Willkommen in Kirgisistan

 

Osh / Kirgisistan, am 18.08.2019 

 

Mit dem Marko-Polo-Schaf wurde ich auf der Passhöhe von 3.600 m hinter der Grenze in Kirgisistan begrüßt. Und dann gings steil bergab. Der Blick zurück auf die tadschikischen Berge. Etwas weiter rechts muss der Pik Lenin, mit 7.100 m der vierthöchste Berg im Pamir, sein

 

 

Auf einer Traumstraße ging es dann 220 Kilometer bis Osh über 2.500 Höhenmeter immer bergab durch die wunderschöne Landschaft. Leider war ich spät dran und kam dann in Osh in der Dunkelheit an und in einem Hostel unter.

 

 

Osh, am 18.08.2019 

 

Ich kann es nicht mehr nachvollziehen.aber ich war nun wohl fast eine Woche hier in Osh. Kurzum mir ging´s nicht gut, gar nicht gut. Schlapp, kaputt, den Kopf voller Probleme. Am Tag nach der Ankunft hier habe ich in einem richtig guten Bett erstmal ausgeschlafen und in einer der beiden Motorradwerkstätten hier einen Termin für den nächsten Tag ausgemacht. Die nächsten zweieinhalb Tage habe ich komplett dort verbracht, mit einem Tag hatte ich gerechnet.  Der Not-Bolzen hatte sich durch sich durch den Gurt gearbeitet, der Heckrahmen war auf einer Seite durchgebrochen, hatte weitere rostige Risse und eine Strebe des Hauptrahmens hatte neben der Schweißnaht des ölenden Bruchs (Indientour) einen Riss (erstes Bild). Das Lenkkopflager klemmte und war schwergängig, Die Gabel habe ich wieder mal zerlegt für einen Ölwechsel mit dickerem Öl (ich gebe nicht auf).  Motorölwechsel, Luftfilter ausgewaschen, gereinigt und neu eingeölt, neue Halterung für den linken LED-Scheinwerfer gebaut, der abgebrochen war, den abgebrochenen Spiegel an der Kupplungsarmatur geklebt (mal sehen, ob er hält) und einige andere Sachen mehr.

 

 

Auf dem Fahrrad-Markt fand ich später eine Handkupplungsarmatur und einen passenden Spiegel dazu. Der linke Spiegel ist wichtig. Jedenfalls mussten der Heckrahmen zum Schweißen raus, die Elektrik zerpflückt und die Vorderkarre wegen des Lenkkopflagers zerlegt werden.

 

 

Nach den Reparaturtagen verschob ich dann von Tag zu Tag meine Abreise, weil ich mich einfach zu schlapp fühlte, bis ich heute mal meinen Blutdruck überprüfen ließ. Kein Wunder: 90/55. Damit reißt man keine Bäume mehr aus. Ich glaube, ich weiß auch, wo das Problem ist. Vor ein paar Wochen verordnete mir eine nette Ärztin Medikamente, die anscheinend genau in die gleiche Richtung wirken, wie meine Blutdrucksenker-Pille jeden Morgen. Immer schön, wenn sich solche Dinge, die einem zu schaffen machen, aufklären. Nun ist mir auch klar, warum ich auf der Bartang-Tour Probleme hatte, von denen ich eigentlich nicht berichten wollte. 

 

Nochmal zurück zur Werkstatt. Hier kann jeder selber schrauben. Mitunter waren 4-5 Biker am schrauben und Reifen wechseln. Alles Reisende, wie ich – nur viel jünger und hart gesottener. Auch die Freunde, mit denen ich hier ankam oder in meinem Hostel abgestiegen waren, schraubten fleißig. Abends saßen wir dann in einem schicken Restaurant um die Ecke zusammen. Heute verzichtete ich auf die Gesellschaft und das große Steak, das ich mir eigentlich zum Abschied vorgenommen hatte, und schlürfe nebenbei meine halbe Melone, die ich noch im Kühlschrank hatte. weil ich neben meiner Homepage auch noch endlich meine elektronischen Briefschulden abarbeiten will. 

 

                          Bei meinen beiden „Babysittern“ bedankte ich mich mit diesem Dinner und bei der Crew der Werkstatt mit einem zünftigen Lunch. 

 

Ich wohne hier etwas abseits und hatte weder Zeit noch Antrieb aber heute war ich endlich mal tiefer in der Stadt und natürlich auf dem Markt.

 

Wer meinen „Bericht“ vom einmalig schönen Bartang-Tal gelesen hat, wird bemerkt haben, dass ich einfach beim Schreiben nicht gut drauf war. Ehrlich gesagt, ich habe mir einen abgequält dabei. Solch eine einzigartige und wertvolle Erfahrung nach mehreren Tagen nachzuschreiben, ist schon schwierig und wenn man sich dann zumal nicht gut fühlt, kommt nicht viel bei raus. Wenigstens war meine Kamera nicht unpässlich. Jedenfalls dann nicht, wenn ich nicht vergaß aufmunternd an ihrem Objektiv herum zu klopfen. 

                                                                                                                                                                         Links: Die Aussicht aus meinem Fenster

 

Ach, eine gute Nachricht habe ich auch noch: Vorgestern konnte ich meinen zweiten Reisepass bei DHL-Express abholen mit dem 4-Wochen-Russland-Visum für die Einreise ab 09. September. Bis zum Issikul-See, von derem Besuch Marianne in früheren Zeiten mal geträumt hat, sind es etwa 750 Kilometer, die ich ab Morgen angehen werde. Es wird eine schöne Tour werden, denn Ross und Reiter sind wieder fit. Ich freu mich darauf. Und nun noch die Post erledigen und dann ist´s wieder mal Mitternacht, Tagesschau-Zeit zu Hause.

 

                                                       Von diesen Köstlichkeiten (links) habe ich mich mit drei Kilo ausgerüstet. Da komme ich so bald nicht wieder ran

 

 

Bischkek, Hauptstadt Kirgisistans, am 21.08.2019 

 

Zwei wunderschöne Tage zwischen Osh und Bischkek. 

