Nukus, der 06.07.2019 

 

Ich glaube, ich habe noch niemals an einem Vormittag geschrieben, aber diesmal muss es sein, weil ich so weit im Rückstand bin. Also zurück zur Grenze Kasachstan- Usbekistan. 

Vor der Grenze warteten mindestens einhundert voll- und hochbeladene tiefliegende PKW und eine Menge Fernlaster auf die Abfertigung. Ich fuhr ganz vorne ran und wurde dann zudem auch noch bevorzugt verarztet, bei der Ausreise jedenfalls. Trotzdem dauerte es zwei Stunden, bis ich dann auch noch eine Haftpflichtversicherung in einer Bretterbude auf usbekischer Seite hatte. Glücklicherweise gab es ein „Hotel“ in diesem Nirwana in der Wüste. Eine Matratze im 8-Bett- oder ein Bett im Dreibettzimmer. Ich bevorzugte letzteres und hatte es am Ende auch noch für mich alleine. Es war früher Nachmittag und besser so, zu bleiben, denn bis zur nächsten Ortschaft waren es 350 und hierher nach Nukus 450 Kilometer. Ich machte mir einen gemütlichen Nachmittag bei kühlem Bier und zu Essen gab´s auch. 

                                                                           Auf der usbekischen Seite war die Schlange nicht so lang und die Autos nicht beladen

 

Es ist an solchen Grenzen immer eine besondere Stimmung. Das „Ambiente ist alles andere als irgendwie angenehm, alles Andere, als ein Ort, an dem man sein möchte. Ein unbewohntes Nirgendwo, das aus unendlicher Weite unter unbarmherziger Sonne, grasbewachsener Wüste, Staub und aus geduldig wartenden Menschen besteht.

 

 

Ich nahm an, dass die Leute die Sachen, mit denen sie die Autos so überladen, aus Kasachstan holen. Die Drei klärten mich auf. Sie hätten 1 Jahr lang in Russland auf dem Bau gearbeitet und führen nun nach Hause, Frau und Kind und Viehzeug. In diesem Fall hatten sie noch 1.400 Kilometer vor sich und warteten auf ein „Taxi“, das sie dorthin bringt. Taxis, das sind alte Kisten mit denen arme Hunde so wie sie ein bisschen Geld zum Leben verdienen. Sie waren zu dritt und jeder würde ca. 15 € für die Fahrt bezahlen. Auch nach intensiver Nachfrage, muss ich mich verhört haben.  

 

 

Dann sah es über mehr als 300 Kilometer so aus. Die schnurgerade Straße rein nach Usbekistan schien am Horizont immer direkt in den Himmel zu führen. Und sie war grotten-schlecht und kaputt. Wie die Kamele bei dem Dornen-Futter da zurechtkommen ist mir absolut schleierhaft. Auch Kamele müssen irgendwann mal trinken! Falls Menschen dort leben, müssen sie unter der Erde wohnen. Ringsum bis zum Horizont sah ich nicht ein einziges Haus Meiner BETA hat dieser Straßenbelag überhaupt nicht gutgetan

 

 

Begegnungen am Straßenrand. Kathy kommt aus England und will nach …, ach, hab´s vergessen. Sie schläft im Zelt und versucht immer Schlafplätze zu suchen, wo die Straße mal untertunnelt ist. So ganz menschenleer war´s dann doch nicht. Zwei Bohrtürme bohrten in 3.000 Metern rum nach Gas. Auf die Plattform durfte ich leider nicht, weil es aus „strategischen“ Gründen verboten wäre und dort eine Kamera installiert wäre. Zum Trost wurde ich zu einer Kanne Tee und einem Mittagessen im klimatisierten Kantinen-Container eingeladen. Ansonsten war der Friedhof das erste Anzeichen von menschlichem Leben.

 

 

Und dann traf ich Paul aus Frankreich auf einer 94er AFRIKA TWIN. … 

 

Das Aralsee-Abenteuer

 

Paul stand am gegenüberliegenden Straßenrand und wollte dahin wo ich gerade herkam über die einsamen 350 Kilometer zur Grenze nach Kasachstan. Es war später Nachmittag und wir kamen auf die Idee, gemeinsam an den Aral-See zu fahren. Mir ging es vorher schon durch den Kopf: „wenn ich zufällig jemanden finden würde für das Unterfangen, das wäre doch toll“. Da er die gleichen Überlegungen auch schon hatte, drehte er um und wir verließen die Fernstraße und fuhren einhundert Kilometer nach Moynoq, dem Ort, der dem Aralsee am nächsten liegt. Im Dunkeln kamen wir an und es hieß im einzigen Hotel am Platz, es wäre kein Zimmer frei. Am Ende wurde eines für uns geräumt.

 

 

Ich will es kurz machen: über 40 Kilometer gab es Reste einer groben Asphaltstraße, die an zwei Bohrtürmen endete. Wir benutzten meistens den sandigen schmalen Rand oder Fahrspuren außerhalb der Straße Danach gab es anfänglich noch eine Art Straße und dann nur noch Fahrspuren durch die salzverkrustete Wüste. 70 Kräfte zehrende Kilometer – immer nur den Horizont vor den Augen.

