als ich gegen 8:00 Chittagong verließ, sah ich allerdings unheimlich viele farbenfroh gekleidete und mit offenen Gesichtern zur Arbeit strebende Frauen. Sie arbeiten im Staatsdienst, erfuhr ich später.

 

 

Um nicht falsch verstanden zu werden: Das alles beeinträchtigt nicht meine Freude, in diesem Land unterwegs zu sein und in so viele manchmal stumm fragende aber meistens offene Gesichter zu schauen überhaupt nicht. Oft steht eine Traube um mich herum. Ich habe mir schnell angewöhnt, möglichst jedem Einzelnen in der Runde wenigstens einen kurzen lächelnden Blick zu schenken, weil ich sehe, dass sie sich freuen, wahrgenommen zu werden. Also ich habe kein Problem, mit all dem umzugehen. Die Landschaften, die ich gesehen habe, sind (für mich) oft traumhaft schön und die bunten Frauen auch. Das sollte nun keine Bewertung sein. Es ist der Ist-Zustand, wie ich ihn von „außen“ draufschauend erlebe. Nicht mehr. Die Armut, mangelnde Bildung, überhaupt die Möglichkeit, mal so einen Außenblick zu haben und die Untätigkeit der Regierung verhindern Veränderung bei den Menschen.

 

 

Wenn ich eine Reiseempfehlung für dieses Land aussprechen sollte, muss ich sagen: Kann ich nicht mit gutem Gewissen, denn ich kenne Niemanden, der hart genug gesotten wäre dafür. Das liegt aber auch an dem tiefen Niveau, auf dem ich unterwegs bin. Man kann hier sicherlich auch anders reisen. Ob man dann allerdings das wirklich Interessante erlebt, wage ich zu bezweifeln. Und nun? Wie bringe ich diesen Zwischenruf nun auf meiner Seite unter?

 

 

Den Fähranleger LANUCH GHAT steuerte ich an, um auf die andre Seite des MEGHNA überzusetzen. Um 12:00 war ich da, um 13:00 kam eine Fähre und legte 14:00 halb beladen wieder ab und nahm nicht mal die Motorräder mit, nachdem sie beim Be- und Entladen mächtig getrödelt hatten „Flach-Wasser – Sie müssen sich beeilen, um eine Gegenfähre durchzulassen“ hieß es, „die käme um 15:00“. Um 17:00 haute ich ab, weil ich erstens nicht lebensmüde bin und zweitens was von der Seefahrt haben wollte, fuhr zehn Kilometer zurück und bin nun in einem sicheren Zimmer. „und Morgen?“ Achselzucken und „Der Verkehr richte sich nach den Gezeiten“. „Na ja – aber komm mal um 9:00? oder um 11:00?“. Also ich werde um 8:00 da sein, so habe ich von jetzt an noch fünf Stunden zum Schlafen.

 

So ist es, wenn man sich die Hürden hoch hängt und dem Einfachen aus dem Weg gehen will. Das ist aber das Spannende an so einem Anspruch. Ich bin ja Rentner. Wenn nur Marianne (verständlicherweise) nicht langsam unruhig werden würde, ob ich denn überhaupt mal im Süden Indiens ankommen würde.

 

 

 

 

Lakshmipur, der 30.12.2017

 

 

 

In Barishal blieb ich zwei Nächte. Nicht nur, weil ich eine Einladung zum Enten-Essen beekam für den nächsten Tag sondern weil ich einem Problem meiner Maschine auf die Spur kommen. Nein, der Rahmen war´s diesmal nicht, obwohl er auch in Frage kam. Ich will nicht langweilen; deshalb nur: ich bin wieder fahrbereit.

 

Am Abend meiner Ankunft bekam beim Tippen permanent Besuch in meiner Buchte. Da sie gleich hinter dem Eingang von der Straße aus lag, war es für meine Gäste einfach, schnell mal durch die Blech-Tür reinzukommen und mit einem Selfi wieder zu verschwinden. Gegen 23:00 kamen dann besser gekleidete Herren, die mich begrüßen wollten. Es waren der Bürgermeister der Stadt und der verwandte Hotelbesitzer mit ihrem Tross, die mir den Bürgermeister als ihren „Großen Bruder“ vorstellten.