 

Ich hatte geplant, den kürzeren Weg (750 km) direkt zum Issikul-See zu nehmen aber als ich rauskriegte, dass der größte Teil der Straßen unbefestigt oder in schlechtem Zustand ist, nahm ich den längeren Weg über Bischkek. Nach einhundert Kilometern hatte ich mich durch die vielen Ortschaften gewühlt und es fing an schön zu werden.

 

 

Drei Stauseen hintereinander füllten ein langes Tal, wohl über zwanzig Kilometer.

 

 

Das Gasthaus, das ich mir für die Nacht ausgesucht habe, stand einsam auf einer Klippe am Toktogul-Stausee da hinten am rechten Ufer. Zum Glück existierte es tatsächlich, denn in hundert Kilometer im Umkreis gab es kein zweites. In einer Hollywoodschaukel am Abgrund genoss ich den Abend und den Sonnenuntergang.  

 

 

Mein Zimmer mit See-Blick war preiswerter als sonst diese „Kategorie“. Auf die Frage, ob ich denn Fisch essen könne zum Abend: „Wir haben auch gar nichts anderes. Forelle mit rosarotem saftigem Fleisch und super gebraten. Herrlich.

 

 

Nach der Umrundung des Sees hätte ich nochmal die Gelegenheit gehabt, direkt zum Issikul-See (350 km) abzubiegen. Als ich dann aber den Einstieg in Form eines Sandweges sah, fiel mir die Entscheidung nicht schwer, dann lieber auf der Hauptstraße zu bleiben und die 450 Kilometer nach Bischkek zu fahren.  Eine gute Entscheidung, denn die Landschaft, die ich dann am zweiten Tag zu sehen bekam war unglaublich schön.

 

 

Hier füllte ich meinen Honigbestand wieder auf. Viele Hirten-Familien wohnten in den Tälern, in abgefackten Bauwagen oder in Jurten.

 

 

Die Einladung in die Jurte nahm ich gerne an, nachdem ich Pferd, Reiter und Sattel bestaunt habe. Der Sattel bestand aus Holz, lederüberzogen und war ein sehr schön. Ich bekam von der alten Hausherrin eine große Schale saurer (bissig saurer) Stutenmilch und Brot serviert. In das schöne alte hölzerne „Butterfass“ wurden 2 Eimer Stutenmilch geschüttet und durchgestampft. Ob da am Ende Butter rauskam, weiß ich nicht. Die Jurte wird getragen von einer Leistenkonstruktion mit Zeltbahn überzogen, oft auch aus einer Matte aus roher ungesponnener Schafwolle. An den Wänden farbenprächtige dick gewebte Tücher und Hausrat und der Lehmboden ist mit Teppichen ausgelegt zum Sitzen, Essen und Schlafen. Gekocht wird mit getrockneten Kuhfladen, wie so oft in Gegenden, in denen kein Holz wächst.

 

 

Geweidet werden vor allem Pferde, Schafe und weniger Rinder. Die Milch der Pferde spielt eine große Rolle, ob sie auch fürs Fleisch geschlachtet werden, bekam ich nicht raus. Die Oma gerbte Schaffelle. Sieht ´n bisschen komisch aus aber sie hatte nach dem einreiben mit der milchigen Brühe das Fell gerade zusammengeschlagen. 

 

 

Diese Hochebenen mit den schneebedeckten Gipfeln ringsum sind wunderschön. Zweimal ging es auf Pässe mit über 3.000 Meter hinauf, auf den zweiten ziemlich spektakulär und oben durch einen eiskalten aber diesmal beleuchteten Tunnel.

 

 

Der Abstieg nach dem Tunnel durch den Gipfel war dann noch verrückter. Durch eine enge Schlucht ging es dann zweitausend Höhenmeter runter bis in die Ebene im Norden von Kirgisistan, in der auch die Hauptstadt Bischkek liegt.

 

 

Es waren zwei herrliche Tage im Sattel, in denen mal beides zum Zuge kam: Spaß am Fahren auf einer sehr guten Straße und das Genießen dieser grandiosen Landschaft. Mal sehen, was noch kommt. Viel Kirgisien bleibt mir leider nicht mehr. Morgen breche ich auf zum Issikul-See, den ich rechts rum umrunden will, weil ich mir die schönere Südseite für den Schluss aufheben will. Und wenn mir noch ein paar Tage bleiben, dann will ich noch mal in die Berge südwestlich vom See. Für einen 50-km-Streifen zur chinesischen Grenze braucht man eine Genehmigung, die eine Woche lang bearbeitet wird. War heute bei der Grenzbehörde. Heute habe ich wieder den Fahrradmarkt und dort eine Kupplungsarmatur mit 100mm-Gewinde gefunden, in das mein Originalspiegel passt. Die Klebung mit Harz hielt nicht und er war inzwischen wieder abgebrochen. Den ich in Osch gekauft habe, macht einen zu kleinen Bildausschnitt, zittert und ist nicht zu gebrauchen. Ich musste allerdings ein bisschen basteln, bis die Kupplung ordentlich funktionierte. Über die Stadt gibt’s nicht viel zu berichten, außer, dass sie voller Autos ist, die sich alle so gut es geht, das Leben gegenseitig möglichst schwer machen. Ich schlafe übrigens mit sechs Leuten im Männer-„Dormitor“ eines Hostels mit vier Doppelstockbetten.

 

Die Rückreise hat begonnen bei km 10.000

 

 

Am Issikul Lake, 25. und 26. August 2019

 

So, nun bin am Ziel, d.h. heute war der erste Tag meiner Rückreise und ich fühle mich jetzt, wo der Herbst, von dem die Leute mir vor vierzehn Tage gesagt haben, dass er jetzt beginnt, ganz schön weit entfernt von zu Hause. Bis vor vierzehn Tagen war es von Kasachstan bis hierher durchgehend um 45 Grad heiß, dass auch die Leute hier unter der Hitze gestöhnt und von einem ungewöhnlich heißen Sommer gesprochen haben. Vor vierzehn Tage gab es den ersten „kalten“ Abend und danach wurden auch die Tage trotz Sonnenschein frisch. Der Herbst, von dem die Leute meinten, dass er jetzt beginnt, kam wirklich von einem auf den anderen Tag.