 

 

Endlich ein schmaler blauer Streifen am Horizont und dann der Rand des Sees. So richtig glücklich sehe ich auf dem Foto nicht aus, so wie am Karakorum Highway oder als ich im Himalaya auf dem höchsten Pass der Welt stand und ein „Heldenfoto“ bekam. Nein, wie ein Held kam ich mir nicht vor, denn mir gings nicht gut, Schwindel, Schwäche bei Temperaturen weit über 40 Grad und die Sorge, wie schaffst Du es zurück. Paul war ein großartiger Begleiter. Jung, stark, guter Fahrer auf einer geeigneten Maschine. Er konnte mit seiner Afrika Twin über die Unebenheiten „gleiten“ und stuckerte mich durch. Der Lehm auf den Wegen war knüppelhart getrocknet. Ich kann ja ne Menge ab, aber ich dachte immer nur an die Maschine und dass sie ja durchhalten möge. Nicht auszudenken, was, wenn nicht. Auch die Navigation war schwierig, ohne irgendwelche Anhaltspunkte außer Fahrspuren, die auch sonst wo hinführen könnten.  

 

Irgendwann kamen wir auf unseren Weg, den wir gekommen waren und wenigstens die Route war damit klar. Vor uns zog ein Gewitter mit Blitz und Donner durch, von dem wir nur wenig Regen abbekamen, aber ich ahnte schon, was kommen wird. Ich kannte den feinen Lehm-Staub aus Kambodscha! Schmierseife scheint mir ein Bremsmittel dagegen. Wir eierten im Schritt ohne auch nur die geringste Haftung durch die Furchen Selbst beim senkrecht Stehen wollten die Räder immer irgendwo hin. Paul flog zweimal hin – ich konnte es immer irgendwie noch verhindern. Das Ganze ging über etwa 10 Kilometer. In den Furchen suchten wir immer die Mitte der Pfützen, weil die Räder am tiefsten Punkt nicht noch tiefer abschmieren können. Dann guckte Schotter durch die Schmiere und am Ende waren wir über die zertrümmerte „Straße“, die wir vorher so gemieden hatten, glücklich. Nicht auszudenken, wenn uns das am See erwischt hätte! Unser Wasser war mit 7nLitern zu knapp bemessen; die 5 Liter Reservesprit brauchte ich. Nach zehn Stunden im Sattel waren wir zurück - natürlich nicht ohne Schäden ...

 

 

Paul. Vater aus Marinique, Mutter Französin. Bei unserem glücklichen Abendessen.

 

 

Ja, natürlich stelle ich mir die Frage: WAR´S DAS WERT? Ein fettes Nein. Für mich (und meine kleine Klapperkiste jedenfalls nicht. Zu heiß, zu schwer, zu gefährlich und nicht meiner so langen Reise dienlich. Mach´ ich nicht mehr.

 

 

Nachgeschrieben in Bukhara, am 08.07.2019 

 

In blau geschrieben, weil´s wieder mal langweilig technisch ist. 

Ich komme ja immer (fast immer) glimpflich bei solchen Aktionen davon. Meine zarte Beta meistens nicht. So auch diesmal. Beim ersten Hinfaller war alles noch dran. Als ich sie zu dicht am See auf den Seitenständer abstellte, sank der im matschigen Untergrund ein und der Kupplungsgriff war wieder einmal abgebrochen. Nun kann ich das abgebrochene Ende, das ich aus dem Schlick gegraben habe, nicht mehr finden. Zu blöd – ich wollte es wieder anflicken mit Bandage und Zweikomponentenkleber. Ich hatte noch einen neuen dabei.

Der nächste, wohl siebte, Rahmenbruch war übler, lässt mich aber inzwischen trotzdem ruhig schlafen. Diesmal waren beide Laschen, an dem der Heckrahmen am Hauptrahmen angeschraubt ist, gebrochen. Irgendwo muss sich die Überlastung ja Luft machen. Am nächsten Vormittag: Es gab in Moynoq eine Autowäsche, wo ich den Hochdruckreiniger selber nutzen sollte, nachdem ich erfolglos erklären wollte, wo er NICHT draufgehalten werden darf (Radlager und Kette). 

Daneben eine Autowerkstadt. Der Preis ist immer das Erste und dann ein Abnicken: „mach ich“. Wir hatten die gleiche Idee, Ohren wieder anschweißen, außen glatt flexen und große dicke Scheiben drüber schweißen, die die Kräfte auf die kleinen U-Profile am Hauptrahmen übertragen Guter Arbeit, auch wenn die Schweißnähte nicht besonders schick aussehen und ich Scheiben und längere Bolzen aus meinem Ersatzteilsortiment liefern musste. Die Bolzen vorsorglich mitgenommen, die Scheiben irgendwo von einem Werkstattboden aufgehoben. 

 

Während ich in der Werkstatt war, brach Paul auf zur Grenze nach Kasachstan, wo ich gerade hergekommen war und wollte mit der Schwarzmeerfähre nach Baku, von dort mit der Fähre in die Ukraine und nach Hause. Ich tuckerte am Nachmittag los, lud mir eine am Wegrand eine dicke Wassermelone auf und übernachtete in der Provinzhauptstadt NUKUS, die vor ein paar Jahrzehnten völlig neu errichtet wurde, weil die alte Hauptstadt öfters unter Wasser stand und landete nach einem weiteren Hitze-Ritt im einzigen Hotel in TORTKO. 

                                   Die Ziegen ruhten im einzigen Schattenplatz in hundert Kilometer Umkreis oder warteten sie etwa auf den Bus?