 

Das muss ich erklären. Es gibt „Bruder“ und „Großen Bruder“. Zum ersten Mal hörte ich durch Abbas in Islamabad von seinen „Brüdern“ und seinem „Großen Bruder“. Brüder sind Freunde, die es wert sind, Bruder genannt zu werden. Der Große Bruder ist eine Respektsperson und wenn man in seiner Gunst steht, darf man ihn glücklich „Großer Bruder“ nennen und sich darin sonnen. Der Große Bruder von Abbas war der Generaldirekter pakistanischen Highway-Behörde und – gelinde gesagt – ein Arschloch. Er hätte in der Position die Möglichkeit Abbas aus seiner unglücklichen beruflichen Lage herauszuholen, hat es aber nicht. Übrigens bekam ich von Abbas vor einer Woche die Nachricht, dass es einen Führungswechsel gab, auf den er gehofft hatte (Inschala!). Nun ist er glücklich Assistant Director in SINDH, seiner Heimat, zwei Busstunden von Eltern und Brüdern entfernt. Er ist sehr glücklich darüber und ich freue mich mit ihm. In Islamabad hat er sich ohne seinen guten Job beim Minister für Kommunikation nicht wohl gefühlt. Mein kleiner Bruder nennt mich auch manchmal Großer Bruder aber immer mit so einem gewissen Grinsen. Sonst tut mir niemand zu Hause niemand diese Ehre an. Hier manchmal, aber davon habe ich am nächsten Tag dann schon nichts mehr.

 

 

 

In diesem Sinne: steuert frohen Mutes, standhaft, aufrecht, und mit guten Vorsätzen ins Neue Jahr.

Ich bleibe bescheiden und will, bevor wir 2018 schreiben nur ans andere Ufer gelangen. 

 

Euch allen ein gesundes und glückliches Neues Jahr

 

 

 

Mongla, der 03.01.2018

„Irgendwann“ schafft man es immer. Ich war früh an de Fähre, die legte dann um halb zwei ab. Warten auf die Fähre

 

 

 

Mongla, der 03.01.2018

 

 

 

„Irgendwann“ schafft man es immer. Ich war früh an de Fähre, die legte dann um halb zwei ab. Warten auf die Fähre

 

 

Erst ging´s durch Seitenarme mit Sicht auf die Ufer, dann hinaus auf den großen Strom, auf dem von Fischerbooten über Schlammschuten bis Seeschiffe war alles unterwegs war, was irgendwie noch schwimmt. Die Brücke. Die Maschine und die Bilge waren so verölt, wie die Luft im Maschinenraum.

 

Nach drei Stunden „auf See“, so kann man wirklich diese riesigen lehmfarbenen Flüsse nennen, legten wir an, mussten nochmal eine Stunde warten, weil die Fähre, die immer vor uns fuhr, erst be- und entladen werden musste. Zehn Kilometer hinter dem Anleger kam ich in Bhola unter. Hier würde ich nun also das Neue begrüßen. Na Toll.

 

 

Silvester mit Mr. Golam Jahangier

 

Das Leben hält aber immer eine Überraschung bereit. Als ich das Motorrad in ein sicheres Quartier wegfuhr, wurde ich dem Besitzer des Hotels vorgestellt.  Mr. Golam Jahangier (65) ist gut aufgestellt, hat drei Passagierfähren zu laufen, und handelt mit Öl, anderen Brennstoffen und sonst was. Wir hatten sofort ein sehr gutes Gefühl miteinander. Ich erwähnte zwischendurch, dass heute Jahreswechsel sei (der hier nicht gefeiert wird – dafür Lichterfest) und ich aus diesem Anlass gerne mal etwas anderes, als Curry essen würde. Nein, was anders dürfe ich hier nicht erwarten. Dass er einem Büroangestellten etwas auftrug, kam ich fand mich eine Stunde später mit ihm in einem Hotelrestaurant wieder, wo man extra was vorbereitet hatte. Eine tolle Suppe, Fisch, Ente, Hühnchen und Gemüse. Der Abend war sehr schön und angenehm mit ihm. Interessante Themen gingen nicht aus. O hatte ich einen schönen Jahresausklang. Ich entdeckte dieses Bild der Plitwitzer Seen (Kroatien) im Restaurant.

