Ich bin angekommen und hoffe, meine Maschine wird mir in paar Tagen folgen. Ziemlich übermüdet habe ich auf meinem ersten Spaziergang durch die Gassen ein paar erste Eindrücke abgelichtet. Es hat sich seit meinem ersten Besuch Pakistans vor 45 Jahren, jedenfalls in einem Stadtteil wie diesem, nichts verändert. Sogar das Gemisch an Gerüchen, aus Garküchen, Abgasen, Abwasser ist das Gleiche. Na dann wolln wir mal
Islamabad (Rawalpindi) am 19. Juli 2017
„Da wolltest Du ja hin“. Dieser Satz von Stefan geht mir nicht aus dem Kopf und wird immer wieder aktuell. Nun bin ich hier, „wo ich hin wollte“. Morteza wollte es bei meiner Abreise noch einmal ganz genau wissen und fragte, warum ich denn „Richtung Osten“ will? Dahinter versteckte sich wohl der Gedanke, dass es doch in Deutschland und ringsherum so schön ist. Ich reise gerne durch die Länder, die (noch) ganz anders sind und völlig anderen Kulturkreisen zugehören, als die Welt, in der wir leben. Nicht, dass ich nicht gerne in Deutschland lebe. Die Entscheidung damals unter schwierigen Umständen nach Hiddensee zu ziehen, mich dort mit Marianne einzurichten und noch viele Jahre gemeinsam mit Uschi unter einem Dach zu leben, war wohl die beste Entscheidung in meinem Leben. Wirklich überzeugend konnte ich Morteza und auch Euch geneigten Lesern, meinen Drang zu reisen, wie ich reise, wohl nicht erklären. Da hätte ich das gestrige Argument von Ashfak Jumani, dem Director General of Pakistan Electronic Regulatoy Authority, Goverment of Pakisan (dazu später), schon haben müssen. Er meinte: „egal, wo wir leben – es zieht uns immer dorthin, wo wir nicht sind“. Das war natürlich nur auf Reisewillige bezogen, wie auch er einer ist, der viel in der Welt herumgekommen ist. Jetzt verstanden?
Und so bin ich nun also doch in Pakistan gelandet und froh darüber, denn es hätte etwas in meiner Reise gefehlt. Am Tag des Abfluges aus Teheran habe ich auf dem Flughafen in der Frachtabteilung den ganzen Tag in Büros mit Warten zugebracht. Es hieß immer, dass mein Motorrad gebracht würde, was wohl nicht geschah und dann gab´s noch eine hektische Fahrt zurück an den Teheraner Stadtrand über 30-40 km zum Zoll, der aber gerade Feierabend machte und nichts mehr zu erreichen war. Ich sah meinen Flug in der Nacht schon gefährdet. Mehrdad versicherte mir, ich solle mir keine Gedanken machen – er bliebe dran und ich solle ruhig losfliegen.
Eine halbe Stunde vor Mitternacht Abflug nach Doha, Umsteigen und Abflug, und Landung in Islamabad um 8:00 am Sonntagmorgen. Mit Taxi in mein vorgebuchtes bescheidenes Hotel und ab ins Bett. Bei der Ankunft machte ich kurz mit Silvia Bekanntschaft, die für die GIZ in Pakistan arbeitet und gerade vom Urlaub zu Hause zurückkam. Wir wollen uns mal treffen.
Infrastruktur: Abwasserkanäle, meine Kollegen dabei einen Schacht frei zu legen und Hausanschlüsse Gas/Elektro/Telefon
Nun bin ich schon den dritten, nein den vierten Tag in hier. Was ist alles passiert? Nichts und vieles.
Eine Telefonkarte, die mir langsam lebenswichtig erscheint (was haben wir nur vorher ohne gemacht?!) erstand ich am nächsten Tag - freigeschaltet wurde sie aber erst zwei Tage später. Mein Telefon arbeitet damit aber nicht auf G4, dem schnellen Internetstandard. Zum Glück gab´s WiFi im Hotel. Sonst hätte ich einige wichtige Dinge mit Teheran und Thomas nicht erledigen können. Es waren noch einige Informationen, Telefonnummern, Adressen mit Mehrdad auszutauschen, denn die Abfertigung des Motorrades schien nicht so einfach. Heute Abend fliegt sie aber ab über Dubai und Mehrdad übergab heute die Zoll- und Speditionspapiere an DHL-Express. Leider gab es noch eine Fracht-Nachberechnung, weil, wie mir auch Thomas erklärte, ein „Raumgewicht“ berechnet wird. So wurden aus brutto 200kg schnell mal 500kg. Sei´s drum.
Morteza und seine große Familie machen ab morgen eine schon länger geplante Reise. Sie fliegen nach Hamburg, Berlin und Prag. Thomas wird sie begrüßen und sich im sie kümmern, falls sie etwas brauchen. Ich habe mir im Iran doch noch drei kleine handgeknüpfte Teppiche gekauft, d.h. Morteza hat zwei Kilims aus KERMAN und einen Teppich aus Kashmir/Seide von Tabris besorgt, die ich leider nur per Fotos auswählen konnte. Freunde handeln dort damit und ich bekam Herstellerpreise. Mal sehen, was Marianne dazu sagt. Ich jedenfalls konnte nicht abreisen ohne diese Kleinode, die mich so berühren und faszinieren, als Erinnerungstücke zu haben. Es gibt also auch Dinge, bei denen auch ich schwach werden kann. Thomas wird sie entgegennehmen.
Ansonsten habe ich mir die Altstadt von Rawalpindi „reingezogen“ und mich zwischendurch in meinem klimatisierten Zimmer ausgeruht. Die Hitze ist anders hier. Der Monsun drückt mit extremer Luftfeuchtigkeit bei 40 Grad. Es ist sonnig und schwer bewölkt im Wechsel – geregnet hat es hier noch nicht.
Wie das Leben so spielt, ergeben sich, immer wieder neue Situationen. Als ich endlich ein funktionierendes Telefon hatte, rief ich meinen „Istanbul-Kontakt“ Mr. Abbas an, dass ich hier sei, ob ich mal in seinem Office vorbeikommen könne. „Sure! Come here“. Zur Erklärung: Ghulum Abbas, Master in IT und Ökonomie, hat nicht im Tourismus-Ministerium sondern im Ministry of Communications gearbeitet und ist z.Zt. bei der National Highway Authority. Dort ging´s gleich zur Begrüßung durch die Büros wichtiger Personen der 1500-Mann starken Behörde, die für den Straßenbau in Pakistan zuständig ist. Anschließend entschied er, wir holen meine Sachen aus dem Hotel ab und ich ziehe bei ihm in seine Wohnung mit ein. Hier bin ich nun, nicht mehr in Rawaltpindi sondern am Stadtrand und am anderen Ende der Zwillingsstadt Islamabad.
Am Nachmittag waren wir von einem Freund, seinem „älteren Bruder“ wie eine Respektsperson mit der man befreundet ist, hier genannt wird, zum Kaffee in das beste Hotel Pakistans eingeladen. Es heißt, es hätte 7 Sterne. Mr. Jumani habe ich ja weiter oben schon vorgestellt. Jedenfalls war es sehr interessant und das Hotel wirklich beeindruckend.
Nochmal beim Director General Ashfak Jumani, mit dem wir jeden Tag zum Mittagessen zusammen waren und bei Abbas` freundlichen Chef
Islamabad, der 21. Juli 2017
Heute ist der Tag, an dem Angelika auf See vor Hiddensee beigesetzt wird und die Kinder, Frank, Marianne und Freunde von ihr Abschied nehmen. Ich bin mit meinen Gedanken und meiner Trauer bei ihnen und bei Angelika, die trotz aller Hilfe zu schwach war, den Teufel abzuschütteln
Zwei Tage vergehen schnell – so wie die letzten beiden und meine Reise überhaupt… Es ist früher Nachmittag und ich bin in der schlichten Wohnung von Abbas, Inzwischen weiß ich, dass das sein Vorname ist. Er hat sich wieder von der Arbeit losgemacht und mir eben einen brunch aus aufgebratenem Fladenbrot, Eiern und gedünstetem, scharf gewürzten Gemüse zubereitet.
Amüsant meine (Ver-)Kleidung, oder? Ja, so sind etwa die Hälft der Männer hier in frisch gebügelten Sachen gekleidet. Abbas sucht mir immer die Sachen raus, wenn wir zu Offiziellen oder überhaupt raus gehen und besteht auch auf die Kappe, die mich als „Sindh“, seiner Nationalitätenzugehörigkeit aus dem Südosten Pakistans kennzeichnet. Mit der Hose, in die oben etwa 3 Männer reinpassen würden und dem langen, luftigen Kittel habe ich überhaupt kein Problem, mit der Kappe schon. Die traditionelle Kleidung verleiht mir irgendwie ein sicheres Gefühl. Ich sehe einfach so aus, wie alle Anderen und niemand beachtet mich.
Ich weiß gar nicht mehr, bei wem ich in seiner Firma ich alles vorgestellt wurde und Wasser, Tee, soft Drinks angeboten bekam, Fotos meines Zuhauses, der Familie, meines Motorrades, meiner Reise zeigen sollte. Gestern waren wir zu einer Stippvisite beim Sicherheitschef in der „International Islamic University“, die sich im Grünen auf einem 10x10km-Gelände mit lockerer schöner Klinker-Bebauung verteilt. Überall passieren wir starke Polizei- und Armee-Kontrollen, wie auch überall in der Stadt und außerhalb bewaffnete Checkpoints zu passieren sind, Geschäfte und Firmen mit Pumpguns und abgegriffene Kalaschnikows bewacht werden. Das nur nebenbei.
Vorgestern trafen abends 3 Schulfreunde (ein Doktor, ein Richter und ein Advokat) von Abbas aus der Hafenstadt Karatschi per Flieger ein. Wir waren abends auf einer Dachterrasse zum Dinner. Alle schliefen verteilt auf Betten und Fußboden in der Wohnung. Es war schon länger eine Reise in die Berge geplant. Abbas blieb jedoch hier, weil er sich um seinen Gast, seinen „Saint“ kümmern möchte und ließ ich davon mit seiner Einstellung zur Gastfreundschaft auch nicht abbringen, hier zu bleiben. „Saint“ beschreibt einen „älteren Bruder“, eine Respektsperson, eine liebenswürdige Person und was nicht sonst noch alles… Da musste ich also erst 70 Jahre alt werden und so weit reisen, dass mir das mal widerfährt !