 

 

Ich habe mir natürlich schon längere Zeit Gedanken darüber gemacht, wie die Rückreise aussehen könnte und hatte kühne Pläne. Besonders dann, wenn meine Beta wieder mal repariert war, die Straße gerade mal gut war und der Motor behaglich schnurrte. Der kühnste Gedanke dabei war, bis hinauf zum Baikal-See zu fahren und durch Taiga und Tundra und den Kaukasus oder dort von Irkutsk bis Moskau mit der Transsibirischen Eisenbahn zu fahren. In letzterem Fall hätte ich nichts von Russland, dem Land meines Freundes Wladimir Putins, auf das ich mich sehr freue. 

 

Die nächste Variante wäre von ALMATY (Alma Ata) über ASTANA und PETROPAWLOWSK nach TSCHELJABINSK, in Russland und weiter über UFA, SAMARA usw. nach Westen durch die dünn besiedelte Tundra und einige tausend Kilometer Umweg. Alles übermütige Träume, zumal in der fortgeschrittenen Jahreszeit! Aber Träume sind ja zum Träumen da.

 

Übrig geblieben ist nun etwas weniger Kühnes: 

Ich habe noch zwei Wochen, um an der russischen Grenze aufzutauchen und um Einlass zu bitten. Davon will ich die Hälfte nutzen, um nochmal in die traumhafte Bergwelt Kirgisiens einzutauchen, und hoffe auf „gnädige“ Schotterpisten. Dann in TARAS über die Grenze nach Kasachstan und 2.000 Kilometer geradeaus nach Westen durch meine „geliebte“ kasachische Steppe an die Grenze und nach OHRENBURG in Russland. Der kürzeste Weg ginge über Moskau. 6.016 Kilometer. Dabei wird es nicht bleiben, denn ich habe was anderes vor. Davon später irgendwann … 

 

                          Blick vom Südufer nach Norden. Das Wasser ist kristallklar. Das Wolkenband liegt über der Bergkette, hinter der Kasachstan liegt.

 

Der Yssykköl-See (Issikul-See), übersetzt: der „heiße See 

 

Hier zitiere ich einfach mal Wikipedia: 

„Nach dem südamerikanischen Titicacasee ist der im Tianshan-Gebirge liegende See mit 6236 km² Fläche der zweitgrößte Gebirgssee der Erde. Er befindet sich im Gebiet Yssykköl, ist 182 km lang, 60 km breit, bis 668 m tief und liegt 1607 m über dem Meeresspiegel. Man nennt den See auch das „Herz des Tianshan“. Nördlich des Sees liegt die Bergkette des Kungej-Alatau, südlich befindet sich die Kette des Terskej-Alatau. In den Yssykköl münden 118 Flüsse“. 

Er heißt „heißer See“, weil er auch im Winter bei -20 Grad niemals zufriert. besitzt also mehrere Zuflüsse, aber keinen Abfluss. Über längere Zeiträume schwankt der Wasserspiegel deshalb durch lokale Klimaveränderungen stark. Bis heute führt die russische Marine hier Torpedo-Tests durch. Es heißt, er sei fischreich besonders mit Arten des Karpfens, Lachsfische und Regenbogenforellen (alles aus Wikipedia). Ich jedenfalls habe weder irgendein Boot noch einen dieser tollen Fische auf meinem Teller zu sehen bekommen. Nein, die Leute sagen, er war fischreich. Durch Stellnetze wurde er überfischt.

 

Nun aber zurück zu den letzten Tagen. Die waren wieder einmal alles andere, als langweilig. 

 

Vom Nordufer ist nicht viel zu erzählen. Auf der Straße ging es immer etwa einen Kilometer vom vom See entfernt entlang. Am See gab es ein paar, meist verwaiste „Badeorte“, u.a. diesen Jurten-Zeltplatz. Traditionell besteht die Außenhaut aus gefilzter roher Wolle und ist so dicht, dass kein Regenwasser durchdringt.

 

 

Ein paar Bilder vom Straßenrand

 

Nach 400 Kilometern kam ich in Karakol am südöstlichen Ende des Ysykköl-Sees an und kam in einer der vielen Gästehäuser unter. Karakol ist der Ausgangspunkt für viele spektakuläre Bergtouren ins Tien-Shan-Gebirge mit vielen Gipfeln über 5.000 Metern.  Am nächsten Tag machte ich mich zum Ala-Köl auf, einem See, der auf 4.000 Metern Höhe liegt. Wie fast immer fuhr ich ziemlich ahnungslos los, zumal mir mehrere Leute mit Blick auf meine BETA sagten, dass ich bis zum Basislager auf etwa 3.000 Metern mit dieser Maschine (!) fahren könne. Also los – allerdings nur bis zum ersten Klamottenfeld, das noch harmlos war, wie ich später merkte.

 

Geübte Bergwanderer laufen vier Stunden aufwärts. Der bin ich leider nicht und schon gar nicht nach drei Monaten im Motorradsattel. Ich stellte die Maschine beim letzten Haus unter, packte alle meine warmen Sachen und was zu essen in meinen kleinen Rucksack und heuerte das „TAXI“ an, das dort auf Eingeborene oder Leute wie mich wartete.

 

Das TAXI mit Allrad-Antrieb, zwei Vorgelege-Gängen für Kriechgang und Differenzialsperre aus guter russischer Produktion war schon abenteuerlich, der Weg hinauf allerdings noch mehr. Unglaublich, wie so ein Gefährt, das aus der Urzeit des Automobils zu sein scheint, über die Klamotten klettert. Das Angebot, selbst zu fahren lehnte ich dankend ab, denn so geschickt hätte ich nicht in den Getrieben rumrühren können. 