 

Ich hatte am nächsten Morgen schon gepackt, aber man riet mir davon ab die Strecke nach Bukhara am Tage zu fahren. Es würden über 45 Grad werden. Keine Tankstelle, kein Wasser, keine Siedlung, kein Schatten über 350 Kilometer. Da ich von den letzten Tagen ohnehin angeschlagen war, brauchte man mich nicht lange überreden und nutzte den Tag – na wofür wohl? Gleich wir´s also wieder Blau. 

Wiederholt abgebrochenes Blinklicht mit Zwirnsfaden bandagiert bzw. bewehrt und in Zweikomponentenkleber gehüllt. Als nächstes könnte nur noch die Halterung am Schutzblech selber abbrechen – am Blinklicht selber gibt’s nichts mehr zu brechen.

 

 

Meine gebastelte Schalterkonsole für Navi, US-Steckdosen und LED-Zusatzscheinwerfer, hatte von beiden Quellen keinen Saft. Zwei Fehler gleichzeitig sind äußerst selten und machen einen konfus. Ich fand sie beide und auch das funktioniert wieder. Das Lenkkopflager, also die Säule für die Lenkung hatte Luft und klapperte. Habe ich unterwegs schon mal nachziehen lassen. Ich hätte vor der Abreise neue Lager einbauen sollen. Mit ner Polygripzange kam ich an die große flache Mutter ran, konnte sie anziehen, wird sich wieder lockern, weil sie nicht zu sichern ist außer mit Gewindekleber, den ich nicht habe und kaufte dem Hotel die Zange ab.

 

Kennt jemand noch den guten alten „Prüffix“ aus DDR-Zeiten? Er hat mir sehr geholfen. Und das ist alles im rechten Seitenkoffer verstaut (und noch ein paar Sachen mehr). Fürchterlich! Aber überlebensnotwendig. Licht brennt; Navi und Steckdosen haben Saft.

 

 

Bukhara, am 10.07.2019 

 

Ich startete schließlich um vier Uhr nach Bukhara und das war sehr gut so. Beim frühen Schlafengehen nahm ich eine halbe Schlafpille, meine Geisternerven in den Beinen ließen aber die Beine zappeln und mich nicht einschlafen vor Mitternacht Die Schlafpille wirkte erst nach 4:00 so richtig, so dass ich auf den ersten 250 km auf guter leerer Autobahn mehrmals einnickte und dagegen ankämpfen musste. War also keine gute Idee. Die letzten hundert Kilometer auf mieser Landstraße aber das war egal. Eine Tankstelle gab´s über 350 km wirklich nicht, sodass mein 5-Liter-Kanister zum Einsatz kam, aber menschenleer war die Strecke nicht. Auf halbem Weg gab´s was Schmalzgebackenes und labenden Tee in einer Trucker-Raststätte.                                 

Sonnenaufgang über der Steppe

 

Im historischen Zentrum angekommen, hatte ein Polizist eine gute Idee für mein kleines Budget und so landete ich in einem privaten Homestay, Zimmer mit Klimaanlage und Balustrade (auf der ich jetzt in der Nacht im Slip sitze und schreibe)  zum ruhigen betonierten Innenhof, wo meine Beta auch einen schönen Platz aber trotzdem keine Ruhe hat, weil es gleich wieder in Blau weitergeht. 

                                                                              Die übliche Landschaft und dann näher an Bukhara diese schöne grüne Landschaft!

  

Madin, 

die hier für die Vermieter zeitweise arbeitet, quartierte mich ein, entschuldigte sich (überflüssigerweise) für die Einfachheit des Quartiers und holte mir eine Melone und Getränke zum An- und „Runterkommen“. Ja, das habe ich wirklich nötig im Augenblick. Selten fühlte ich mich so angeschlagen, mutlos und mental schwach, wenn ich daran dachte, was noch so vor mir liegt…Mir hätte nichts besseres widerfahren können, als Madin und dieser ruhige Innenhof mit einem Zimmer, das ich nachts auf angenehme 25-26 Grad runterkühlen und abgesehen von Krampfattacken wie ein Baby schlafe. Sie hatte gestern ihren 20. Geburtstag und es war dann am Ende „ihr schönster Geburtstag“ überhaupt. Ich nehme es mal so hin, weil diese glückliche Aussage mir im Moment auch selber guttut. 

 

Ein Freund, den wir auf der Straße trafen, meinte, wir sollten schwimmen gehen. Seitdem sie mal in einen See geworfen wurde und fast ertrunken wäre war sie noch nie in diesem Schwimmbad. Wir fuhren zum Markt, kauften Schwimmringe für die Arme und einen Bikini (mit dem man sie dann später nicht ins Wasser ließ, weil er zu unkeusch war, mussten wir im Bad einen neuen kaufen. Die Schwimmringe legte sie schnell ab, da man überall stehen konnte. Das Schwimmen konnte ich ihr allerdings in der Kürze der Zeit nicht beibringen.

 

  

 

Bukhara, am 12.Juli.2019 

                                                                                                                                                                           Rundblick vom Riesenrad

 

Ich war noch nicht mit dem Geburtstag zu Ende. Am späten Nachmittag war ich für ´ne Stunde in den Gassen der Altstadt unterwegs, und wurde von den Arbeitern aus der Provinz, die hier in der Tageshitze für ein paar Euro am Tag  an einem Haus bauten, zum Abendbrot und drei kleinen Wodka eingeladen. Der Mann in Lila hatte auch Geburtstag, seinen 35sten. Nachher werde ich nochmal vorbei gehen und ihnen ein paar Bier vorbeibringen.