 

Am übernächsten Tag wolle er nach Dhaka fahren, wo seine Frau, die in England studiert hat, an der Uni lehrt und er würde sich sehr freuen, wenn ich auf seiner Fähre für ein paar Tage mitkäme. Leider fehlt mir die Zeit dafür. Am nächsten Morgen zu einem schönen Frühstück in seinem Haus drückte er aus, dass er traurig sei über meine zu schnelle Abreise. Im nächsten Jahr will er in die USA zu Sohn und Tochter, die er auch nur alle paar Jahre sieht. Aber übernächstes Jahr könnte es passieren, dass er mich auf meiner Insel besuchen würde. Ja, dieses Abschiednehmen nach solchen Begegnungen fällt auch mir immer schwer.                                 Hier gibt´s noch echte Kaufleute, die nur mit dicken Büchern arbeiten

 

Nach zwei weiteren Fähren, unzähligen kleinen und großen Brücken, Dörfern Städten und Viehmärkten ...

 

…erreichte ich Mongla. Mongla liegt am Rande des weltweit größten Mangrovengebietes, des Nationalparks und Weltkulturerbes Sundarban mit dem ich mich von meinem Ausflug nach Bangladesch verabschieden wollte. https://de.wikipedia.org/wiki/Sundarbans   Ich wusste von 3-tägigen Touren auf kleinen „Passagierschiffen“ durch die Mangrovenwelt. Der Zahn wurde mir aber gestern Abend nach meiner Ankunft per Boot aber gezogen: „Erst wieder am Wochenende in drei Tagen“. Als Trostpflaster kaufte ich auf dem Markt schöne Shrimps, gab sie in einer Garküche zum Braten ab und wie bekam ich sie zum verabredeten Zeitpunkt? Richtig – unter Currypampe begraben. Unter der Schale waren sie trotzdem eine Delikatesse.

 

Abends vereinbarte ich dann mit Shohak eine eintägige Bootstour, der mich schon mit dem Boot über den Fluss gebracht hatte. Dass die nicht allzu weit in das Gebiet reingehen würde, war mir schon klar. Es misst immerhin etwa 80x80km. Mit Sonnenuntergang machten wir mit seinen Freunden eine Rikscha-Runde durch die umliegenden Dörfer. In einem Dorf, in dem 70 Prozent Christen leben, war noch die Krippe aufgebaut.

 

 

 Nachtrag 

Ausflug in den Sundarban-Nationalpark 

Wäre nicht das „Wiedersehen mit Dolly“, gäbe es nicht viel zu berichten davon. Schohak kam eine halbe Stunde zu spät, wie auch sein Bootsmann mit dem Boot. Wir waren um 6:00 am Anleger verabredet. Es war noch stockfinster, kalt, feucht und windig. Das Wetter war über Nacht umgeschlagen. Kalt ist hier so 10-12 Grad nachts und die Leute, die schon rumliefen hatten sich in Decken gehüllt und Schals um die Köpfe gewickelt mit denen sie aber auch am Tage in der Sonne bei 23 Grad rumlaufen und frösteln. Vom Deich aus den Himmel und die Boots-Landschaft langsam grau werden und den Tag anbrechen zu sehen, war auch ganz schön. Aus dem Seitenarm raus und auf dem Fluss, stieg die Sonne rot auf.

 Die „Selfis“ müssen jetzt hier mal rein, den Proviant hatten wir am Abend zuvor eingekauft.

Am zweiten Lehrpfad gab es einen kleinen Zoo. Da die Tiger ja auch was zum Fressen brauchen, leben diese Hirsche in den Wäldern. In einem Teich schwimmen „Romeo und Julia“, die länger als drei Meter lang sind. Romeo kam auf lautes Rufen ROMEO ! angeschwommen und drehte wieder ab, als es keine Hühnchen oder Fische gab.Mangroven am Boden und über den Baumwipfeln. Ich wuste nicht, dass sie so groß werden.

 Durchs Fischerdorf auf dem Weg zur Überraschung, die dann kam…

 

Es war alles andere, als das, was ich mir vom Besuch des Sundarban-Nationalparks erwartet habe. Aber er ist eben streng geschützt und so schafft man so kleine touristische Zugänge fürs Volk. Na ja, und konnte wieder mal Boot fahren und das Schönste vom Tag – ich bin auf meine Vergangenheit gestoßen.

Kaum zu glauben: Ich habe „Dolly wieder getroffen“!