Ein Freund hatte ihm für den Tag ein größeres Auto geborgt für eine Tour in die Berge. Erst nach einiger Zeit unterwegs registrierte ich, dass wir uns am Einstieg in den KARAKORUM HIGHWAY aufwärtsbewegten. Diese legendäre Straße zwischen China und Pakistan mit einer Länge von ca. 1.300km über den zweithöchsten Pass der Welt (Höhe: 4.700 m) an der Grenze ist wie die Hatch nach Mekka für die Moslems – man muss die Tour einmal im Leben gemacht haben. Für mich wird es auch ein Traum bleiben. Gründe: Zu schwierig, zu alt, zu schwach, zu kompliziert zu realisieren. Als wir gestern bis nach Abottabad (hier wurde Bin Laden angeblich erschossen) 150 km hinauf fuhren, kamen uns zwei schwerbepackte BMW GS entgegen. Ich war erst enttäuscht, dass wir mit dem Auto nun diese Tour machten, weil ich vorher schon geplant hatte, diese Straße so weit hinauf zu fahren, bis ich an (meine) Grenzen stoße um dann umzukehren. Die Grenze wird wohl die Kälte sein, da ich dafür nicht ausgerüstet bin. Nach China käme ich ohne Vorbereitungen eh nicht rein und das gehört auch nicht zu meiner, zu dieser, Reise. Wenn wir beiden wieder zusammengefunden haben, meine Maschine und ich, werde ich aufbrechen und mal sehen, wie weit hinauf ich komme.
Leider habe ich immer noch nicht die nötigen Informationen, die ich zum Rumreisen hier unbedingt vorher einholen möchte. Was ich zwischen nur weiß, ist, dass ich wirklich nur einen kleinen Teil Pakistans bereisen kann. Der Karakorum Highway gehört bedingt dazu.
Unbedingt lesen !:
https://de.wikipedia.org/wiki/Karakorum_Highway
Wir kamen erst am frühen Nachmittag aus Islamabad weg und als wir oben in der zugestopften engen Stadt Abottabad ankamen, wurde es dunkel. Es hätte unterwegs außer abenteuerlichen staubigen Baustellen, wo einfach mal die Straße fehlte, nicht viel zum Fotografieren gegeben. Ich komme ja hoffentlich noch mal hin. Eine Stunde am Fluß mit den Füßen im frischen Wasser und dann gings auf die abenteuerlichste Weise (Foto) zurück, dass ich froh war, nach Mitternacht lebend im Bett zu liegen. Das war mir auch eine Warnung, auf keinen Fall im Sattel in die Nacht zu geraten.
Abbas kam vorhin mit meinen Dokumenten aus seiner Firma zurück. Wir hatten am Ende seine Büroadresse für den Express-Versand angegeben, weil eine Regierungsbehörde sicherer schien, als ein Hotel, das man gerade vorher überraschend verlassen hat. 2 ½ Tage mit Zwischenlandung und sortieren in Dubai – alle Achtung DHL !
Und die zweite Nachricht war, dass er nachher abgeholt wird und bis Sonntag dienstlich 600 km südlich von hier zu tun hat. So bin ich nun allein in der Wohnung. Das hat auch was Gutes, denn so kann ich mal wieder meiner Wege gehen und was wichtiger ist, ich habe Zeit, meine Homepage auf Stand zu bringen, Emails zu beantworten und einfach, die vielen Informationen in die Schubladen zu verstauen. Vor allem muss ich die Zeit nutzen, „mich mit Pakistan zu beschäftigen“. Auf dem Rechner habe ich ein PDF-Buch “Kulturschock Pakistan“, das gelesen werden will und dann muss ich endlich einen kleinen Reiseführer zum Runterladen im Internet finden.
Kennt jemand die Pflanze? Wächst hier flächendeckend an den Straßenrändern und duftet so schön. Kann man davon Tee machen? Tee - ist gut.
Ein paar Stunden später, 23:00 Uhr.
Ich wollte mal meinen Weg von hier draußen am äußeren Stadtrand in die Stadt ausprobieren. Ging sehr gut. Die kleinen zerbeulten Taxis, die mindestens 30 Jahre auf dem Buckel haben, kurven auch hier draußen rum kosten 1$50 bis zur nächsten Metro-Bus Station. Das ist ein lustiges Verkehrsmittel. Die Haltestellen bestehen aus klimatisierten Glaskästen und die „S-Bahn“ aus speziellen langen Bussen, die auf Gummibereifung durch die eng und ohne Berührung mit dem Straßenverkehr angelegten Spuren sausen. Mindestens die Hälfte der Bahn ist als Hochstraße auf Pfeilern angelegt und überholt über den Dächern der meisten Häuser den sich zäh quälenden Verkehr. Ge nial. An jeder Haltestelle kann man einen Token, eine elektronische Plastikmünze für 20ct kaufen, wird vor der Sperre von Sicherheitsleuten gescannt und abgetastet und darf dann in den Glaskasten hinein und kann damit so weit fahren, wie man will. 20 Pfennig erinnern mich an die DDR, wo wir auch da noch beschissen haben.
Ich war noch mal in meinem Hotel, um zu fragen, ob eine Nachricht vom Flughafen vorliegt und dann auf dem Großen Basar, der aber schon schlafen ging. Hiervon noch ein paar Bilder, einschließlich dem verwackelten vom Rücken des TukTuk-Fahrers.
Nun muss ich meinen iranischen Freunden mal weh tun: Das Essen, das hier in den Straßen an jeder Ecke angeboten wird, schlägt das im Iran um Längen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass die meisten, die zu meinem Leserkreis gehören, da nicht ran gehen würden, wenn sie sehen, wie und auf was für welchen Koch- und Grillstellen es zubereitet wird, wie Teller und Gläser mit einem Schlückchen Wasser aus einem Bottich flüchtig gespült und mit einem speckigen Lappen abgewischt werden. Aber es schmäääckt! Sehr gut und gerade richtig scharf gewürzt. Zwischendurch floss ein Abwasserbach am Rinnstein entlang und unter meinem Tisch hindurch. Der wurde aber mit einem Strauchbesen abwärts weitergefegt zum Nachbar-„Restaurant“. Das Brot, das in den Küchen in lehmausgekleideten innenbeheizten Backöfen direkt für das jeweilige Essen gebacken wird, schmeckt hervorragend. Da schneiden die trockenen Fladen im Iran auch ganz schlecht bei ab. Das war nun aber auch schon alles, wo der Iran schlecht bei wegkommt. die Speisen, die ich bei den Familien dort genießen konnte, sind durch Nichts zu toppen.
Islamabad, am 25.07.2017
Das wäre heute der 107. Geburtstag meines Vaters, wenn er noch lebte …
Mein Motorrad steht E N D L I C H (noch in der Kiste verpackt) vor der Haustür.
Seit 30 Minuten ist endlich das Problem mit dem Zugang zu meiner Internetseite gelöst. Dass ich nicht ganz in Vergessenheit gerate, ein paar Bilder. Ich will Euch nur schnell zeigen, was sich alles so um eine Kreuzung herum in Rawalpindi abspielt:
Islamabad, am 27.07.2017 (km 8.300)
Endlich, endlich kann ich wieder die zurückgelegten Kilometer in die Überschriften einbauen, denn es geht jetzt weiter.
Es hat mich nicht sehr nervös gemacht, dass ich hier zehn Tage auf der Stelle gestanden habe. Das ist ein gutes Zeichen und zeigt mir an, dass ich aus meiner Dynamik „immer schnell weiter zu müssen…“ in der Lage bin, rauszukommen. Das kam zwar nicht aus eigenem Antrieb, sondern weil ich auf die Maschine warten musste. Nun habe ich sie wieder, alles ist wieder angebaut, Luft, Reifendruck, Benzin, aufgefüllt und die erste Linksverkehr-Probefahrt im ruhigen Wohngebiet ist gerade abgeschlossen.
Die neueste Errungenschaft: dieses hübsche Plastikschild habe ich eben in einer der speckigen Motorradwerkstätten zurechtschneiden und anbauen lassen. Mal sehen, ob meine Beine und Hosen nun besser geschützt sind. Es regnet hier öfter und das, was von den Reifen weg geschleudert wird ist hier in Pakistan nicht nur Wasser…! Als „schön“ kann man es nicht gerade bezeichnen aber meine gewohnten Ansprüche an Ästhetik passen sich langsam an und es tut nicht mehr weh, wenn z.B. anstatt eines Bohrers ein stumpfer heiß gemachter Schraubendreher zum Löcher machen zum Einsatz kommt und die Ecken nicht elegant gerundet sind.
Beim Zahnarzt gestern habe ich mich da schon mehr aufgeregt. Vor vier Tagen habe ich mir ein Schneidezahn aus meinem schönen Teleskopgebiss rausgebrochen. Doch, ich habe auch schon einige körperliche Baustellen. Das Zahnarzt-Finden ging hier so: drei abendliche Anläufe den Optiker (Professor) des Vertrauens anzutreffen, der aus Abbas` Heimat stammt und dann zum „besten Zahnarzt“. Meine Hinweise, dass ich ein gutes Zahnlabor bräuchte, kamen nicht an. Der freundliche vertrauenswürdige alte Zahnarzt übergab das Teil mit dem Zahn an einen jungen Assistenten, der damit für eine halbe Stunde verschwand und als es eingesetzt werden sollte, dachte ich, es wäre gar nicht meines, ging schwer, nicht gänzlich rauf und kaum wieder runter. Junge, war ich in Rage! Es sollte doch nur der Zahn eingeklebt werden! Der nette Doktor machte Farbabdrücke und wollte es beschleifen, da war´s genug. Ich bedankte mich mit aller Beherrschung und da es offensichtlich meines war, wollte ich damit nur noch weg. Zu Hause schrubbte ich gründlich die Teleskope aus und siehe da, Es ist wieder meine und passt. Man könnte den Vorgang als Kleinigkeit bezeichnen für Friedrich-unterwegs ist so eine Kleinigkeit aber existenziell.
Ja, mein Motorrad.
Das hat einigen Leuten Kopfzerbrechen und starke Nerven gekostet. Mehrdad schrieb mir, nachdem in Teheran endlich alles gelaufen war, was er mit der Transportfirma, die das Versenden übernommen hatte, noch für einen Zirkus hatte, von dem ich nichts ahnte. Eigentlich sollte der Versand ja am Tag meines Abfluges abgeschlossen werden. Das geschah aber erst knapp eine Woche später, weil sie von Mehrdad 400$ extra haben wollten, um den Zoll zu schmieren. Mehrdad verweigerte und sie blieben auf der „kleinen Extraaufwendung sitzen. Mit Abbas war ich dann am vergangen Montag den ganzen Tag auf den verschiedenen Höfen der Importspeditionen und in seit meiner Darm-OP im vergangen Jahr ja permanent zu. Das macht mein Reisen manchmal nicht ganz einfach. Aber am Abend vorher ging´s los und am Airport hat es mich dann so richtig erwischt. Mit Schmerzen im Bauch, Schweißausbrüchen, Schwindelgefühl und Doppelbildern hockte ich über den Löchern für jedermann.