 

An dem ersten Hindernis da hinten, gab ich auf und nahm das „TAXI“. Da wäre ich nie heil raufgekommen. Ankunft im Lager nach zwei Stunden

 

                                                                                                Ein Samowar anno 1902

 

Ich bezog eine Jurte mit zwei Südkoreanern und bekam ein Abendbrot mit Reis, Suppe und Gemüse, Salat, Tee und ein Lunch-Paket für den nächsten Tag. Hier in Kirgisien sind übrigens Leute aus aller Welt von Neuseeland bis Kanada unterwegs. Vom Lager aus stand für den nächsten Tag ein Fußmarsch, wieder von drei bis vier Stunden (wohlgemerkt für fitte Wanderer) an mit einer anschließenden 500m-Kletterpartie steil die Felsen rauf auf die Höhe von 4.000 Metern. Dort ist man dann im Schnee wird man mit einem Blick auf den Ala-Köl-See und die schneebedeckten Berge belohnt. Den Fußmarsch mit meinen dünn und glatt besohlten Motorradschuhen hin und zurück an einem Tag traute ich mir nicht zu und vereinbarte den Weg auf dem Rücken eines Pferdes zu absolvieren. Die schneebedeckten Gipfel hüllten sich am Abend in Wolken und es nieselte leicht. Kalt wurde es sowieso.

 

 

Es ging sehr schnell, dass ich Vertrauen zum Pferd bekam und mich sicher hoch über dem Erdboden fühlte. Das war auch notwendig bei den „Schikanen“, die noch kommen würden. Ich hatte alles angezogen, was ich für kühlere Zeiten auf dem Motorrad dabei hatte und eine dünne Regenjacke vom Camp drüber. Die Beine aber waren nass und ich fror zunehmend. Nach einer Stunde waren wir am ersten der drei kleinen Seen und ich fror wie ein Schneider, kam kaum vom Pferd runter, hatte steife Knie, bibberte und musste ein paar Runden laufen, um aufzutauen. Wir wechselten die Jacken und es ging dann besser, der Regen hörte auf und die Wolken wurden lichter.

 

 

Nachdem ich langsam aufgetaut und der Sattel gerichtet war, fing es an, mir Spaß zu machen, vom Pferderücken aus, die Schönheit der Bergwelt zu genießen.                                                      

                                                                           Links am Berg vorbei über Geröll auf engen Serpentinen einen steilen Hang hinauf zum dritten See

 

                Und dann diesen Abhang wieder runter, durch das schöne Tal und am dem Kamm des Berges im Hintergrund auf den Gipfel

 

                                                                                              Ja, da woll´n wir rauf ...

 

                                                 … für diesen Blick, rundum schneebedeckte Gipfel und darunter die schönen Täler

 

Links: das Tal mit dem Jurten-Camp, aus dem wir gestartet sind und rechts das Tal, das hinauf zum Ala-Köl-See führt, vor dem ich wegen der Kletterpartie (rot umrandet) gekniffen habe. Unsere Tour war sehr schön, auch wegen der Erfahrung im Sattel in so einem Gelände und in solch grandiosen Landschaft. Bedauert habe ich´s dann doch ein bisschen, es nicht versucht zu haben.

 

 

In solchen Augenblicken ist die Welt in Ordnung für mich und ich bin glücklich, an diesem Ort zu sein, vergessen alle Mühsal, die gelegentlich dazugehört hierher zu gelangen, zehntausend Kilometer weit weg von zu Hause. Und dann auch noch nach einer völlig neuen Erfahrung, auf dem Rücken eines Pferdes auf einen Gipfel getragen zu werden, von dem man so herrliche Ausblicke hat!.

 

 

Hier muss ich mal ein paar Worte zu den Talenten dieser Pferde verlieren. Man sagt es so leicht dahin: „na, die sind an die Bedingungen in den Bergen gewohnt“ – wenn man sich dann aber diesem Tier anvertraut, bekommt der lapidare Satz eine ganz andere Bedeutung. Die Bilder, die ich gemacht habe, können nicht wiedergeben, welche Schwierigkeiten die Pferde intelligent meistern. (dort, wo es schwer ist, kommt man nicht auf Idee, die Kamera raus zu kramen, wie o oft, bei ähnlichen Situationen). Ob steil bergauf oder herunter, durch dicht aneinander liegende Felsbrocken hindurch, über loses Geröll, über seitlich abschüssiges Gelände, über hohe Stufen aus Fels, durch Bäche oder an den feuchten grasbewachsenen Hängen – immer tun die Tiere das Richtige. Mein Pferd regierte auf den Hauch eines Zuges am Zügel bereitwillig – aber nur, wenn es der gleichen Überzeugung war oder nicht gegen seine Erfahrungen gerichtet war. Bei schwierigen Passagen durch Felsen hindurch oder darüber, oder wenn es mehrere Möglichkeiten gab, stockte es kurz, überlegte (?) und entschied sich für das Beste, manchmal aber auch für das bequemste. Und dann musste ich nachhelfen. Besonders umsichtig sind sie abwärts. An freien Hängen suchen sie selbst das richtige Gefälle, um in Serpentinen abwärts zu gelangen (besonders auf dem feuchten Gras) manchmal auch das bequemste, dass man mit den Zügeln daran erinnern muss, dass man aber abwärts muss, um zum Beispiel zu einer Stelle zu gelangen, durch die man durchmuss. 