 

Ich hatte davon berichtet, dass wir einmal, vielleicht 1975 mit dem Schiff hier in einem der Flüsse vor Anker lagen und auf Schuten gelöscht oder von Schuten geladen haben. Das weiß ich nicht mehr aber von der Stelle habe ich immer noch ein ganz klares Bild. Flussaufwärts, auf der Westseite standen erbärmliche Hütten auf dem Lehmdeich. Es ist das einzige Bild, das ich von Bangladesch all die Jahre mit mir rumgetragen habe. Als ich jetzt die Flüsse überquerte, dachte ich manches mal daran, wo das wohl gewesen sein könnte. Jetzt habe ich den eindeutigen Beweis, dass es genau hier war. 

Warum? Weil ich Dolly wieder getroffen habe. Also, wenn man´s genau nimmt, stimmt das nicht so ganz. Wir haben heute am Deich das Boot verlassen und sind zu Fuß ein paar Kilometer durch ein Fischerdorf und am Fluss entlang gewandert. Als wir wieder auf das Boot steigen  wollten, deutete Shohak auf ein paar luftige Hütten weiter voraus. Da vorne wohnen die Mädels, die „Sex machen“ mit den hier ankernden Seeleuten. Ich wurde hellwach und natürlich wollte ich und erklärte ihm den Grund. Die Mädels saßen schwatzend und handarbeitend draußen. Er steuerte zielstrebig die letzte Hütte an und wir traten ein. „Dolly“, stellte sie sich vor. Ich wollte wissen, wie lange das hier schon existiert. Sie sei seit 45 Jahren hier. Und ich war an diesem Ort etwa vor +- 42 Jahren. Also, da kann ich doch wohl vom „Wiedersehen mit Dolly“ sprechen. Es hat mich wirklich überwältigt, an einem so entfernten Ort, auf ein Stückchen meiner lebendigen Vergangenheit zu treffen! Für mich ist es mehr, als eine kleine lustige Episode. Irgendjemand muss mich hierher gelenkt haben...

 

Mit dieser berührenden schönen Begebenheit kann ich jetzt auch getrost dieses Land wieder verlassen. Es war schön hier für mich zu reisen. Die Menschen sind sehr arm und sehr herzlich. Die Armut springt einem selten direkt in die Augen, die liegt hinter dem fragenden Blick und spielt im Moment der Begegnung mit einem so Fremden, auch noch aus Deutschland, das durchweg hochgeachtet wird und wenn es wegen Hitler ist, keine Rolle. Wenn ich so manchem etwas in die Hand gegeben habe, wenn es mir angebracht erschien, gab es wieder erst das Fragen im Blick, „warum, wofür?“ und dann und dann ein kleines Leuchten. Wie schön die Berge und die Sen waren, habe ich schon erwähnt. Dieses hier im Süden allgegenwärtige Wasser im üppig grünen Land, das nur eine Handbreit über dem Meer liegt, vergisst man nicht. Es war eine gute Entscheidung, mit dem berühmten Glück des Tüchtigen Bangladesch nicht auszulassen. Ich hebe meinen ausgesprochen „Bann“ hiermit auf. Wer hierher will, sollte es tun, muss sich aber auf einiges gefasst machen… 

Ich werde die ruhigen Straßen (Städte und Fernstraßen ausgenommen) noch vermissen. Sie waren meistens gut bis sehr gut und selbst die schmalsten Straßen auf dem Lande, die alle etwa um zwei Meter hoch angelegt wurden. Da sieht Indien im Norden des Landes arm gegen aus. Es sind ca. 200 km bis Kalkutta. Falls ich es schaffe, früh raus zu kommen, ich einigermaßen vorankomme und die Grenze leicht zu nehmen ist, könnte ich morgen Abend dort sein. In Kalkutta brauche ich einige Tage. Ich habe einige, für die Weiterfahrt wichtigen Dinge in einer Werkstatt zu reparieren, ich will Ausrüstung, die ich nicht mehr brauche, nach Hause schicken, einen wichtigen Zahn, den ich, abgebrochen seit 14 Tagen in der Hosentasche mit mir rumtrage, möglichst wieder anflicken lassen. Vor dem Ballungsraum mit 15 Millionen Einwohnern graust mir etwas.

 

Damit ist das Kapitel BANGLADESCH geschlossen