Keine Angst – ich beschreibe den Lesern nur das, was ich ihnen zumuten kann … Und es war besonders heiß an dem Tag. Wenn ich über die Landgrenze fahre mit der Maschine und meinem „Carnet des Passages“, dauert es 5 Minuten bis eine Stunde, manchmal fällt auch ein „Stempelgeld“ an, das in der Schublade verschwindet. Hier, beim annähernd gleichen Vorgang, warf Abbas all sein Können in die Waagschale. Man kommt um das Anheuern eines (meistens schmierigen) privaten Zollagenten nicht herum. Von den Zollchefs, in deren Büros wir waren, wurden wir zuvorkommend empfangen. Als ich Thomas davon am Telefon erzählte, musste er lachen und meinte: „Diese Agenten sind dazu da, den Zöllnern die „Schublade“ zu füllen. Am Ende jedenfalls fuhr uns ein Kleintransporter mit der großen Kiste hinterher zu Abbas´ Wohnung, wo sie ein paar Leute runter zerrten. Mein leibliches Problem habe ich nach drei Tagen mit Immodium und Coca Cola auch wieder eingefangen.
Ich habe hier jetzt keine Ruhe mehr und das Internet ist grottig. jetzt gehe ich erst mal auf Reisen und dann hört Ihr wieder Interessantes von mir
Abbottabad, der 29. Juli 2017
Jetzt, wo ich schreibe, sind meine Griebener Freunde gerade in der Endphase der Vorbereitung für unser beliebtes „Drachenfest“ in Grieben heute. In drei Stunden gib´s zum Kaffee den guten Kuchen aus den Griebener Backöfen, Spiele und Drachenbauen für die Kinder und später dann das „Abendprogramm“ für die Trinkfesten. Das Wetter wird leider „gemischt“ sein. Ich wünsche gutes Gelingen und allen viel Spaß beim 20. Drachenfest in Grieben.
Das Bild schickte mir Uta Gau. Ich hoffe, ich darf es hier verwenden.
Ich bin zwar schon ein Stückchen weiter, will aber nochmal zurückkehren und noch ein paar Bilder aus Islamabad nachreichen. Einmal in der Woche ist Markt in Abbas´ Wohnviertel.
Als ich nach so langer Zeit endlich wieder mal auf meiner bepackten Maschine saß und auf den KASHMIR HIGHWAY Richtung Norden einbog, ging´s mir gut. Die achtspurige Schnellstraße wurde am Standrand schnell zur normalen Landstraße mit Gegenverkehr und das Linksfahren kam wie selbstverständlich und machte mir keine Schwierigkeiten. Es war eine schöne Tour – es hätte aber eine sehr schöne werden können, wenn das Wetter besser wäre. Der Monsun scheint jetzt durchzugreifen auf Pakistan. Diesig war es von Anfang an, so dass die Sicht auf die grandiose Berg- und Waldlandschaft leider schlecht war. Weiter oben kam ich die Wolken mit 10 Meter Sicht und in heftigen Regen. Meine neue Schutzblechverlängerung hat den Test gut bestanden. Die 100 km in den Bergen bestanden ausschließlich aus Kurven. Dadurch, dass Freitag war, und sehr viele Ausflügler mit ihren Autos in den kühlen Bergen unterwegs waren, ging es meistens nur im ersten und zweiten voran.
Ich habe ja vor dem Losfahren mein vorderes Kettenritzel gegen ein kleineres aus meinem Ersatzteillager getauscht. Das hatte ich, um die Lebensdauer der Kette möglichst zu verlängern, sowieso geplant. Diese Übersetzung ist für die Berge besser geeignet. Inzwischen habe ich auch die Funktion der „Höhe ü.Nn“ auf dem Navi gefunden. Der höchste Pass war bei 2.500 Metern, wo der Laubwald in Kiefern überging. Einen Regenschirm habe ich mir unterwegs gekauft, einen großen, den ich schön zusammenschieben kann und der noch einen festen Platz am Motorrad bracht.
Mein Ziel war Abbottabad und ich fand schnell ein Hotel. Dann aber kam die Ernüchterung, denn es wiederholte sich das Problem mit dem Passport, das ich wieder mal nicht vorweisen kann, weil es im Immigration Office in Islamabad liegt. Es gibt nur einen Unterschied: mit der Blauäugigkeit, mit der ich ohne Pass durch Iran kam, funktioniert hier nicht. Die Kopie von meinem Visum war verwischt und nicht leserlich. Damit wollten sie mich aus Angst vor der Polizei nicht mal für eine Nacht aufnehmen. Ein Angestellter empfahl mir, zur Polizei zu gehen, was ich tat, dort freundlich behandelt wurde und nun erstmal hierbleiben kann.
Ich weiß nicht, ob ich weiter oben erwähnt habe, dass ich wieder einmal eine Visa-Verlängerung beantragt habe, da mir schon so viel Zeit davongelaufen war. Auf Bitten hin, verkürzten sie die Bearbeitungszeit auf nur 10 Tage, die erst am 04. August ablaufen. Ich habe um weitere vier Wochen gebeten und die wurden mir auch vom Chef der Behörde abgesegnet. Wenn man diese Bilder sieht, kann man doch nicht gleich wieder abhauen, nur weil die Zeit knapp ist.
Im Sägewerk: Aus Rundholz wird Kantholz und am Ende Bretter. Zeitungsleser: Gestern stürzte der pakistanische Präsident, weil er zu viel Geld aus unbekannter Quelle in Panama versteckt hat.
Ich habe ich es geschafft, Pakistan aus meiner Reise nicht auszulassen und da will ich den schönsten Teil, den das Land zu bieten hat, auch bereisen. Das heißt allerdings: „gehe zurück auf Anfang“. Morgen oder übermorgen werde ich wieder runter fahren nach Islamabad und dort bis Freitag brav auf meinen Pass warten und dann einen erneuten Anlauf nehmen. Bei der Polizei hat man mir noch mal bestätigt, dass ich ganz beruhigt in die Region um den Karakorum Highway reisen kann. Das Gebiet wäre gesäubert und sicher. Das wird nicht der letzte Stein sein, der mir noch unerwartet in den Weg rollen wird.
Sajjikot, am 31.07.2017
Gebt Euch keine Mühe. Diesen Ort findet Ihr auf keiner Landkarte und nur mit Mühe bei Google maps. Ich hatte heute einen so wunderschönen Tag, wie man es sich nur wünschen kann. Letzte Nacht habe ich sehr schlecht geschlafen, was in letzter Zeit glücklicherweise seltener geworden ist, und so wühlte ich mich erst gegen Mittag aus dem verrückten Abbottabad heraus.
Ich blieb drei Nächte, weil ich ohnehin auf mein Visum warten muss und weil die Stadt im untersten Teil des Karakorum Highway genau das Gegenteil meines Hiddensee-Paradieses darstellt. Laut, staubig, speckig-schmutzig, quirlig, voller Menschen und Autos, vor allem bunter LKWs, die durch die enge Stadt rußen. Der berühmte Highway geht mitten durch die Stadt und ist die einzige nennenswerte Verbindung um den gesamten Norden zu versorgen und ist auch die einzige Verbindung nach China. Vielleicht nochmal zur Erklärung: Der Kashmir-„Highway“, den ich durch die Berge benutzte, verläuft weiter östlich, ist landschaftlich schöner, wird nicht vom Schwerverkehr benutzt und stößt in Abottabad auf den Kashmir Highway.
Mein abgewetztes Hotel, das Erste Haus am Platze, das direkt am Highway und inmitten des riesigen Marktzentrums liegt, Ist eigentlich nicht meine Preisklasse; ich musste hart verhandeln, um von 30 auf 20$ runter zu kommen. Wenn ich später in die Regionen meiner Pakistan-Träume knattere, werde ich mich dran gewöhnen müssen, und nicht nur daran… Ich zog mir, bis ich nicht mehr konnte, die Stadt rein, rauf und runter bis in die räudigsten Winkel und bis ich mich danach sehnte, nur noch auf mein Hotelbett zu fallen und unter dem sausenden und klappenden Deckenquirl ein Stündchen zu schlafen, was völlig ungewöhnlich für mich ist. Mich haben Marktflecken schon immer sehr angezogen. Hier muss man aber hart gesotten sein, zumal wenn man sich auch noch einheimisch auf der Straße ernährt. Wenn man das hinbekommt, dann wird man mit sehr gut und scharf gewürztem vielseitigem Futter belohnt. Die tollen Hygieneregeln, die man als Europäer mit auf den Weg bekommt, lassen sich hier jedenfalls nicht durchziehen. Es ist einfach schön und spannend hier zu sein, eine völlig andere Welt zu erleben und mit vielen interessierten Menschen in Kontakt zu kommen, sich freundlich mit ihnen einzulassen. Mit meinem Gefährt unter dem Hintern ist es besonders einfach und mit meinem Alter, das hier sehr geachtet wird. Die Frage danach, ist immer in den ersten dreien enthalten. Ich verrate ihnen natürlich nicht, dass das auch manchmal drückt und ich auch schlappe Phasen durchmache.
Heute wurde ich wieder mal reichlich belohnt für meine Experimentierfreudigkeit. Durch die tiefhängenden Wolken hindurch fuhr ich in umgekehrter Richtung den Kashmir Highway auf den Kamm hinauf, fand oben angekommen, eine vielversprechende Abzweigung. Mal versuchen. Es wurde eine Traum-Tour! Die Straße wand sich an teilweise an fast senkrechten Bergabhängen durch üppige grüne Wälder abwärts, bis am Ende, als es über den Fluss ging, fast 1500 m Höhe abgebaut waren. Ich habe oft gehalten mich hingesetzt, um zu stauen. Die Gegend ist dünn besiedelt und die schmale Straße, hatte fast durchgehend einen tollen Straßenbelag. Es lagen sehr viele Steine oder Reste von abgerutschten Berghängen auf der Straße.
Da die Steine scharfkantig sind, ist Vorsicht geboten. Ein Reifen mit aufgeschlitzter Flanke wäre nicht so toll hier. Im Übrigen habe ich Reifen, wie ich sie fahre, hier noch nicht gesehen. Ein versierter Motorradfahrer würde schmunzeln, wenn er meine Reifen anschauen würde. An den Außenkanten sind noch die Stacheln von der Produktion dran. In der Mitte ist nach 9.000km ca. die Hälfte runtergefahren, schätze ich. Viel befahrene Straßen sind oft spiegelblank, vielleicht auch unter der Hitze und hier in Pakistan feucht und schmierig. Es ist auch schwer zu sagen, welche Überraschung in oder hinter der Kurve so auftaucht. Ich will ankommen (wo eigentlich?) und das: heil. Also bitte ich um Nachsehen.