                                                                                                                                                                                                            Auf dem Heimweg

 

An den richtig steilen gerölligen Abhängen waren schmale Trampelpfade mit engen Spitzkehren ausgetreten, wo sie auf der Hinterhand drehen mussten, kopfüber runter, schwieriger als rauf. Wenn ein steiler Anstieg vor uns lag, zeigte er deutlich, dass er keine Lust darauf hat und wollte nicht. Da halfen dann nur kräftige Anordnungen mit den Hacken. Das reichte dann zum Loslaufen, einmal im schwierigen Abschnitt, gab´s dann keine Disziplinschwierigkeiten mehr. Und wieso fallen sie mitsamt ihrer Last nicht um, wo sie doch die Hufe in einer schmalen Spur hintereinander setzen, wie finden die Hinterhufe den sicheren Halt. Damals am Nanga Parbat war der Weg einfacher und trotzdem fühlte ich mich nicht so sicher. Anders als auf meiner Beta in schwierigem Gelände kann ich nicht den Blick vor den Metern vor mir abwenden. Hier im Sattel konnte ich beides gleichzeitig genießen – die Landschaft um mich herum UND das Reiten. Schwierig wurde es nur, wenn er in leichten Trab verfiel. Ich fand nicht diesen Rhythmus, den man braucht, um es für Pferd und Reiter angenehm zu machen. Ich muss mal eine Stunde bei Matthias Neubauer nehmen… 

Also ich wollte mit meinem ausführlichen Versuch zu beschreiben, was ich im Sattel empfunden habe, nur meine Hochachtung für das Können dieser Tiere und ihre Ergebenheit zum Ausdruck bringen. So groß und doch so sanft und treu.

 

 

Im Lager angekommen, gab´s einen heißen Tee, es regnete wieder, nach ´ner Stunde fuhr ein Taxi, diesmal in Form eines Jeeps los, in dem für den Opa aber nur noch im engen „Kofferraum“ ein harter Kotflügelkasten für die nächsten zwei Stunden frei war, während sich eine junge einheimische Familie sich in den gepolsterten Sitzen lümmelten.

 

 

Solche zu Tal stürzenden Flüsse kristallklaren Wassers regen zum Schwärmen aber auch zum Nachdenken an. Ursprung und Quell allen Lebens und so gefährdet. Die Schneefelder und Gletscher, die als Speicher die großen Flüsse dieser Welt (Mekong, Brahmaputra, Ganges, Missisippi usw.) meistens das ganze Jahr über speisen und hunderten von Millionen Menschen das Leben ermöglichen, werden versiegen, wenn das eintritt, was man befürchten muss.. 

Als ich unten angekommen „gesattelt“ hatte und starten wollte, war meine Batterie leer und nach Fremdstarten erreichte ich mit der Dunkelheit wieder Karakol. Am nächsten Tag auf dem Weg hierher, nach Kaji-Say machte ich noch ein Abstecher in die Berge hinein zu diesen beeindruckenden roten Sandsteinfelsen

 

 

Jetzt wohne ich hier in einem charmanten Relikt aus den guten alten Sowjetzeiten in einem Erholungsheim für Bergarbeiter vor allem aus dem Uran-Bergbau. Dabei geht mir aus der Kinderzeit der Begriff „ARTEK“ durch den Kopf, der für ein berühmtes Kinderferienlager auf der Krim steht. Genau die Vorstellung, die ich damals davon hatte, ist hier Wirklichkeit. Es liegt etwas erhöht über dem wundervollen blauen, klaren und endlos groß erscheinendem See. Die Wassertemperatur ist ungefähr 20 Grad, die Luft ist inzwischen trotz Sonnenschein auch nicht mehr viel höher. Ich werde mich also sputen müssen. Gestern hatte ich den ganzen Tag, zwischen Badegängen, totalen Frust mit dem Internet: tröpfchenweiser Durchlass und hundert Male komplett Null. Das war frustrierend und macht überhaupt keinen Spaß, weil ich so keine vernünftigen Gedanken zu Papier bekommen kann. Ich entschied mich noch einen Tag zu bleiben.

 

 

So, das ist nun mein letzter Abend am Yssykul. Und der hatte einige Überraschungen parat. Ich bekam in einer Jurte eine gebratene Yssykul-Forelle serviert. Auch wenn sie vorher eingefroren war und nicht mehr so ganz frisch schmeckte – wenigstens einen Fisch aus dem berühmten See bekam ich am Ende doch noch auf den Teller.

 

Im Hintergrund hörte ich wunderbare Musik, die aus der Küche, einer kleinen Hütte am Strand. Während ich in der Jurte über meiner Forelle saß, kam ein Gruß von Marianne, mit dem sie mir für 35 gemeinsame Ehejahre dankte und ein Glas Sekt darauf trinken wollte. Heute ist unser Hochzeitstag, den ich/wir meistens verschlafen haben. Ja, Danke auch Dir liebe Marianne. Ich wünsche uns noch viele schöne gemeinsame Jahre. Auch wenn ich immer wieder mal kurz weg bin (in der Zukunft vielleicht nicht mehr so oft?). So ist es, wenn man sich auf einen Seemann einlässt. Wo ist nur die Zeit geblieben? Verplempert haben wir sie jedenfalls und glücklicherweise nicht und wir können glücklich sein, so ein abwechslungsreiches Leben gelebt zu haben.

 

 

Nachdem nur noch die Gräten übrig waren, schaute ich in die Küche, wo vorher die schöne Musik hergekommen und inzwischen verstummt war. Drei Frauen schwatzten miteinander, von denen die jüngste ein schlankes Saiteninstrument, eine kirgisische Komuz, im Arm hatte. Ich stellte mir einen der allgegenwärtigen Stapelstühle in den Sand vor der Tür und bat sie, doch noch ein bisschen zu spielen. Die Musik hat mich in der Situation und der Stimmung, in der ich mich am Wendepunkt meiner Reise gerade befinde, so berührt, dass ich die Tränen nicht zurückhalten konnte, so dass das Mädel sich am Ende bei MIR bedankte. Lustig. Jedenfalls war ich ihr sehr dankbar, dass sie mich für eine kurze Zeit so bezaubert hat. Solche Momente sind rar auf meiner Reise aber tun unheimlich gut. Es stelle sich heraus, dass sie am Konservatorium studiert oder studierte.

 

 

Uta (Gau), die mir bei meiner Internetseite immer wieder mal Steine aus dem Weg räumt, teilte mir kürzlich mit, dass sie nun einen Weg gefunden hätte, Vidieos  ohne sie vorher auf Youtube hochladen zu müssen, einbauen zu können. Ich schickte ihr heute ein paar mit dem Handy gemachte, u.a. von diesem Erlebnis. Vielleicht gibt es morgen ein paar bewegte Bilder auf meiner Seite und vielleicht kommen die Musik und der Gesang in kirgisischer Sprache banal rüber, aber mir taten sie gut.