 

 

Abends waren wir mit ihrer besten Freundin in einen Vergnügungspark, aßen ein gutgewürztes  Schich-Kebab und Eis. Die Mädels hatten Spaß im Autoscooter und ich am Blick über die Dächer von Bukhara.

 

 

Der Spaziergang zurück durch Parks, in denen Familien die laue Abendluft genossen und vorbei an der großen Moschee spazierten wir zurück zu meinem Hotel, sie nahm ein Taxi, das hier nur Pfennige kostet nach Hause.

 

 

Ich hatte vor, zwei Tage zu bleiben und auszuruhen aber wie so oft, als wir zusammen zur UNI tuckerten, wo sie sich einschreiben wollte für eine Aufnahmeprüfung zum Englischlehrer-Studium, klapperte es verdächtig hinten rechts. Die Lasche am Gepäckrahmen war abgebrochen, auf der anderen Seite fand ich bei genauerer Untersuchung schon einen Riss und die Winkelkonsole rechts, die ich schon mal hatte schweißen lassen war auch wieder halb durch. Madina wusste wohin. Zu einer Autowerkstatt am Stadtrand. Wir waren uns schnell einig, was am besten zu tun wäre. Alles doppeln. Nun sieht es so aus:

 

 

Und „wenn schon, denn schon“, fuhr ich gestern nochmal hin, machte den Öl- und Ölfilterwechsel, der in ein paar Hundert Kilometer dran wäre mit dem Öl, das ich von Baku im Kanister am rechten Seitenkoffer mitgeschleppt hatte. Man bestätigte, dass es hier kein ordentliches Öl für mein Motorrad gäbe. Der Ölwechsel ist immer eine große Sauerei, weil ich an drei verschiedenen schlecht zugänglichen Stellen ablassen muss. Ich hatte mir auch meine Messlehren mitgebracht und stellte meine Ventile neu ein. Zurück im Hotel kam noch das Hinterrad raus, weil mir die Bremsbelege hinten schon sehr dünn vorkamen, ließ sie aber drin, weil - ein bisschen müssen sie noch. Weiß der Kuckuck, warum sie hinten schon so abgefahren sind. Ich habe nur ein neues und ein angebrauchtes Pärchen für hinten und vorne mit und muss haushalten damit.

 

Es ist so ähnlich, wie mit dem Strand-Aufspühlen auf Hiddensee oder gegen Windmühlen zu kämpfen. Langsam begreife ich, dass man gegen Naturgesetze nicht anarbeiten kann. Jetzt habe ich so viele Sachen mühselig verstärkt aber es wird immer eine „schwächste“ Stelle geben und die muss das dann ausbaden. Wie oft habe ich schon gedacht „Nun ist alles gemacht und es kann entspannt weitergehen. Denkste! Ich bin letzte Nacht zu dem Schluss gekommen, dass die harten Schläge beim Ausfedern des Vorderrades, z.B. in einem Schlagloch, vielleicht doch nicht von der Dämpfung der Gabel kommen, sondern vom Lenkkopflager her, das ein bisschen Luft hat, die durch Nachspannen in der Vergangenheit auch nicht verschwand. Nun habe ich heute zu meinem Lieferanten Herbert Schajor in Bayern Kontakt aufgenommen. Er war auf dem Weg zum Flughafen, um nach Indien zu fliegen für eine Motorradtour in den Himalaya. Der hat´s gut! Ich fand eine andere Firma im Internet, die wegen der Logistik überhaupt nicht anbeißen wollte. Ich konnte sie beruhigen, da der gute Thomas das wiederübernehmen wird, der aber auch gerade auf einer Segeltour mit der Familie in Finnland ist und in polarem Nordwind friert. Die Firma will die Sachen heute noch in Italien bestellen, Lieferzeit zu ihnen 4-5 Werktage, heißt es. Vor mir liegt ja der Pamir und da will ich möglichst nicht so reinfahren.

 

In Bukhara, so wie in allen Städten Usbekistans, in denen ich war, habe ich das Gefühl, ich kann die Städte nicht „greifen“. Ich suche das Stadtzentrum, wenn ich in eine Stadt reinfahre oder eine Unterkunft suche, aber das gibt es nicht. Bestenfalls finde ich dann die Stadtverwaltung, ähnliche repräsentative Gebäude oder einen großen leeren Platz mit Monumentalbauten umgeben. Keine nennenswerte Konzentration von Geschäften, Garküchen oder gar einen Markt. Die Städte sind unglaublich großzügig angelegt; die Straßen mit vielen (immer roten) Ampeln sind vier- oder sechsspurig, die Gebäude mit viel Luft und Abstand dazwischen. Und, ich weiß nicht, ob es eine Stadt in Deutschland gibt, die so sauber ist und so viele Parks und Grünflächen hat. Bummeln durch die Geschäfte, die am Tage in der Hitze kundenleer sind, ist schwierig. Da muss man schon ein paar Straßen kilometerlang ablaufen, um von „bummeln“ zu reden.        

Ich hätte gern ein paar Bilder mehr, um das zu verdeutlichen – habe ich aber nicht. Dafür aber von der historischen Altstadt. Am Tage

 

 

… und in der Nacht, wenn die aufgeheizte Stadt erwacht und die Menschen spazieren gehen. 

 

Es sind ca. 300 Kilometer bis Samarkant und ich werde wieder morgens um 4:00 losfahren, um der Hitze zu entgehen, zumal man hier niemals weiß, wie der Zustand der Straßen sein wird.