Nach der Flussquerung ging es in südlichen Richtungen nicht mehr bergauf sondern in Nähe des Flusses an den Hängen entlang. An der ersten Abzweigung sagte man mir „Islamabad?: rechts abbiegen“. Ich entschied mich für geradeaus und blieb in der saftig grünen Talsohle auf meinem südlichen Kurs. Bis zu einem Dorf, wo eine große Runde alter Männer zusammensaß. Da ich mich bis auf meine Kleidung kaum von ihnen unterscheide, gesellte ich mich zu ihnen und hatte schnell eine Tasse guten Tschai´s (Tee/Milch/Zucker) vor mir stehen und erst die üblichen fragenden Blicke und dann die Fragen auf Englisch. Es ist schön, dass immer Leute, junge und alte, in der Nähe sind, die Englisch sprechen. „JA, die Straße könnte ich weiterfahren, um nach Islamabad zu kommen aber NEIN, sie ist verschüttet“ seit ein paar Monaten. Es hat in der Saison sehr stark geregnet hier. Das erklärte auch die vielen Steine auf der Straße. Es gefiel mir hier am Fluss und ich fragte nur mal so: ob ich hier übernachten könne und dachte auch an zelten. Ein Telefonat, ein freundlicher Mann kam und brachte mich zu seinem „Hotel“. Damit hatte ich nicht gerechnet und nun sitze ich bei Taschenlampe, weil die Elektrik in diesem Raum irgendwie nicht funktioniert und höre jetzt auf zu schreiben. Ich werde einen Tag hierbleiben und es mir schön machen in der Idylle. Es ist ein bisschen wie in Grieben. Zum ersten Mal bin ich in so einer Ruhe, wenn nur die Frösche und Hunde nicht so laut wären…Ich höre gerade: der Wasserhahn im Bad tropft.
Ein Tag später
Was war das doch für ein Glücksfall, diese unscheinbare Abzweigung genommen zu haben und mal da gelandet zu sein, wo ich immer schon mal bleiben wollte. In einem Dorf. Es ist unglaublich, wie herzlich ich Exot hier von den Menschen aufgenommen wurde. Männern muss ich ja sagen, denn Frauen sieht man auf der Straße fast keine und wenn doch mal eine auftaucht, dann huscht sie nur wie ein Schatten vorbei. Marktflecken, müsste ich dann auch sagen, wenn ich genau sein will. Das Dorf ist klein hat aber viele Geschäfte und Garküchen, in dem die Leute der Umgebung sich mit den alltäglichen Dingen versorgen. Heute am Dienstag zum Beispiel war der wöchentliche Viehmarkt hier auf einem freien Platz im Dorf am Bach. Bauern aus der Umgebung wollten ihre Kuh oder das Bullenkalb verkaufen, einen Esel oder Maultier, suchten neue Besitzer (oder Schlächter) für ihre schönen Ziegen oder Hühner für den Suppentopf an den Mann bringen. Schafe sieht man hier selten. Für eine Milchkuh fragte ich nach dem Preis, der Mann ließ mir (umgerechnet) 700$ übersetzen. Danach lief er mir noch länger hinterher und unterbreitete mir, so wie ich es verstand, immer bessere Angebote, bis ihn wohl jemand aufklärte, dass ich keine Verwendung für seine Schöne hätte.
Ggen Ein Uhr war der Mark vorbei und es kehrte wieder Normalität ein, d.h., nicht ganz, denn ich war ja noch da. Der Gast. Es gab immer wieder neue Begrüßungen (indem man mit beiden Händen die des Anderen ergreift) und ein Willkommen zusammen mit dem Versprechen bekommt, dass man seine Wünsche äußern und Hilfe anfragen sollen, sofern etwas notwendig ist. Es ist eine große Wärme zu spüren, die einem Gast entgegengebracht wird und man versicherte mir, dass das in ihrer Tradition jedem Gast zukommt und ich müsse mich nicht bedanken dafür. Es überrascht mich, wie viele Leute hier Englisch sprechen. Die Alten mehr, als die Jungen. Und man kann in sehr markante schöne, vom Leben gezeichnete Gesichter schauen. Anschließend verabschiedet man sich mit einer Umarmung und Hände reichen.
Viele dieser Begegnungen dauern nur ein paar Minuten; ich habe inzwischen aber ein paar Bekannte und Freunde, die ich öfter treffe, wo dann an vorherige Gespräche angeknüpft wird. Jedenfalls erfahre ich eine Menge über ihre Religion, Lebensweise, Traditionen, Sichtweisen. Der Glauben spielt eine große Rolle, wird aber alles andere, als dogmatisch gelebt, wie in vielen arabischen Ländern. Es gibt Kirchen hier und die Menschen leben friedlich miteinander und heiraten sogar. Was ich allerdings hier nicht wiederholen werde ist, dass ich eigentlich keinen religiösen Glauben habe. Dafür gibt es nur verdutztes Erstaunen und Unverständnis.
Ein Thema kommt fast immer hoch. Es geht um das Ansehen des Islam, oder sagen wir im jetzigen Falle Pakistans, in der westlichen Welt. Selbst die einfachsten Leute fühlen sich verletzt durch diese (vermeintliche) Außensicht auf sie und möchten richtigstellen, dass z.B. die Taliban und Islamisten mit ihnen nichts gemein haben und auch keine Moslems wären. Diese wären vor allem ein Produkt der amerikanischen (und westlichen) Politik. Es geht also um Anerkennung und am Ende um Respekt.
Ich kann dann immer nur beteuern, dass ich das alles wüsste und meinen großen Respekt haben diese Menschen sowieso.
Es ist hier ein bisschen so, wie mit Schluck und Gau auf Hiddensee. Zwei meiner neuen Freunde möchte Euch vorstellen, die am Ende immer grinsen mussten, wenn sie mir immer neue Mitglieder der Familie vorstellten. Eben, wie auf Hiddensee. Shahid ist Geologe auf Urlaub in seinem Dorf und baut gerade mit seinem Bruder Binyamin zwei kleine Hotels. Eines im Dorf und ein anderes in schwieriger Hanglage hinter dem Dorf mit Blick auf den Wasserfall. Hamid arbeitet in einer Ölfirma, die in Balutschistan bohrt. Dort im Grenzgebiet zum Iran wurde sie vor zwei Wochen in ihrem gepanzerten Jeep angegriffen. Sie konnten flüchten und kamen heil davon. Danach hatte ihr Auto über 100 Einschüsse. Oben an der Baustelle hatte sich ein Kieslaster in gefährlicher Lage im aufgeweichten Boden eingebuddelt, wo er hätte abstürzen können, In der Dunkelheit dann bekamen sie ihn frei.
Shahid und sein Bruder Binyamin
Binyamin war 20 Jahre in einer Spezialeinheit der Armee tätig. Auf meine Bemerkung, dass er dann wohl einige Krisen erlebt haben wird, nickte er nur. Wir saßen viel zusammen, nie durfte ich irgendetwas bezahlen, wie ich überhaupt nichts im Dorf begleichen durfte als ihr GAST. Und beim nächsten Besuch würde ich bei ihm wohnen und nicht im „Hotel“, das aus einer schäbigen Steinbaracke besteht und weil was kaputt ist, habe ich die ganze Zeit keinen Strom. Mein Telefon und Internet funktionieren auch nicht im Dorf. Vor allem solle ich beim nächsten Mal meine Familie mitbringen. Die bestünde aus 10 Leuten, bemerkte ich. Dann würden wir 5 Zimmer bekommen und seinen Landcruiser.
Einer der Verwandten bekam heute den Auftrag mit mir eine Wanderung auf den Berg zu machen, wo wiederum Verwandte mit ihren Tieren in einer Einsiedelei lebten. Dort gab´s Grünen Tee, er mich immer sofort an meine ersten Reisen nach China erinnert und (noch etwas unreife) wilde Pfirsiche, die überall wuchsen. Es war sehr schön da oben und ich bekam neben den schönen Ausblicken auf die nächsten Berge einen Überblick über den Landbesitz der Familie.
Boulette von der Ziege. Dazu frisch gebackenes Brot. Hmmm !
Gestern wollte ich die Straße am Wasserfall vorbei weiter fahren bis zur Abbruchstelle, kam aber nicht weit, da einer der gewaltigen Gewitterschauer runterkam, und mein neuer Regenschirm zum ersten Mal zum Einsatz kam, indem ich ihn mir mit Gürtel und Gepäckgummi auf den Rücken schnallte und zurück ins Dorf tuckerte, wo es nur getröpfelt hatte. Morgen, wenn ich nach Islamabad abfahre, versuche ich´s nochmal.
Es waren zwei sehr, sehr schöne Tage hier in der wunderschönen grünen Berglandschaft bei so liebenswürdigen und herzlichen Menschen, die mir im Gedächtnis bleiben werden.
Erst wenn ich zurück in Islamabad bin, kann ich meine Eindrücke meines ersten Ausfluges in die Berge ins Netz stellen. Ich habe alle Akkus, einschließend den meiner Maschine leer genuckelt und muss sehen, wie sie morgen gestartet kriege.
Islamabad, am 05. August 2017 (Rückfahrt nach Islamabad)
Die Steinchen auf der Straße bedeuten, dass es jetzt hier nicht weitergeht. Das ist also der Bergrutsch, der eine ganze Region geteilt hat. Am Vormittag war das Wetter besser, als am Vortag und da bin ich die schöne Straße am Berghang entlang noch mal gefahren und wollte sehen, wie es aussieht, wenn ein Hang abgeht und eine Straße mit in die Tiefe nimmt. Ich glaube, die Bilder zeigen den Eingriff von Naturgewalten in das Leben der Leute in den Bergen ganz beeindruckend. Genau oberhalb dieses Zusammenflusses, der vielleicht 100 Meter tiefer liegt, ging´s abwärts. Die Oberflächen der Berge bestehen aus verrottetem Stein, der in scharfkantige brocken zerfällt und der Teilweise schon zu Erde geworden ist. Nach oben geht es auch noch mal mindestens hundert Meter und ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, wie man da wieder den zerbröselten Hang und eine Straße zum Halten kriegen soll. Vielleicht muss ein neuer Weg über den Berg gefunden werden. Vielleicht ist es aber auch ganz einfach, weil sowas öfter wieder in Ordnung gebracht werden muss, Ich jedenfalls möchte nicht in dem Bagger sitzen, der sich da neu in den Hang buddeln muss
Zurück im Dorf spendierte mir Binyamin Dicke Erbsensuppe mit Fladenbrot, das typische Frühstück und dann fing auch schon wieder der Regen an. Es gibt einen einfachen aber weiten Weg nach Islamabad, der zum Karakorum Highway und dann im großen Bogen in die Stadt hineingeht. Binyamin empfahl einen interessanteren durch die Berge und machte mir diese Skizze. Am Ende nahm er sein kleines Motorrad (hier fährt man 70-150 ccm), hängte sich einen Plastikumhang um und brachte mich bei strömendem Regen auf kuriosesten Abkürzungen über aufgeweichte Feldwege, Felsen und zerbröselte Reste von befestigten Straßen über mehrere Bergrücken etwa Es war wirklich eine sehr gute Empfehlung, was die wilde Landschaft betraf aber die Straßen waren übel. Fast über 100 Kilometer nur zerbröckelter alter Asphalt oder Schotter. Hier zeigt sich so richtig, dass meine Gabelfederung (jedenfalls für eine Enduro) voll Scheiße ist. Man verzeihe mir das harte Wort, ist nicht übertrieben. Sie spricht schwer an und die Stoßdämpfer sind völlig wirkungslos, denn beim plötzlichen Ausfedern wegen eines größeren Schlagloches schlägt sie voll oben an, dass mir Angst und Bange wird.