 

 

Für die letzten Tage in Kirgisistan habe ich mir noch was vorgenommen, was mir mit meiner zarten BETA vielleicht nicht gelingen wird, Morgen starte ich, um über einen kleinen Umweg nach Kogschkor zu fahren. Dort werde ich Tank und meine zwei Kanister voll machen und versuchen, zum Song-Köl-See („Köl“ heißt schon „See“, aber zum Verständnis setze ich noch einen dt. See dahinter) zu gelangen. Ich befürchte, da es hoch hinauf geht, dass die Piste, so, wie im Bartang-Tal für meine überladene zarte und stuckernde Diva nicht einfach sein wird. Oben am See soll es ein Jurten-Camp geben. Wer nichts weiter zu tun hat, kann ja mal die Karte „aufzoomen“, um meinen Kugelschreiberstrich zu finden.

 

Auch wenn ich viel Zeit für den (vielleicht viel zu) langen Yssykol-Bericht vergurkt habe, war es sehr schön, an diesem Platz eine Pause einzulegen. Als der freundliche „Pionierleiter“, der in seinem zerschlissenen und farbbeklecksten Hausmeisterkittel eher als ein solcher rüberkommt, erfuhr, dass heute unser 35-jähriger Hochzeitstag sei, spendierte er zwei halbe Liter heimisches Bier und eine geräucherte saftige Forelle mit Gratulation an die Gattin zu so einem tollen Mann. Ich danke ihm. Auch die Bemerkung, dass es wohl daran läge, dass wir uns so gut verstünden weil ich aus GDR komme, tut gut (alles auf Russisch). 

 

Zwischendrin das Foto einer tollen Familie aus Bischkek. Die Frau ist leider nicht dabei. Wir haben viel miteinander geredet. Ihre Urgroßeltern waren Deutsche aus Südrussland (wo?).  Der Urgroßvater war Ingenieur und Generaldirektor des Donezker Wasserkraftwerkes. 1939 wurde er von Stalin nach Deutschland und der Rest der Familie, wie so viele nach Kasachstan „umgesiedelt“. Lustig. Der Vater ist wahrscheinlich russisch, die Mutter kirgisisch und der kleine Blondschopf (blond: völlig aus der Norm hier) durchgeschlagen aus den deutschen Wurzeln. Überhaupt hatte ich hier im „Artek-Pionierlager sehr schöne Begegnungen mit hiesigen Leuten, die hier ein paar Tage Urlaub verbringen. 

 

Und rechts: das sind ein paar Exemplare der Schätze, sie ich seit OSH oder schon seit früher in meinem linken Koffer habe. In Osch kamen drei Kilo hinzu – nun habe ich noch die Hälfte davon. Rechtsrum: Pfirsich, mit dünner Schale leicht zu knackende Mandeln, getrocknete Aprikosen (lutschen sich während des Fahrens hervorragend), blaue Rosinen, Erdnüsse, Datteln, kandierte Erdnüsse, Eine Wallnussart, mit ganz dünner glatter Schale und einem unglaublich intensiven „Schokoladen“-Geschmack. Ich habe ähnliche Nüsse schon mal vorher gegessen aber nicht mit diesem starken Geschmack. Und schließlich Pistazien, anscheinend aus der Region. Der Kanten trocken Brotes, den ich immer dabeihabe, passte nicht aufs Bild. Ende.

 

 

Kotschkor am Songköl-See, am 29.08.2019 

 

Der heutige Tag? Von allem was, aber das kräftig: Freude, Pech (Dummheit) und Schmerz. 

O.k. der Songköl liegt noch einhundert Kilometer von der Stadt entfernt, ist aber einer der beiden Ausgangspunkte für eine Exkursion zum See. Gestern Abend kam ich hier bei einer lieben Familie die Betten vermietet, unter. Ich bekam, auch schon vorher im Ort so unterschiedliche Meinungen zur „Qualität“ des Weges hoch zum See, dass ich mich entschied, die Koffer abzubauen und ein kleines, auf das Allernotwendigste beschränke Ränzlein zu schnüren. Über die Tour dann hinter dem See über zweihundert Kilometer durch die Pampa, bekam ich gar keine Aussage. Meine Gastgeber borgten mir einen robusten Rucksack. Ich fand den Gedanken so gut, dass ich mich gleich für ein paar Tage abmeldete.

                                                              Die nächsten Bilder sind noch vom gestrigen 50km-Umweg, weg von der Hauptstraße vom Yssyköl hierher.

 

Die vierzig Kilometer Straße, bis ich abbiegen musste, waren so perfekt, dass ich mir dachte, die könne nur von den Chinesen im Rahmen ihres ehrgeizigen „Neue-Seidenstraße-Projektes“ gebaut worden sein. Später bekam ich das doch tatsächlich bestätigt. Sie führt nämlich von Kaxgar/China zur kasachischen Grenze, wo ich rüber will später. Breit, mit einem erstklassigen Belag schlängelt sie sich durch die Berge. Sie soll damit Zentralasien für China erschließen und „Russlands wirtschaftlichen Einfluss“ in der Region schmälern, wie mal ein Schlauberger, wie üblich gehässig, wenn's um Russland geht, in „ZEIT-online“ absonderte.

 

                             Asphalt und Schotter im Wechsel. Vorräte an Brennmaterial zum Kochen und Heizen im Winter: Briketts aus Kuhfladen. Friedhof

 

Noch 60 Schotter-Kilometer vom Songköl-See entfernt wurde ich an der Straße in einem „Café“, wie die bescheidenen Restaurants hier heißen, mit einem wunderbaren gebratenen 1kg-Fisch aus dem See begrüßt. Er schmeckte wunderbar und trotzdem schaffte ich nur die Hälfte (die zweite Seite nahm ich mit auf die Reise). Der Einstieg war bei etwa 2.000 Metern und nach dem ersten Anstieg wurde ich schon mit dieser Aussicht ins Tal hinein begrüßt, dass ich durchmessen wollte. 