 

 

Samarkand, der 14.07.2019 

 

Es ist vielleicht an der Zeit, in paar allgemeine Dinge zu den Reiseumständen zu sagen, weil ich öfter mal gefragt werde, „wie machst Du dies oder jenes“, ich mache das mal künftig in GRÜN.

 

Geld. 

 

Es gibt eine Menge Leute, die meinen „Geld wäre nicht wichtig“. Das sagen vor allem die, die genug davon haben. Hier hilft diese Luxus-Einstellung den Leuten nicht. Bei den meisten, die ich unterwegs kennenlerne, geht es darum, sich und die Familie „über Wasser zu halten“ mit Tagesverdiensten, die wir nicht begreifen können. So ist zum Beispiel 50-100 Euro (auf dem Lande auch unter 50€) ein gängiger Verdienst. Und ich kenne auch die Preise für die alltäglichen einfachen Dinge, die zum Überleben notwendig sind und kann nicht begreifen, wie das gehen soll. Niemals habe ich das mit Klagen mir gegenüber erfahren – die Menschen nehmen es so, wie ist: aussichtslos, etwas daran ändern zu können. Ich sprach jetzt nicht von einer breiten Mittelschicht, die es vor allem in Städten gibt.

 

Was mich betrifft, geht es immer nur darum, flüssig zu sein. In fast allen Ländern der Welt kann man Geld aus ATMs, Geldautomaten ziehen. Es gibt Länder, vor allem in der Provinz, da ist es schwierig, selbst auf einer Bank Cash zu tauschen. Hier zum Beispiel wird der der Dollar dem EURO vorgezogen. Jedenfalls bevorrate ich mich so, dass ich mit Sicherheit über die nächsten Tage komme. In der ersten Provinzstadt in Usbekistan, dauerte es in einer Filiale der Staatsbank eine Stunde und dann bekam für 150 Dollar dieses Bündel mit 10.000er So´M-Scheinen. So heißt die Währung hier und für 1 € gibt´s 9.200-9.600 So´m auf dem Schwarzmarkt, auf der Bank unwesentlich weniger. 

 

Es war vorgestern eine gute Idee, wieder nachts loszufahren. Um vier kam ich vom Hof, nach Fünf kam die Sonne hoch und es war angenehm kühl zum Fahren. So kühl, dass ich mir sogar meine dünne Windjacke über meine luftige Motorradjacke ziehen musste.  Zwei Stunden habe ich in der Altstadt rumgesucht nach einem geeigneten Quartier. Das war mir diesmal wichtig, weil ich ein paar Tage bleiben wollte. Zu teuer, Zimmer zu dunkel oder zu unbehaglich. Am Ende landete ich mit diesem Hostel einen Volltreffer. Hostels mit Schlafsälen mag ich nicht so sehr. Diese hier ist anders. Neu und sehr schön eingerichtet, ich ergatterte das mit nur einem Doppelbett und das habe es auch noch für mich alleine. Klimaanlage und Ausblick auf die Kuppeln und Türme des Palastes, den der Emir um 1450 einst für seine Frau hat bauen lassen. 

                                                                                                                                 Sher Dor Madrasa, das Haus für die Frau des Emirs

 

Der Markt ist nur 500 Meter entfernt und die wichtigsten Baudenkmäler als Zeugnisse der Geschichte sind gut zu erlaufen. Also bin ich gleich los. 

                                                                                                                                                               Dieses Brot aus Samarkant gilt als berühmt, Salate,  Gewürze, blaue Rosinen, Nüsse und getrocknete Früchte und Sammeltaxis, die losfahren, wenn sie voll sind.

 

 

Auf dem Markt, beim Geld Tauschen, traf ich Asis. Er hat alle Papiere und geht im September nach Riga, um dort Financial Management zu studieren. Seine Im Haus seines Onkels am Stadtrand würden sie heute Abend Barbecue machen und ich wäre herzlich eingeladen. Natürlich sagte ich nicht NEIN und es war dann ein schöner Abend. Unterhaltung abwechselnd in Russisch und Englisch. Eine Tante, die in Dubai lebt, war für die Ferien mit ihren drei Kindern da. Die beiden große n sprachen perfekt Englisch und es machte Spaß mit ihnen. Nein, sie leben lieber in Dubai als in Usbekistan. Der Großvater (83) war Chirurg und hat das Haus gebaut. Danke für den Abend, Asis.

 

 

Was macht die Städte Bukhara, und Taschkent vor allem aus? Vor allem die beeindruckenden und gut- und wie mir scheint, zu-gut-restaurierten Prachtbauten aus dem 15. Und 16. Jahrhundert. Das Wahrzeichen von Samarkand ist REGISTAN, einer der prächtigsten Plätze Mittelasiens und das kulturelle und wissenschaftliche Herz des antiken Samarkand. Auch heute hat der Platz noch was mit „Herz“ zu tun, wenn die Hochzeitspaare hierher kommen.

 

Zu allen Tageszeiten ist es prächtig anzuschauen, besonders aber am Abend, wenn es mit warmem Licht weich angestrahlt wird.