Ja, und dann stand ich vor der Furt am Fluss. Einige Autos und Motorräder holperten durch über die Steine und mir pochte das Herz. Wie mit meiner Ladung hier durchkommen, wo ich schon auf der Straße manchmal befürchte, unverhofft in ein Loch zu treten und umzukippen. Die Aufforderungen der Vorbeikommenden, einfach durchzufahren, machten mir Hasenfuß das auch nicht leichter. Dann kam ein junger Mann, der auf eine Stelle weiter flussabwärts hinter einer langen Schlammpfütze deutete. Also Schuhe aus, Latschen an, Hosen hochkrempeln Gepäck runter und allen Mut zusammennehmen. Die Sachen trugen junge Burschen schon mal rüber. Ich lief die Stelle durch den Fluss zweimal ab und fand eine Stelle mit wenigen Steinen und dann war alles ganz einfach.
Trotz des häufigen Regens war es eine schöne Tour, nur nervig, weil ich selten in den dritten Gang hochschalten konnte. In einem Dorf nahm ich die falsche Abzweigung, weil die eher nach einer Straße in die Hauptstadt aussah, bemerkte es erst nach zehn Kilometern und musste zurück. Dann ging es durch „hundert“ Serpentinen mit der hereinbrechenden Dunkelheit hinunter in die Stad zu Abbas.
An meinen Reisepass dachte ich nur zufällig, beim Tanken. Es war 20vor4, am Freitag! In zehn Minuten war ich da und das Scherengitter vor dem Büro war schon zu; die Leute dahinter in Wochenendstimmung. Man gab mir den Pass noch raus (ohne Gebühr) und glücklicherweise schaute ich mir das Visum nochmal genauer an. Enddatum Ende August, zwei Wochen weniger, als ich es wollte! Nochmals am Gitter rütteln half, man wies mir den Weg hinten herum ins Büro. Wer nun Schuld daran hatte - vielleicht auch ich - war egal. Zum Glück kam der Chef, der sich an meine Geschichte wohl noch erinnerte, aus seinem Büro und wollte gerade nach Hause. Er legte mit drei Worten meinen Pass auf den Schreibtisch eines Bearbeiters. Ich solle mich setzen und warten. Eine halbe Stunde nach Feierabend hatte ich ein neues Visum bis zum 19. September. Juhuh!!!
Hätte ich den Pass nicht mehr bekommen, hätte der neue Plan nicht funktioniert.
Mit Abbas hatten wir vereinbart, später nach meiner Bergtour eine Woche gemeinsam in sein Dorf und seine Heimat in den Süden Pakistans zu reisen. In den Bergen riet man mir, meine Bergtour später zu machen, weil es heftig regnen würde in der nächsten Zeit. Hinzu kam ein Anruf eines meiner neuen Freunde aus den Bergen, dass der Karakorum Highway auf halber Höhe durch einen Bergrutsch verschüttet sei und es einige Tage dauern würde, bis er wieder befahrbar wäre. Abbas hat Urlaub genommen und vorhin haben wir Flüge nach SUKKUR gebucht, morgen am Sonntag hin und am nächsten Samstag zurück nach Islamabad. Von dort aus sind es 2-3 Stunden über die Straße bis zu seinem Dorf, in dem seine Familie lebt. Ich freue mich sehr darauf.
Ein paar Stunden später (01:30 Uhr)
(Schöne) Überraschungen sind doch was Tolles. Wir sind gerade nach Hause gekommen. Seit zwei Tagen wohnt ein Freund von Abbas, Mr. Alvis (oder scherzhaft Mr. happy happy“ mit in der Wohnung, der gerade mal wieder Stress mit seiner Frau hat. Mr. happy happy trinkt seit über 20 Jahren und hat eine Catering Firma in Islamabad. Wenn er einen Wunsch hat oder uns von früh bis spät mit Essen versorgt, ruft er seinen Boy, der alles ranschafft. Als Erstes wurde sein „slave“ erstmal angewiesen, Abbas´ Küche durch zu schrubben, die es wirklich, wirklich nötig hatte. Ich hatte mich aus Respekt nicht so weit vorgewagt. Danach waren die Bäder dran und die drei Räume. Jetzt liegt Mr. happy happy, der Gute, jedenfalls in meinem Bett.
Heute führen wir zu einem Freund von ihm, der mehrere Antiquitäten-Shops in der Stadt hat zum Plausch und Tee. Ein Ausflug zum country house wurde wegen der Hitze nicht gemacht aber eine Einladung zum Abend ausgesprochen.
Ein paar Stunden später (01:30 Uhr)
(Schöne) Überraschungen sind doch was Tolles. Wir sind gerade nach Hause gekommen. Seit zwei Tagen wohnt ein Freund von Abbas, Mr. Alvis (oder scherzhaft Mr. happy happy“ mit in der Wohnung, der gerade mal wieder Stress mit seiner Frau hat. Mr. happy happy trinkt seit über 20 Jahren und hat eine Catering Firma in Islamabad. Wenn er einen Wunsch hat oder uns von früh bis spät mit Essen versorgt, ruft er seinen Boy, der alles ranschafft. Als Erstes wurde sein „slave“ erstmal angewiesen, Abbas´ Küche durch zu schrubben, die es wirklich, wirklich nötig hatte. Ich hatte mich aus Respekt nicht so weit vorgewagt. Danach waren die Bäder dran und die drei Räume. Jetzt liegt Mr. happy happy, der Gute, jedenfalls in meinem Bett.
Heute führen wir zu einem Freund von ihm, der mehrere Antiquitäten-Shops in der Stadt hat zum Plausch und Tee. Ein Ausflug zum country house wurde wegen der Hitze nicht gemacht aber eine Einladung zum Abend ausgesprochen.
Anschließend fuhren wir nach Hause und ich konnte glücklicherweise meine Seite auf Stand bringen. - oh, meine Freundin, eine Riesen-Kakalake von 4cm Länge flitze gerade wieder zwischen meinen Füßen durch und ist munter im Zimmer unterwegs – Um 18:00 unterbrach mich Abbas, weil wir doch ins Kino wollten in den russischen Film. Natürlich wollte ich. Ich hatte keine Ahnung, was mich erwarten würde mit einem russischen Film in einem pakistanischen Kino. Am Stadtrand sowas, wie ein „kulturelles Gebiet“ im Grünen. Ein modernes bunt gestaltetes Gebäude, ein Saal für 300 Leute, eine Leinwand und ein Projektor. Der Film lief schon. Der Film: Russisch, ein einsames Kloster aus erbärmlichen Hütten auf einer Insel irgendwo im Nordpolarmeer im Winter oder Kamschatka (?), grobe Gestalten, deren Bild sich aber später veränderte, Hilfe suchende Menschen aus der „wirklichen Welt“, die geheilt werden wollten mit einem Außenseiter in dieser russisch-orthodoxen Gemeinschaft als Hauptfigur. Das alles in ruhigen Bildern, weil die Dialoge das Wichtige waren und in so sehr reduzierten Farben, dass es fast wie schwarz-weiß rüberkam. Russisch mit englischen Untertiteln. Es war ein sehr berührender und beeindruckender Film zum Thema „Glauben“. Klub-Kino würde man bei uns sagen, weil es ein besonderer Film war. Anschließend Diskussion. Abbas hatte mich, ohne dass ich´s wusste zum Reden angemeldet. Ich folgte der Aufforderung nach vorne ans Mikrofon, stellte mich als Tourist vor, und dass ich beeindruckt sei von der starken Aussage des Films trotz der (bewusst) spärlichen Umsetzung aber noch mehr davon, dass ich solange, wie ich nun hier sei, immer wieder aufs Neue überrascht werde von neunen Sichtweisen auf das Land Pakistan und seine Menschen. Beifall. Einmal in der Woche ist dort so eine Veranstaltung, zu der Abbas immer geht, was ich hinterher erfuhr.
Was man alles noch so aufschreiben kann weit nach Mitternacht mit 2 Bier und 3 großen Whiskys in der Birne. Mir hat mal ein junger Richter gesagt, das können nur Alkoholiker. Wahrscheinlich hatte er recht.
Als wir zurück waren, rief der Antiquitätenhändler an, ob wir vorbeikommen wollten. Na klar. Zu dritt trudelten wir in einer kleinen Wohnung in einem speckigen Haus ein und trafen in einem mit Antiquitäten und schönen Teppichen ausgestatteten Raum auf eine Gruppe von langjährigen Freunden, die bei Bier und Whisky zusammensaßen. Geschäftsleute, ein Politiker, ein Bildhauer. Es war ein unglaublich fröhlicher ausgelassener und witziger Abend, bei dem Stories erzählt und spaßige Bälle hin und her gingen. Sie säßen dort normalerweise bis 23:00 Uhr. Heute wurde es halb Eins. Zwischendurch bekam ich eine etwa 80 Jahre alte gewebte Tischdecke aus Kashmir geschenkt. Wunderschön! Sie soll mich an Pakistan und diesen Abend erinnern, wenn sie unseren schönen Esstisch bedeckt. Ich werde sie Marianne irgendwie schicken, so wie die drei schönen kleinen Teppiche, denen ich im Iran nicht widerstehen konnte und die nun auch Marianne begeistern.
So, nun ist es 3:00 Uhr, ich haue mich irgendwo hin und schlafe noch ein paar Stunden. Eben kroch Mr. Happy happy mit Bauch- und Kopfschmerzen aus „meinem“ Bett und murmelte, dass das Saufen Mist wäre. Ich gab ihm eine Schmerz- und eine halbe Schlaftablette, litt noch eine viertel Stunde mit ihm, um die Pillen ihre Wirkung entfalten zu lassen und brachte ihn wieder zu Bett.
Das war jetzt mal viel Text (vielleicht um nix?) aber ich war in der Stimmung, eben meine Stimmung zu Papier zu bringend, bevor es morgen in eine andere Welt geht, die, so hat mich Abba schon vorbereitet, sehr einfach und bodenständig sein wird. Ein paar Bilder baue ich später ein, wenn ich wieder nüchtern und ausgeschlafen bin.