                                                                                                                                                                                                   Das war nun also heute

 

Die Gegend ist dünn besiedelt, ab und zu mal ein Bauernhof mit Ställen fürs Vieh, wenn´s im Winter -45 Grad sind

Und dann hoch auf den Pass (3.200 m)

 

Der erste Blick auf den Songköl-See

 

Entbunden von der Last des Gepäcks am Heck hatte ich das reine Fahrvergnügen. Auf den Gashahn und immer drüber über die Klamotten, den losen feinen, rollenden Schotter und vor allem über kilometerlange Waschbretter. Keine Angst vor Rahmenbruch und trotz der miserablen Federung vorne – ich musste mir keine Gedanken um die Maschine machen. Sie summte wie ein Bienchen und gehorchte freudig aufs Wort, pardon, den Gashahn. Die Luft hatte ich bis aufs vertretbare Minimum (?) abgelassen. So übernahmen die armen Reifen die Feinarbeit der Federung. Da wird man wieder jung!

 

Aber nicht mehr lange, denn zehn Kilometer weiter sah ich stattdessen ziemlich alt aus, als unversehens mein verdrehter Fuß unter der Maschine eingeklemmt war, höllisch weh tat, dass ich Schlimmes befürchtete und ich ihn nicht rauskriegte.

 

 

Irgendwann schaffte es doch und setzte mich ins Gras, um die Wunden zu lecken, die schmerzenden und die Mentalen. Denn wieder war die Spiegelaufnahme an der Kupplung und der Kupplungshebel selbst abgebrochen – mein Bein zum Glück nicht, das tat nur höllisch weh. Ich bekam sie nicht aufgerichtet, weil die Räder erhöht auf dem kleinen Schotterwall am Straßenrand lagen und ich die Maschine auch nicht davon heruntergezerrt bekam. Irgendwann hatte Warten auf ein Auto auch keinen Zweck mehr und das Benzin tropfte aus dem Tank. In der Ferne trat jemand aus der Tür einer Hütte, ich rief, machte den Hampelmann mit den Armen und siehe da, Kinder kamen angelaufen. Mit den beiden Burschen schafften wir es bei „ras, dwa, tri“. Da stand sie nun. Ohne Kupplungshebel. Wie komme ich nun hier weg? Alles zur Reparatur war in den Koffern in meinem Quartier.

 

 

So sah dann die Lösung aus:

 

Den Kupplungshebel auf dem Motorblock setzte ich so auf die Verzahnung auf, dass er nach außen, vom Motorrad weg, zeigte und mein Kerzenstecker, der mir nun zum zweiten Mal neben seiner eigentlichen Funktion aus einer Klemme half. Er passte als Verlängerung auf den kurzen Hebel und sogar die Löcher passten überein für eine Schraube mit Mutter. Toll! -der Draht? Nur zur Sicherheit gegen Verlieren. Die Kinder hatten Spaß daran, dem Esel den Rückspiegel anzupassen und bekamen jedes einen Schein. Nach Trockenübungen fand ich raus, mein Patent am besten zu nutzen. Kuppeln mit der Wade war die Lösung und klappte ganz gut durch alle Gänge, denn den Fahrspaß, den ich vorher hatte, wollte ich mir nicht nehmen lassen. So hatte ich auch eine schöne Rücktour. Nur den See habe ich mir verkniffen, weil ich nicht wusste, wieviel Sprit ausgelaufen war. Ich hatte ja meinen Spaß.

 

 

Noch einmal Kotschkor am Songköl-See, am 01.09.2019 

 

Vom Ausflug nach Naryn gibt´s nicht viel zu berichten. Ich fuhr aus der Stadt weiter 100 km auf der guten „chinesischen“ Straßen, weil die Region auf der Karte vielverssprechend aussah, war´s aber nicht. Flaches Hochland bis zum Horizont flankiert von einer teils schneebedeckten Bergkette auf der östlichen Seite. Abseits in den Bergen hätte ich noch eine alte Karawanserei besichtigen können, ließ es aber. Vor dem Grenzübergang nach China dann geht es hinauf auf einen spektakulären viertausender Pass, den verkniff ich mir auch, weil dann vielleicht mein Sprit für die Rückfahrt nicht gereicht hätte. Es war nur wenig LKW-Verkehr auf der Straße – so groß ist also der „chinesische Einfluss“ durch die Neue Chinesische Seidenstraße noch nicht….

 

 

Vor Naryn, Einfahrt nach Naryn. Kennt den noch jemand, den alten WOLGA neben dem LADA?

 

Am nächsten Tag, also gestern drehte ich nach 25 Kilometern auch wieder auch wieder um. Geplant war ein weiter östlicher Bogen durch meist unbewohntes Gebiet und Schotterpisten, weil schon die Straße, die anfänglich noch Dörfer verband, so steinig war, dass ich keinen Bock mehr hatte. Da schien es mir reizvoller zu sein, nochmal zum Songkul-See hinauf zu fahren aber auf einer anderen Piste von Naryn aus.

 

 

Die Freude bis an den See währte etwa 80 abwechslungsreiche Kilometer lang. Nur wenige Orte auf der Welt erlebte ich, die so eine Ruhe ausstrahlten und so vollkommen schienen.

 

 

Der untere Teil des „Kletterns“ um eintausend Höhenmeter zum zweiten Pass

 

 

Kein Wunder, dass sich hierbei mein noch gefüllter Benzinkanister aus seiner Strippenbefestigung befreien wollte und nur noch am seidenen Faden hing

 

Der obere Teil des Aufstiegs

 

 

Auf der Hochebene, auf der der See bei 3.000 m liegt, zeigten mir die Schafe, was sie von Touristen halten, die ihr Paradies stören. Sie drehten mir die Ärsche zu und straften mich mit Verachtung. Es waren viele Hirtenfamilien mit ihren Tieren auf den Sommerweiden, die ihre Jurten aufgebaut hatten. Und dann kam der Songköl-See in Sicht.

 

 

Und so sieht ne „Waschbrett-Piste aus. Davon hatte ich etwa 30 Kilometer auf dem Weg runter, den ich nun zum Dritten mal fuhr.