 

                      Um 21:00 Uhr gibt es eine musikalisch unterstützte Licht-Show mit wechselnden Farben auf den Fassaden der Bauten

 

Verständigung

 

Zur Sprache habe ich schon was gesagt.  Ich freue mich wirklich über mein Russisch. Ich spreche in ganzen Sätzen, grammatisch einigermaßen korrekt, und kann sogar Leute mit Scherzen zum Lachen bringen, was mir in Deutschland selten gelingt. Auch wenn mir öfter mal ein Wort fehlt oder die Leute zu schnell sprechen, muss ich umschreiben oder sie in ihrem Redefluss unterbrechen und nachfragen. In der Provinz findet man selten jemand, der Englisch spricht. Ich weiß gar nicht wie man hier reisen könnte ohne Russisch?! Man kommt natürlich auch durch, aber es würde mir so vieles entgehen! Je weiter ich nach Osten komme, um so aufgeschlossener, freundlicher herzlicher und zugänglicher werden die Menschen. Männer und Frauen gleichermaßen. Hier ist der Islam als Volksreligion kein Hindernis für offenen Umgang. Sehr schön!

 

 

Samarkand, am 21.07.2019 

 

Ich sollte/wollte eigentlich schon ein Stückchen weiter sein, aber ich bin immer noch in Samarkand/Usbekistan, nun wohl schon eine Woche. Normalerweise würde ich langsam nervös werden; diesmal aber nicht. Aus verschiedenen Gründen. 

(1) ich glaube, genug Zeit zu haben, da ich mich mit dem Einreisevisum nach Russland auf den 09. September festgelegt habe. Morgen rufe ich mal in Berlin an, wieweit sie mit meinen Visa für Russland und Weißrussland sind.

 

 

(2) Ich hatte in den letzten Tagen ein kleines Formtief. Die Anstrengungen der langen Steppentouren in der Hitze haben mir zu schaffen gemacht und Spuren hinterlassen. Auch gab es Anzeichen, dass mich mein mir immer selbstverständlich erscheinender Mut zum ersten Mal verlassen zu wollen. Die Pause war deshalb auch gut, um mich auf das das, was noch kommen mag, ohne an die gelegentliche Mühsal zu denken, wieder freuen zu können. Ich bin hier in dem kleinen Hostel, mit eigenem klimatisiertem gemütlichem Zimmer gut aufgehoben. Der bunte und lebendige Markt und die beeindruckenden historischen Bauten und schöne Parks sind gut zu Fuß zu erreichen.

 


(3)  Meine Ersatzteile kommen erst am Montag bei Thomas im Büro in Hamburg an und gehen dann sofort auf die DHL-Express-Reise. Ich wollte sie nach Duschanbe/Tadschikistan schicken lassen und fand dort auch eine DHL-Niederlassung. Tagelang bekam ich dort keinen ans Telefon und las gestern Abend im Internet, dass die Regierung vor zwei Jahren alle internationalen Paketdienste im Land hat schließen lassen. Hier in Samarkand fand ich keine verlässliche Filiale. So wird Thomas sie nach Taschkent adressieren. Ich wollte mit dem Motorrad hinfahren, was einen Umweg von einigen hundert Kilometern auf meinem Weg in den tadschikischen Pamir bedeutet hätte. Heute Vormittag habe ich mich entschieden, das Motorrad hier stehen zu lassen, den Zug zu nehmen und mir ein paar Tage (ich hoffe, nicht zu viele) Taschkent anzuschauen, bis mein Päckchen eintrifft. Zur Erinnerung: es geht um zwei Lenkkopflager mit Kleinteilen. Weder weiß ich ob die wirklich die Ursache für die harten Schläge sind noch mit Bestimmtheit, dass ich die alten raus- und die neuen reinkriege - mit oder ohne fremde Hilfe und Werkzeuge.  

 

 

Ich habe in den Tagen mal fast gar nichts gemacht, war jeden Vormittag auf dem Markt, habe zweimal für meine Freunde vom Hostel gekocht, habe mir wegen der Tageshitze Mittagsschlaf angewöhnt, den ich mein Leben lang nicht gemacht habe, bin abends spazieren gegangen und habe trotzdem nachts meist gut geschlafen. Ich fühle mich jedenfalls wieder gut. Auch die Leute hier stöhnen unter der Hitze, die so langanhaltend ungewöhnlich sein soll. Ein Mann auf dem Markt meine heute, es wären 52 Grad, als ich unterwegs war, einen Laden zu finden, der mein Guthaben auf dem Telefon auftanken sollte.

 

Telefon & Internet 

 

Die meisten Motorradfahrer, die ich traf, begnügen sich mit dem WLAN der Unterkunft, in der sie abends irgendwo absteigen. Mir reicht das nicht. Ich beschaffe mir für jedes Land sobald als möglich immer eine lokale SIM-Karte zum Telefonieren und fürs Internet des jeweiligen Landes. Gut fürs Navigieren mit Google Maps, Unterkunft suchen, alle möglichen Informationen beziehen und Freundschaften anrufen, die sich überall ergeben. Jenseits des Schwarzen Meeres war es einfacher – da bekam ich in jedem Telefonladen eine Karte oder gleich beim Geldwechsler oder Krämer an der Grenze. Diesseits musste ich in die Hauptbüros der Telefongesellschaften. Das sind alles prepaid-Karten auf die ein Guthaben geladen oder später nachgeladen werden muss. So, wie heute. Als Hiddenseer kann ich behaupten, dass das Internet übers Telefon hier in diesen Ländern zuverlässiger und flüssiger ist. Eigentlich überall steht LTE zur Verfügung. Im Gegensatz zu Deutschland, wo man das nicht fertigbringt, die Telefongesellschaften trotz der höchsten Preise der Welt nicht an die Eier kriegt und nun unsere Politiker von 5G, selbst fahrenden Autos und Flugtaxis träumen. Das WLAN der Hotels ist meist nicht ausreichend, um an meiner Homepage zu arbeiten, ich also das Funknetz brauche, das hier erheblich billiger, als in D ist.