Mehar, Provinz Sindh, am 09.08.2017
Nach 1h20 Flug im abgewetzten A320 erreichten wir Sukkur, das dreimal in der Woche angeflogen wird. Mit TukTuk in die Stadt, wo die Kleinbusse, warten, bis sie voll sind. 23 Leute habe ich gezählt und noch 4-6 auf dem Dach zusammen mit dem Gepäck, das dort verschnürt wird! Anderthalb Stunden lang habe ich die Leute auf dem Dach beneidet. In LARKANA wieder mit dem TukTuk ans andere Ende der Stadt, wo wir über eine Stunde warten mussten, weil der Bus nicht früher das „Abfahrtgewicht“ erreichte. Im Dunkeln kamen wir dann hier in MEHAR an. Einquartiert wurde ich im kleinen Zimmer seines Vaters und schlafe hier mit ihm gemeinsam, weil der Raum eine (ratternde) Klimaanlage hat. Im Raum sind die beiden Bettgestelle, ein kleiner Tisch, ein Fernseher, eine beachtliche elektrische Anlage, auf die ich noch komme, und wer genauer hinschaut, erkennt noch die Doppelläufige an der Wand lehnen. Passieren kann mir also nichts. Abbas schläft auf dem Teppich des Wohnzimmers auf dem Boden und schnarcht gerade leise vor sich hin, denn es ist schon wieder sehr spät geworden. Ich muss aber schreiben, sonst laufen mir die frischen Erinnerungen davon. Wenn ich es nicht schaffe, sie frisch zu verarbeiten, werden sie werden sie fade und breiig und fließen nicht mehr locker aus der Feder. Ich kann schon die Tage nicht mehr zuordnen, was aber nicht so wichtig ist.
Abends trafen wir uns noch mit Schulfreunden von Abbas und wanderten durch die dunklen staubigen Lehm-Gassen zu einem Restaurant, das, wie alle Restaurants hier in der Stadt, an der vierspurigen lauten Durchgangsstraße liegt. Sein bester Freund, Advokat, Prinzipal einer privaten Schule (1.-10. Kl.) und Englischlehrer lud mich für den nächsten Tag zu einem Schulbesuch ein. Ohne ihm (und allen Lehrern) nahetreten zu wollen – eben ein Lehrer, der das Lehrern eben auch beim fröhlichen Zusammensitzen nicht sein lassen kann. Allerdings kenne aber zwei Ausnahmen – die wohnen in Grieben.
Mein „Auftritt“ war vorbereitet, ich solle als weit Hergereister nacheinander an die Klassen 4-10 ein paar Worte über die „Wichtigkeit der Bildung“ richten. Ich glaube, so brav mit „Aufstehen“, Begrüßung und „Hinsetzen“, ging es nicht mal mehr in meiner Schulzeit bei uns zu. Die jungen farbenfroh gekleideten Lehrerinnen mit unverhüllten Gesichtern durfte ich leider nicht fotografieren, ebenso die Mädchen in den Klassen nicht. Jungen und Mädchen werden bis zur 8. Klasse, bis zur Pubertät, gemeinsam unterrichtet. Danach ändert sich das weibliche Dasein sowieso komplett. Auf das Thema ging ich blöderwiese in einer höheren Klasse ein, und meinte ihnen erklären zu müssen, dass eine breite und bessere Bildung zu allmählichen und wichtigen Veränderungen im Land führen würde, z.B. eben auch der (Gleich-)Stellung der Mädchen und Frauen in der pakistanischen Gesellschaft führen würde. An der Stelle wurde ich freundlich unterbrochen und anschließend darüber aufgeklärt, dass solche Äußerungen nicht angemessen und zulässig wären. Ich denke, ich bin ziemlich sensibel wenn ich mich in fremden Kulturen bewege. So viel jedoch, wie hier, besonders hier auf dem Lande, habe ich noch nirgends hinzugelernt. Später komme ich bestimmt noch auf andere Erfahrungen in der Hinsicht zurück.
Wie ich erfuhr, verdient eine Lehrerin an der Schule umgerechnet 30-50 € im Monat. Der Schulbesuch eines Kindes kostet 100 € pro Monat. Mal auf der Zunge zergehen lassen …
Eben ist wieder der Strom ausgefallen und ich sitze mit meinen tiefen Eindrücken im Dunkeln. Die Stromausfälle, mehrmals am Tage, scheinen ein Mix aus Abschaltungen und Kurzschlüssen zu sein und dauern meist mehrere Stunden. Abbas` Vater hat vorgesorgt für seinen Raum. Solar-Pannel auf dem Dach und Blei-Akku unterm Bett. Dazu einen Frequenzumrichter, der auch noch ein bisschen 220V macht, Schalter und Strippen, die in ausgeleierte Steckdosen gesteckt werden. Die Menschen haben sich drauf eingerichtet. Auch Abbas hat in Islamabad auch eine USV mit Blei-Akku in der Wohnstubenecke, die aber nicht geht. In der Hauptstadt dauern die Ausfälle jedoch nicht so lange.
Am nächsten Vormittag in Mehar
Gestern Abend konnte ich nicht mehr weiter schreiben nach einem langen heißen und feuchten Tag und dann in völliger Dunkelheit im Raum. Trotz der harten Pritsche schlafe ich ganz gut. Gegen 6:00 wurde ich wieder wach durch das gesungene halbstündige Gebet seines Vaters, der sich danach per Handy im Haus einen Tee bestellte. Da machte ich den Fehler, pinkeln zu gehen und wurde auch mit einem Tee beglückt. Zum Glück schlief ich wieder ein und wurde gegen 9:00 Uhr munter, weil ihn mehrere alte Männer am Bett besuchten.
Die Schmiede ist jetzt verpachtet, ein Enkel betreibt den Laden nebenan
Abbas´ Vater (65) war black smith, hat sich in der Schmiede kaputt gearbeitet und musste mit 50 die Arbeit aufgeben. Er hat kraftlose Hände mit knotischen Gelenken und geht am Stock umher, wenn er mal aufsteht. Und er ist der „Patron“ im Haus, dem alle mit großem Respekt begegnen und ein freundlicher und herzlicher Mensch. Dann haben seine drei Söhne nacheinander die Schmiede weiter betrieben und auf diese Weise das Leben der Familie finanziert und die Brüder haben sich gegenseitig das Studium ermöglicht. Abbas ist als IT-Ingenieur nach Islamabad gegangen (oder wurde von der Familie geschickt?) und hat es irgendwann geschafft, eine Anstellung bei der Regierung zu bekommen. Danach hat er seinen beiden Brüdern Arbeit hier in der Region bei der Nacional Highway Authority, der Straßenbaubehörde beschaffen können. Auch das große Haus wurde mit seiner Unterstützung gebaut.
Mehar ist eine Stadt, in die die Familie aus dem Dorf Manjan (12 km entfernt) irgendwann umgezogen ist und die Schmiede betrieben hat und die einen großen Marktflecken für die Region darstellt. Es ist immer schwer, solche Orte zu beschreiben, da ich dies nicht, wie oft üblich, aus unserer (westlichen) Sichtweise heraus, tun möchte – aus Respekt gegenüber den Menschen, die so leben, wie sie leben. Manchmal erwische ich mich dabei, dass ich mich kritisch zu Dingen äußere, z.B. über den unglaublichen Müll auf den unbefestigten staubigen Straßen und Gassen.
Gestern machten wir wieder mit dem geborgten Auto eine 80-km-Tour über Land zur Ausgrabungsstätte Mohenjadaro, einer Stadt und Hochkultur, die vor 5000 Jahren hier bestand, dem ältesten was Pakistan zu bieten hat. Die Kultur hatte Gott erzürnt, der sie in einem Erdbeben untergehen ließ, heißt es. Später wurden an der Stelle mit den Ziegeln islamische Bauten darüber gebaut, wie z.B. die Stupa obenauf, die auf dem 20-Rupi-Schein abgebildet ist. So sah ich auch mehr von der Region, arme Dörfer und staubige Markflecken mit quirligem Treiben.
Wir wollen jetzt nochmal ins Dorf fahren. Ich komme nicht dazu, die vielen Eindrücke und für mich neuen Dinge zu Papier zu bringen. Zu unruhig, kein Strom, kein Licht, Hitze, bin nicht fähig, mich zu konzentrieren… Ich nehme mein Notebook mit ins Dorf, auch wenn ich dort kein Netz habe.
Hier in dem wirklich großen Haus leben sein Vater, der an schwerem Rheuma leidet und sich nur mit Mühe bewegen kann, sein großer Bruder, der die Woche über in Sukkur arbeitet und Abbas geschiedene Frau mit ihren gemeinsamen vier Töchtern und einem Sohn (12 bis 5 Jahre alt) gleich hinter der Tür die nach hinten raus aus diesem Raum führt. Abbas hat zugestimmt, dass ich sein Familiendrama hier aufschreiben kann. Das tue ich, jedenfalls soweit wie ich es verstanden habe. Abbas wurde mit 20 Jahren „arrangiert“ mit einer Cousine gegen seinen Willen verheiratet. Das heißt, die Familien haben die Verbindung ausgehandelt und er musste folgen, zumal er in der Ausbildung und von der Familie abhängig war. Von dem Moment an war er gebrochen, wie er sagte und nach 14 Jahren, da arbeitete er schon in Islamabad, verließ er Frau und Kinder endgültig.
Seitdem hat er weder Frau noch Kinder jemals wieder zu Gesicht bekommen hat, obwohl nur eine Tür zwischen dem Raum, in dem er, wenn er hier ist, auf dem Fußboden schläft und dem Innenhof seiner Familie. Warum ein Kontakt nicht möglich ist, habe ich trotz mehrmaligem vorsichtigen Fragen nicht herausbekommen, was vor allem auch dran liegt, dass ich sein Englisch manchmal einfach nicht verstehen kann. Jedenfalls wäre das Thema für ihn nun abgeschlossen, was ich ihm aber nicht abnehme. Es gibt viele Momente, in denen er ins Grübeln verfällt und sich Gedanken über sein Dasein macht. Er hat ein paar Jahre hart getrunken und geraucht, wie er erzählte und zwischendurch beabsichtigt, sich die Kugel zu geben. Seine (legale) Pistole hat er nun übrigens, als wir sein Dorf besuchten, seinem jüngeren Bruder geschenkt.
Gestern Abend wollte ich, bevor es dunkel wird, noch durch die Gassen streifen. Man gab mir den tollen Neffen mit, der den Eisenwarenladen betreibt und der auch ganz gut Englisch spricht. Unterwegs setzten wir uns zu Freunden von ihm und ich zeigte auf dem Handy Fotos von meinem Motorrad und auch Fotos meiner Familie. Hinterher wies mich der junge Mann darauf hin, dass ich dies nicht tun sollte, also keine Bilder meiner Familie zeigen. Ob ich nicht bemerkt hätte, dass einige beschämt weggeschaut hätten, weil ihnen der Anblick einer fremden Familie peinlich sei. Da kann man wirklich mal den platten Spruch anwenden: „andere Länder – andere Sitten“. Das habe ich eigentlich alles schon in meinem Buch auf dem PC gelesen – erlebt, ist was ganz Anderes.
Nun sind wir wieder im Dorf. Abbas jüngerer Bruder tauchte beim Vater auf. In Lakarna hatte er Ersatzteile für seine für die schwerölbetriebene über 40 Jahre alte 30PS-Antriebmaschine für seine Reisschälmaschine und -mühle besorgt. Mit zwei kleinen Motorrädern fuhren wir raus aufs Dorf. Hier sitze ich nun unter freiem Himmel vor dem Haus an einem Bettgestell mit meinem kleinen Notebook drauf und die Konzentration kommt langsam zurück. Einige Leute haben sich wieder eingefunden und wälzen die Probleme im Dorf. Es erinnert mich an unsere „Sitzungen“ bei Dirk im Laden, wo ich auf Mariannes Fragen hinterher nicht sagen kann, worum es heute eigentlich so ging…
Zufällige Begegnung schon vor dem Dorf mit einem Verwandten
Abbas bester Freund - sie nennen ihn Doktor - ein Kaufmann mit einem sehr aufgeräumten Drogerieladen, lieh uns am nächsten Tag sein Auto und wir fuhren zu seinem Dorf hinaus, in dem er geboren und aufgewachsen ist. Nachdem wir einen „Großgrundbesitzer“ der 1000 Acre Reis-Land besitzt nicht antrafen, ging´s weiter zum Haus eines Cousins, wo er aber nicht reindurfte, „weil kein Mann im Hause war“. Wir hatten 50m vor dem ummauerten Gehöft geparkt, er ging vor, um die Lage zu peilen und kam unverrichteter Dinge zurück. Das sind die Regeln, von denen ich immerzu neue erfahre.
Schwer bewaffnet mit Pistole und Pumpgun haben wir einen Spaziergang raus in die Reisfelder gemacht. Beim Abdrücken habe ich mich auf den Arsch gesetzt.
Abends kamen viele Verwandte vorbei, Männer natürlich, weil sie sich das Ereignis, dass ein Ausländer in ihrem Dorf weilt, nicht entgehen lassen wollten. Der Cousin, dessen Haus Abbas nicht betreten durfte, war auch dabei und als es wieder mal ziemlich lustig zuging, fragte ich ihn unter allgemeiner Belustigung, wie ich denn meine Frau vor den Augen fremder Männer verbergen könnte, die ich gerade für ein Jahr alleine zu Hause gelassen habe. Der Vollmond kletterte am Himmel hoch und mir gelangen unter Ausreizen der Möglichkeiten meiner kleinen tollen Kamera ein paar schöne Aufnahmen. Später wurde der untere Rand des Mondes durch die Erde abgeschattet. Wir schliefen unter freiem Himmel auf den Pritschen, auf denen wir vorher saßen. Ich schlief hervorragend, wenn nicht die Tausende Fliegen wären, die mich mit Sonnenaufgang nervten. Das morgendliche kühle Bad, hockend unter der Schwengel-Pumpe versöhnte mich wieder.
Irgendwie scheint das Dorf nur aus Verwandten zu bestehen, jedenfalls wurden mir immer wieder Cousins und Neffen vorgestellt. Von Frauen weit und breit keine Spur. Sie würden sich „aus Respekt“ im Haus bzw. in den hinteren Räumen aufhalten. Genauso erlebe ich es im Haus seines Vaters in Mehan. Das Essen und die gewaschene und gebügelte Wäsche kommt durch diese besagte Tür und wird von Abbas´ Neffen gebracht, der dann beim Essen neben uns stehen bleibt und auf „Anweisungen“ wartet. Wenn ich ihn dann bitte, sich neben mich zu setzen, schaut er fragend Abbas an und setzt sich erst nach dessen Nicken. Gäste essen immer zuerst, und erst, wenn diese fertig sind, essen die Gastgeber und alle andern die „Reste“, die natürlich reichlich sind. Beim ersten Besuch hier im Dorf hatten sie mir ordentlich aufgetan und ich bemühte mich, auch ja alles aufzuessen. Danach erst bekam ich mit, dass sich das Übriggebliebene alle anderen teilten. Das beschämt schon, ist aber ihre Sindhi-Kultur, wie mir eben nach Dem Essen gerade wieder einmal erklärt wurde.
Schluss jetzt. Es ging mal wieder alles durcheinander, ebenso durcheinander, wie es in meinem Kopf aussieht, der so vieles zu verarbeiten hat. Jetzt widme ich mich den noch Anwesenden. Später hat man mir für die Nacht wieder unter dem Himmel ein Moskitonetz versprochen, dann können mich morgen früh die blöden Fliegen mal …
Manjan, am nächsten Morgen, 11.08.2017
Vor dem Einschlafen gab´s noch eine Rücken- und Wadenmassage mit Öl von einem Cousin, der in den Waden ein paar schmerzhafte Knoten wegmassierte und zum Einschlafen einen Becher gekühlte sehr gut schmeckende Büffelmilch. Danach habe ich gut geschlafen und wurde am Morgen nach dem Augenreiben mit einem Tschai verwöhnt. Anschließend machten wir uns mit Abbas´ Bruder Sajid auf den Weg, das Dorf zu erkunden. Die Grundstücke sind alle mit hohen Mauern aus getrockneten oder gebrannten Lehmziegeln umgeben. Wenn die Türen mal offenstehen, stößt der Blick auf eine Wand oder Tücher dahinter, sodass der Blick in den Hof hinein verwehrt ist. Zuerst brachten wir einen ehemaligen Ölkanister mit Milch zu einem vor dem Dorf wartenden TukTuk. Für arme Leute im Nachbardorf, bemerkte er kurz.
Der anschließende Schulbesuch war dagegen sehr interessant. 2010 gab es in der Region eine Flutkatastrophe. Das Land war für mehrere Wochen 3 Meter unter Wasser. Das Ausmaß ist kaum vorstellbar, denn soweit man blicken kann und darüber hinaus ist das Land absolut flach. So waren auch die höher aufgestellten Häuser mitsamt der Schule, mit den ehemals 3 Gebäuden halb unter Wasser. Zwei Unterrichtsgebäude existieren nicht mehr, das dritte droht einzustürzen und wird nicht mehr benutzt. So findet die Schule seit sieben Jahren sommers und winters unter Bäumen oder einem Palmdach im Schulhof statt. Unterrichtet werden 145 Kinder von der ersten bis zur vierten Klasse von drei Lehrern. Ich denke, ich muss eine Zahl widerrufen, die ich wohl in der Privatschule falsch verstanden habe. 50 € Lehrergehalt kann nicht stimmen, denn die Lehrer hier an der Dorfschule verdienen von 200 bis 270€. Von den Schülern werden es nur ein paar schaffen für eine höhere Bildung jemals aus dem Dorf heraus zu kommen. Ich habe später Sajid ein Sümmchen für den Schulbetrieb gegeben.
Abbas´ Mutter ist vor 5 Jahren an Nierensteinen verstorben und vor dem Dorf auf dem kleinen Hügel beerdigt.
Der Friedhof vor dem Dorf und das Grab.
Fischzug. Mit 10-15 Leuten zogen wir hinaus aufs Feld an einen der 6 Fischteiche, die dadurch entstanden sind, dass Lehm zum Bauen der kleinen Deiche und Bewässerungskanäle entnommen wurde, ähnlich unseren Torfkuhlen. Es wurde ein lustiges Unterfangen. Das Netz wurde vor den Rohrkolbensaum gestellt und dann munter darin rumgeplanscht. Die meisten Fische sprangen oben drüber in die Freiheit. Der Erfolg wurde dann größer, als sie das Netz schwimmend durch das offene Wasser schleppten. Ich stieg auch mit in die gärige Brühe ein.
Der Kern meiner Gastfamilie TUNIO bildet wohl eine Ausnahme, denn sie besitzt ca. 80 (etwa 35 ha) Acre gutes Reisland. Wie groß der Kern allerdings ist, ist schwer zu sagen, denn hier im Dorf sind alle miteinander verwandt. Und nicht nur das. Die Familie Tunio bevölkert noch vier weitere Dörfer in Sichtweite am Horizont und eines irgendwo dahinter. Bei einer Wanderung durch die weiten Reisfelder fragte ich, ob denn keine Frauen auf den Feldern beim arbeitsintensiven Reisanbau tätig sind. Nein, in ihrer Familie nicht – in anderen Dörfern würden aber auch Frauen draußen arbeiten. Ich betrachte es mal so, dass die Frauen von der harten Feldarbeit verschont werden sollen.
Ich sprach schon mal die Vorsicht beim Essen und Trinken an. Es ist unmöglich, sich vor den uns ungewohnten Koli- und anderen bösen Bakterien fernzuhalten. Wenn möglich, vermeide ich es, nicht konfektioniertes Wasser zu trinken. Ich sah, als wir das erste Mal ins Dorf kamen eine Schwengelpumpe neben Misthaufen und Jauchekuhle zu der hin auch das Abwasser mit Fäkalien einiger Häuser kriecht, wenn es nicht vorher schon auf der Straße versickert oder verdunstet. Nein, ich solle mir keine Sorgen machen, hier in ihrem Dorf hätten sie das beste Wasser weit und breit. Die Brunnen wären etwa 20 m tief und das Wasser stünde bei ca. 10 m. Viele Dörfer holen sich hier das Trinkwasser in Kanistern auf Eselkarren oder an Mopeds gehängt, da dort das Wasser salzig oder auf andere Art verunreinigt wäre. Also trinke ich munter drauf los.
Das Abwassersystem und die Pumpe an der Jauchekuhle. Dahinter spielen die Kinder „Wer ist der König?“ auf dem Reisstroh. Der, der nach dem Rumschubsen oben übrigbleibt, ist der König.
Ja, die Armut ist groß hier, Selbst die Hunde und Katzen sind dünn. Das einzige Einkommen stammt aus dem Verkauf von Reis, Büffelmilch und den Tieren (Büffel, Ziegen, Schafe, Geflügel). Aber es gibt nur einmal im Jahr eine Ernte und ein Tier kann man auch nur einmal verkaufen. Also wird gespart und angeschrieben beim Kaufmann. Und dem geht’s dabei natürlich auch nicht besser.
Die Büffel. Es sind sehr schöne und sanfte Tiere, die aber anders, als unsere Rinder auf den Weiden „dichter an den Menschen“ sind, ich meine – die Menschen sind dichter an den Tieren, die ihnen das Dasein ermöglichen. Wir kamen gestern gerade rechtzeitig ins Dorf, um den gesamten Bestand des Dorfes beim abendlichen Bad zu erleben. Die Tiere stehen in Gruppen, so wie sie als „Familie“ zu den Haushalten gehören im schlammigen Wasser und ducken sich so tief ins Wasser, dass möglichst nur Maul, Nüstern und die Augen herausschauen. Man sieht ihnen an, wie gut ihnen die Abkühlung und das abendliche Bad tut. Manchmal schwimmen Kinder mit ihnen und schrubben ihnen den Rücken. Wenn sich eine fremde Kuh oder gar ein Bulle der Gruppe nähert, gibt´s Stress. Dann wird geschubst und weggedrängelt. Irgendwann fängt dann eine Gruppe an, das Wasser zu verlassen und mit sicherem Abstand folgen, ganz gemächlich die anderen. Die, die sich nicht freiwillig vom Bad verabschieden wollen, werden mit Werfen eines Steinchens daran erinnert, dass nun Schluss sei. Ein Bulle stand am „Ausstieg“, die Herde war aber nicht hinter ihm. Er blieb stehen, schaute zurück und gab Brummtöne von sich und wartete, bis sie bei ihm waren und sich dann auf Knien aus dem Wasser heraus quälten, die Jungen immer als letzte. Schwangere Tiere tragen eine bunte Kette. In einem Monat kommen die Kälber. Da zu hocken und dieser ruhigen Zeremonie zuzuschauen, ist Balsam für die Seele. Das Ganze findet morgens und abends statt.