 

Da es mein vormittäglicher Haupttummelplatz war, noch ein paar Bilder vom Markt

 

Kinderkrippen, Quark, delikater Maulbeersaft mit meinen Tüten mit gedämpften Maiskolben und Gemüsesalat dazwischen, nochmal Quark, Mehl, Tee und köstliche geröstete Knackmandeln

 

Es gelingt mir auch hier in Samarkand nicht, zu zeigen, wie die normale Stadt eigentlich aussieht, wie und wo die Menschen leben. Entweder bekomme ich die großzügigen Straßen und Prachtbauten oder aber nichtssagende schmuck- und lieblose flache Wohnhäuser vor die Linse, die auch noch mit hohen Mauern umgeben sind. Bei der Hitze mag ich aber nicht durch die Stadt laufen. Deshalb hier nur dieses Sammelsurium. 

 

Rechts: ein Kaufmannsladen, in der Mitte ein altes Observatorium mit einem Quadranten aus Stein und rechts unten: mein nächtlicher Heimweg

 

 

Samarkand, der 26.07.2019 

 

Ich weiß nicht, wo die Zeit geblieben ist und weiß auch nicht, wie ich nach so langer Abstinenz vom Motorradreisen und Schreiben wieder reinkommen soll in meine Reise. Für den Montag hatte ich mir im Stadtbüro der Eisenbahn ein rares Zugticket beschafft. Rar, weil die Züge oft ein bis zwei Tage im Voraus ausgebucht sind. Das Eisenbahnnetz ist hier gut ausgebaut, elektrisiert und die Züge sind schnell unterwegs. Samarkand–Taschkent (300 km) in zwei Stunden. Wie früher, ganz früher: für jeden Wagon gibt es einen Schaffner, Klimaanlage, heiße und kalte Getränke, Snacks gibt es selbstverständlich. Wie lange fahren wir von Berlin nach Stralsund?...!

                                                                                                                                                          Vorbeifliegende typische Landschaft (mit Rindern)

 

Für Taschkent hatte ich vorher schon ein Hostel gebucht und hatte gut gewählt. Zwei schöne große zentrale Räume mit Teppichen zum drauf sitzen und Küche und Zimmer mit Doppelstockbetten drum rum, Platz für vielleicht 50 Leute und sehr freundlichem Personal. Es war gut belegt mit Leuten von Korea bis USA. Mal was anderes für mich.

                                                                                                                                                                                             Die Besitzerin mit Sohn

 

Wie ich mich ernähre?     Mal so, mal so

 

... mal mit Ayran mit würzenden Kräutern aus dem Topf, wie hier, aus einem schön gemachten Ausschank oder mit Brot aus dem Backofen

 

Nun stehe ich vor der schwierigen Aufgabe, zu beschreiben, wie TASCHKENT so ist. Ich zitiere einfach nach Wikipedia: „Sie ist Industriestadt (Energiewirtschaft, Maschinen- und Flugzeugbau, Baumwollverarbeitung, Lebensmittelindustrie), Verkehrsknotenpunkt mit U-Bahn und Flughafen sowie Kulturzentrum mit Universitäten, Hochschulen, Forschungsinstituten, Theatern, Museen, Observatorium und Zoo“. So nüchtern kann ich meinen Eindruck, den die 2,5-Millionen-Stadt auf mich gemacht hat, auch nur zum Ausdruck bringen. Gigantisch breite Straßen mit ziemlich dichtem Autoverkehr, grüne Bäume überall an den Straßenrändern und sehr viele und schöne Parks als Ruheplätze. Abgesehen von den Bäumen ist die Atmosphäre wie in der Stalin-Allee: die Straßen kilometerlang, großzügig breit und in die Länge gezogen, was die Geschäfte angeht. Bummeln? Zum „Wolf Laufen“, was mir auch tatsächlich passiert ist.  

                                                                                                                               miese Fotos mit meinem miesen neuen Handy am Abend gemacht

 

Die Wartezeit von drei Tagen habe ich verbracht mit U-Bahn fahren,

 

mit Markt-Bummeln natürlich. Rechts: Kugeln aus trockenem Joghurt von  Schaf, Ziege oder Kuh (schmeckt sehr gut zum Bier)

 

Zoo-Besuch und Park-Spazieren und „Wolf Laufen“ durch die endlosen Straßen,

 

Nach drei Tagen hatte ich meine Teile in Händen, machte mich auf zu einem Platz für Sammeltaxis Richtung Samarkand (ein passendes Zugticket konnte ich nicht bekommen), vereinbarte einen Preis von ca. 8 €, musste zwei Stunden warten bis sich noch zwei Personen meldeten und dann ging´s los durch diese Landschaft.

 

 

 

Das, was man unter einer Motorrad-Werkstatt versteht, gibt’s in Samarkand und überhaupt in Usbekistan nicht. Die Freunde, die hier 48h-Dienste im Hotel machen fanden aber einen Schrauber, der vor der Haustür Motorräder repariert. Ich demontierte die Vorderkarre (wohl zum gefühlten hundertsten Mal), er konnte einen Abzieher für die Lager auftreiben, neue Lager rein und alles wieder zusammenbauen. Die Verbesserung ist marginal. Fazit: Das Problem der harten Schläge kommt letztendlich aus der nicht funktionierende Zugdämpfung in den Gabelholmen. Da bleibt mir also nur übrig, sauer zu sein über die Firma, die die Gabel für gutes Geld im Frühjahr regeneriert hat und weiter durch die Gegend zu stuckern.

 

 

 

Vater und Sohn. Der Vater schwärmte von seinen drei sowjetischen Soldaten-Jahren in Bad Freienwalde in den 70ern

 

Morgen, ziemlich früh, werde ich zur tadschikischen Grenze und nach DUSCHANBE aufbrechen. Ähnlich, wie beim Monsun, endet hier die jährliche Juli-Heißzeit nach einem festen Datum. Hier wurde mir der 25. Juli genannt. Und tatsächlich: seit gestern ist die Temperatur unter vierzig, vielleicht bei 35 Grad jetzt. Außerdem verlasse ich mit Usbekistan die flache Tiefebene und hoffe, dass dann die Temperaturen noch weiter fallen. Usbekistan hat mit großem Abstand übrigens mit 33 Millionen Einwohnern, überwiegend sunnitischen Moslems, die meisten Einwohner weit und breit, gefolgt von Kasachstan, das um ein Vielfaches größer (und reicher) ist, mit 18Millionen Menschen. Die anderen Länder drum rum sind einstellig. Sehr angenehm ist hier, dass der Islam hier keine Staatsdoktrin, sondern der Glaube Privatsache ist. Die Menschen sind sehr aufgeschlossen und freundlich und sie sind, sagen wir besser, „die Frauen“ sehr anmutig, wenn sie schlank sind, wie die meisten, mit sehr schönen weichen asiatischen Gesichtern. ,

Vielen Dank an Mirzo und Elbek und die beiden jungen Frauen (leider nicht im Bild) für die freundschaftliche Zuwendung. Mirzo studiert ab September in Frankfurt/M. Eine Hürde hat er noch: ein Skype-Interview mit seinem künftigen Professor am 14. August. Er ist überglücklich – auch für eine Zeit den strengen Regeln der usbekischen Kultur zu entfliehen.

 

Aber zu danken habe ich noch einem anderen. Meinem Vater Bruno. Vorgestern wäre er 105 Jahre alt geworden. Thomas schickte dieses Foto, um auf ihn anzustoßen. Unmittelbar nach dem Krieg hat er in Friedrichswalde gegenüber der „Holzschuhbude“, in der bis etwa 1953 Holzschuhe nach Holländer-Art hergestellt wurden, eine Baracke der Wehrmacht „aufgerissen“, eine Elektrowerkstatt und für uns eine Wohnung eingerichtet und eine Zentralheizung mit Heizkörpern, die er aus den Ruinen von Herrmann Göhrings Schloss in Karinhall ausgebuddelt hat, eingerichtet. An die Maschinen in der Halle der Holzschuhbude und die Arbeitsgänge kann ich mich noch sehr gut erinnern. In Form einer schrägen Narbe über den rechten großen Zeh habe ich noch ein Andenken daran. Ich, der kaum über die Werkbank gucken konnte, hatte Interesse an einem scharfen Stemmeisen, das – natürlich mit der Schneide vornweg - auf meinem Zeh landete. Mein Vater wickelte Elektromotoren und elektrifizierte Häuser für Leute, die auch nicht mehr hatten, als wir, sodass die Bezahlung des öfteren erst zur Ernte mit Kartoffel, Kleie oder Hühnerfutter, niemals jedenfalls mit Speck, erfolgte. Den gewonnenen Kupferschrott verschob er – zumindest einmal – nach Westberlin, was dazu führte, dass ich mit meiner Mutter am 17. Juni 1953 aus Westberlin, wo ich aus dem Kupfergeld und an Haustüren verkauften Eiern eine Lederhose zur Einschulung bekam, die mir bis zur sechsten Klasse passte, nicht mehr zurückkamen, weil bei der Revolte die Grenze dicht war und als sie wieder stundenweise geöffnet wurde, keine Züge in die „Zone“ fuhren. Ja, mein Vater hat uns vier Kinder mühselig und fleißig alle bis zum Abitur durchgefüttert und nebenbei Boote gebaut. So wurden wir alle Segler, ich denke auch bis an unser Lebensende. 1958 zogen wir an das Ufer des schönen Werbellinsee in Joachimsthal, womit er sich und uns mit der Nähe zu dem wunderbar klaren Wasser einen Traum erfüllte. Er starb, einen Tag vor seinem 73. Geburtstag während der Hochzeitsfeier meines Neffen Peter am Jasmunder Bodden auf seinem Boot. Tragisch und viel zu früh. Für Leute, die ihn weniger kannten, erschien er ernst, wie auf dem Foto, glaube ich. Er hatte immer den Kopf voller Ideen, die er auch in die Tat umsetzte. Mich hat er so sehr geprägt, dass mal jemand, den ich nicht beim Namen nennen will, zu mir sagte: „Du bist ja, wie Dein Vater !!!“. Es war anders gemeint – mich hat es jedoch geehrt. Drei Tage vor seinem Tod sagte er noch auf Hiddensee zu mir, als ich tief unter Uschis Haus die Fundamente ausbuddelte: „Das kriegst Du nie wieder zusammen“. Hab´ ich aber, vielleicht gerade deshalb, weil er mir das nicht zuzutrauen schien. Wie man sehen kann, habe ich´s doch und das habe ich Dir zu verdanken. Danke in den Himmel.