Der INDUS ist sozusagen die Mutter des Landes. Er entspringt in den Bergen und fließt dann mäandernd, vielleicht nach 3000 Kilometer, im Süden ins Meer. So entstand ein grüner und fruchtbarer breiter Streifen durch die östlich und westlich davon gelegene lebensfeindliche Wüstenlandschaft von den Bergen bis ans Meer. Mit Abbas fuhren wir zu einem Heiligtum, einem Tomb (Mausoleum) eines, vielleicht DES Heiligen der Sindh-Kultur überhaupt, in Richtung Westen, wo gefaltete Sandsteinberge beginnen. Es gab auf dem Weg dorthin, auf dem wir die Grenze zu Belutschistan überquerten, abrupt einen Wechsel, zwischen grünen Reisfeldern und absoluter Trockenheit. Im Osten zieht sich dann die Wüste ins indische Rajastan hinein.
Stadt am Rande der Wüste
Ja, das war nun der Landausflug, für den ich Abbas und seiner gastfreundlichen Sindh-Familie sehr, sehr dankbar bin. Wie könnte man sonst so einen Einblick in das Leben im traditionellen Pakistan so hautnah erleben. Fast hätte ich geschrieben: „tiefen Einblick“ – davon bin ich sicherlich sehr weit entfernt. Die Familie, ich meine damit die drei Tunio-Brüder, ist gut ausgebildet, gehört allein schon wegen der sicheren Anstellungen beim Staat zu einer privilegierten Schicht, und lebt doch in einer so starken Tradition. Während ich hier im gekühlten Raum unter dem Ventilator so komfortabel endlich mal zum Schreiben kam, liefen unentwegt indische Seifenoper-Musikfilme mit freizügigem Umgang der Geschlechter miteinander (übrigens mit ohrenbetäubendem Lärm). Wie geht das zusammen?, könnte man fragen. Tue ich aber nicht. Ich benutze jetzt der Verschlag auf dem Hof mit dem Porzellanbecken im Betonfußboden und dann den nebenan und hocke mich dort unter die kleine Handpumpe um ein erfrischendes Bad mit dem guten und kühlen Wasser aus der Tiefe zu nehmen.
Nun habe ich neben den vielen neuen Eindrücken, die ich nicht alle aufschreiben kann, eine Unmenge von schönen Bildern, und diesen langen Text und hoffe, ich kann, später nach Mehan zurückgekehrt, beides in einigermaßen anschaulicher Weise zusammenbringen. Wenn nicht wieder die tollen Freunde von Abbas dazwischenkommen. Um 4:00 morgen früh geht’s in den öffentlichen Sardinendosen wieder zurück nach Sukkur zum Flughafen. Abflug nach Islambad 8:50 Uhr.
In einer Turboprop-Maschine am nächsten Morgen.
Die Anreise zum Flughafen in gleicher Weise klappte gut. Natürlich kam ich gestern nicht mehr zu Internetarbeit. Ich hatte gegen 6:00 am Abend noch die Idee, mir das Treiben in der staubigen Stadt anzusehen. Begrüßungen bei befreundeten Ladenbesitzer, Rasieren beim Frisör, aßen eine Kleinigkeit auf der Straße, trafen den XXXX, der mich immer mit bohrenden Fragen zu meiner und seiner Religion bohrt. Gestern wollte er aber wissen, mit wie vielen Frauen ich so im Leben zusammen gewesen wäre. Ob das nicht verwirrend wäre und was meine Religion dazu zu sagen
Würde. Er wollte noch einen Tee mit uns trinken. Dazu kam es aber nicht, weil uns der „Doctor“ über den Weg lief. Er war unterwegs zu seiner hinduistischen Gemeinde, die Freitags immer bi einem happening Kinder und Familien aller Religionen mit einer Mahlzeit und Musik abspeist. Der Vorsteher der Gemeinde erklärte mir, dass hier auf dem Hof die Totenzeremonien, bei denen die Leichen verbrannt werden, stattfinden. Ihren Tempel hatte mir der lustige „Doctor“ schon vorher mal gezeigt. Mit einer Kette aus duftenden Rosenblättern um den Hals verließ ich den Ort und den Tee gab es anschließend einen Meter neben einem offenen Abwassergraben in Dunkelheit, weil natürlich wieder der Strom weg war. Mit Internet wurde es also nichts mehr. So habe ich eben im Flieger die unzähligen Fehler aus meinem wirr durcheinander erzählten Erlebnissen ausmerzen können.
In der Wohnung kann ich das hoffentlich ins Netz stellen. Mr. Happy happy hat ist wieder zurück zu seiner Frau, nachdem sie mehrmals unvermittelt in Abbas´ Wohnung aufgetaucht und (ergebnislos) nach Schnaps durchsucht haben soll. Sein „Sklave“ holt uns mit dem Auto vom Flieger ab. Wir fahren bei DHL vorbei und holen meine Fußbremspumpe, die schon am Dienstag, nach vier Tagen, angekommen ist. Toll! Geht also doch dank Thomas` blitzschnellem Einsatz. Eine Landkarte vom Norden wollen wir noch auftreiben. Schluss.
Islamabad, der 14.08.2017
70. Jahrestag Tag der Unabhängigkeit Pakistans,
Mein Freund und Mit-Betriebsleiter in Zagreb Andrija hat sich abgemeldet in seinen Sommerurlaub an die Adria und angefragt, was mit mir los sei, ob das Motorrad kaputt sei, weil ich mich kaum vom Fleck rühre. Stimmt und stimmt auch wiederum nicht. Durch das Warten auf das Motorrad, die Visaverlängerung und schließlich die Woche mit Abbas in seiner Heimat verlief meine Reise anders, als er es von mir gewohnt ist – jeden Tag an einem anderen Ort.
Wie man aber lesen kann, war es keineswegs vertane Zeit. Ich hatte so viele schöne Erlebnisse und Begegnungen. Die Umstände haben mir geholfen, diesmal so zu reisen, wie ich es mir vorgenommen hatte, nämlich zu lernen, auch mal zu bleiben. Ich bin dabei immer noch so ruhig, weil ich von jetzt an noch fünf Wochen in Pakistan bleiben kann und dann pünktlich zum Ende des Monsuns nach Indien gelange.
Den Tag gestern habe ich genutzt, um das Durcheinander meiner Texte und Fotos einigermaßen geordnet ins Internet zu verfrachten und einige Sachen für PAKISTAN II zu organisieren. Außerdem traf ich mich mit Wajid, ein ex-Pakistaner, der seit sieben Jahren in Berlin lebt und, seit kurzem einen deutschen Pass und die Zulassung zum Anwalt in Deutschland hat. Zufällig ist er in Islamabad bei seiner Familie und zufällig heiratete ein Neffe von ihm bis heute vier Tage lang. Eine Freundin von Claudia hatte mir den Kontakt hergestellt. Ich besuchte ihn vor der Reise in Berlin. Vorgestern war ich abends dem Teil der Hochzeit dabei, wo ein paar Hundert Leute in einem Restaurant bespeist wurden – Männer und Frauen räumlich voneinander getrennt (ich erhaschte einen kurzen Blick in die „Frauenabteilung“). Anschließend brachte der Bräutigam die Braut zu sich nach Hause, vielleicht zu ersten Mal unverschleiert aber mit Sicherheit zum ersten Mal „hautnah“.
Ich unterhielt mich gut mit jungen Burschen. Als ich dem Aufgewecktesten vorschlug, doch mal durch den Spalt zu lunschen um sich ein hübsches Mädchen „vorzumerken“, da war er erschrocken und meinte, das ihn das nur unglücklich machen würde, wenn er das Wunschmädchen einige Jahre in seinem Herzen rumtrüge, um dann „arrangiert“ verheiratet zu werden. Das verstand ich natürlich.
Heute ist 70. Independence Day. 1947 Haben die Engländer als Kolonialmacht, als sie aus Indien raus mussten, die Moslems von den Hinduisten geteilt, die im Streit lagen und haben West- und Ostpakistan von Indien abgetrennt und nach einer riesigen Völkerwanderung lebte jeder unter sich (aber heute noch mit kriegerischem Hass aufeinander wegen beiderseitigen Anspruch auf Kaschmir. Wegen der großen räumlichen Trennung zwischen Ost- und Westpakistan mit Indien dazwischen, erklärte sich 1974 Ostpakistan für unabhängig und heißt seitdem Bangladesch und ist eines der ärmsten Länder der Welt. Ich war auch dort mehrmals mit dem Schiff. Die öffentlichen Gebäude sind schön mit Lichterketten geschmückt und heute gab es u.a. eine Luftschau.
Auch wenn ich noch mehr zu berichten hätte – mal muss Schluss sein mit Pakistan I. Meine Sachen und meine Maschine sind gepackt und ich schmöke meine erste Pakistan-Schischa, die Abbas mir in Gang gesetzt hat. Als ich heute mein Motorrad starten wollte, das ich aus Sicherheit extra beim freundlichen Pförtner geparkt, lief Benzin raus. Ich musste feststellen, dass ich einen Benzinschlauch vom Tank zum Vergaser hatte, der mir nicht gehört, er schlapp und zu groß war. Es stellte sich heraus, dass man mein Benzin geklaut hat, den wirklich engen Schlauch nicht mehr rauf bekam eine eigene Kreation rauf schob. Der Pförtner war entsetzt und hatte Angst, dass wir das publik machen und er den Job verlieren würde. Verschiedene junge Burschen machen nachts Wache und einer von ihnen war der Gauner. Der Pförtner wird so ehrgeizig sein, ihn raus zu fischen. Vielleicht war es der Gleiche, der mein Navi klauen wollte.
Zähler-Schränke unter freiem Himmel für zwei Gebäudekomplexe rings um den lokalen Marktplatz Wer sich da wohl bei wem aufklemmt?
Von nun an wird die Luft dünn und es wird auch kalt werden. Morgen früh starte ich zum dritten Mal auf den Kaschmir Highway stoße in Abbottabad auf den Karakorum Highway und dann wird’s spannend - auf zu den höchsten Bergen der Welt. War schon mal jemand am Nanga Parbat oder am K2? Ich auch noch nicht, deshalb wird es Zeit.
Unter KONTAKT habe meine pakistanische Telefonnummer abgelegt. Vielleicht drückt ja mal Jemand der Schuh. Das Internet bietet heutzutage ja tolle Möglichkeiten in Verbindung zu bleiben. Morgen muss ich mich erst wieder mit meiner Maschine anfreunden – wir waren zu lange getrennt,. Ich freue mich unheimlich auf PAKISTAN II.
E N D E P A K I S T A N I