 

 

Nach 250 Kilometer durch diese traumhaft schöne Landschaft, zehn Stunden im Sattel, hatte ich mir das Abendbrot an der Fischbratküche wohl verdient. Es war dunkel, als ich bei meinen gastfreundlichen Wirtsleuten ankam.

 

 

Heute habe ich nun Vorbereitungen für die Rückreise getroffen. Motorrad gewaschen, alle relevanten Schrauben angezogen, Luft aufgefüllt, Sachen eingeräumt und die Koffer angebaut. Ein erneuter Versuch, meine Original-Kupplungsgarnitur zu kleben, ging wieder schief. Alle Spirenzchen, die ich noch im Kopf hatte, lasse ich sein und fahre morgen nochmal in die Hauptstadt Bischkek und von dort aus geht´s dann aber wirklich auf die Heimreise. 2.000 Kilometer kasachische Steppe – ein bisschen Respekt, um nicht zu sagen Bammel habe ich schon davor. Und wirklich Lust? Keine. Ich kauf mir in Bischkek 20 Meter Leine und wenn sich die Möglichkeit ergibt, lade ich sie auf irgendein Fahrzeug auf und lasse mich kutschieren. Mal sehen. Heute wurde es am Abend ziemlich kalt und über den Bergen hingen Schneewolken. Zeit, dass ich hier wegkomme.

 

Bishkek, am 02. September 2019 – Abschied aus Kirgisistan 

 

Der schöne Issikul-See war zwar meine geplante und auch tatsächliche „Wendemarke“, die „Boje 1“, wie wir Regattasegler sagen würden, aber gefühlsmäßig beginnt meine Rückreise morgen, wenn ich mit Siebenmeilenstiefeln von Ost nach West 2.000 Kilometer durch die kasachische Steppe eilen will. Mit extremen Temperaturen von 45 Grad und darüber - im Schatten wohlgemerkt, den es in der endlosen Steppe allerdings nicht gibt. Ich habe mir eben mal die Wetterprognosen für verschiedene Punkte und die kommende Woche angeschaut. In den ersten beiden Tagen noch um dreißig Grad und im nordwestlichen Teil werden es nur noch zwanzig oder darunter sein. Ordentlichen Wind werde ich von vorn haben und Regen. Zum Einstimmen auf Hiddensee. Eigentlich schade, dass man heutzutage soweit vorausschauen kann. Wenn´s überraschend dicke käme, wäre es irgendwie spannender. Die Tagesetappen werden von den Übernachtungsmöglichkeiten unterwegs abhängen. Morgen früh will ich nochmal auf den Markt, Strick kaufen – nein, macht Euch keine Sorgen – vielleicht muss ich meine Karre ja mal aufladen und laschen. 

 

Ja, Kirgisistan ist wunderschön. Der größte Teil des Landes ist bergig oder „unter Gebirgen begraben“. Gleich nach der Einreise von Süden und Tadschikistan her, hätte ich links abbiegen und zum Basislager 1 des „Pik Lenin“ fahren können, ging aber leider nicht, so schwierig wie mir der Weg beschrieben wurde. Er ist mit 7.134 Metern der vierthöchste Berg des Pamir und wurde, wie ich gerade lese, in „Pik Unabhängigkeit“ umgetauft (der gleichnamige Tag war übrigens gestern). 

 

Und weil es hier so schön ist, zieht das Land (gewollt) viele Touristen an. Deshalb auch die achtwöchige visafreifeie Einreisemöglichkeit. Leute wirklich aus aller Welt zieht es hierher und sie sind auf den unterschiedlichsten Arten der Fortbewegung unterwegs. Die meisten reisen mit voller Ausrüstung im Rucksack und öffentlichen Verkehrsmitteln, besonders den Kleinbus-Sammeltaxis. Ich habe auch Leute getroffen, die mit ihren Fahrrädern Touren durch die Berge gemacht haben, die andere nicht mal zu Fuß angehen würden. In Bildern habe ich ja einige „Verrückte“ abgelichtet. Ich glaube aber, dass die, die langsam unterwegs sind, mehr von diesem herrlichen Land haben. Beneidenswert aber “bedauert“ habe ich schon den einen oder anderen. Hier sollte man reisen, wenn man fit ist, Freude an Strapazen und an einmalig schönen Bergen, Hochebenen und Tälern hat.

 

 

 

Schön ist es auch zu erleben, wie die Tiere auf den Sommerweiden leben. Gehütet von Hirten im Sattel und ihren Hunden oder frei grasend. Beeindruckend ist die Zahl der Pferde und weniger beeindruckend ist es, wenn sie auf einem Fahrzeug zu Tal gefahren werden. Da ist klar, wo´s hingeht und ich hatte immer die Hoffnung, dass sie es nicht ahnen… 

 

Wegen der Städte muss man hier nicht her. Auch nicht wegen der Dörfer. Nur um den Issikul-See herum habe ich ein paar alte Häuser, im gefälligen traditionellen Baustil gesehen. Ansonsten sind die Dörfer alles andere, als schön anzusehen. Aber so ist das Leben – besonders das der Menschen, die sich mühselig ernähren. Auch wenn die Menschen arm sind – Schulbildung und späteres Studium haben hier einen sehr hohen Stellenwert. Wie das in den Bergen funktioniert, ist mir schleierhaft. Heute ist übrigens der erste Schultag nach drei Monaten Sommerferien und Mädchen wie Jungen waren durchweg in frischen weißen Hemden auf dem Heimweg. 

 

Ich kann es nicht genug betonen, wie toll es ist, dass ich mit meinem rudimentären Russisch so einen guten Zugang zu den Menschen bekomme. Es reicht schon aus, wenn ich – natürlich als Ausländer erkenntlich – auf fragende Blicke oder die Frage nach dem „woher?“, auf russisch antworten kann und auf alles andere, was danach kommt. Dieses Glück habe ich nur als Ausnahme bei den Reisenden erlebt und sehr viele, die ich traf bedauerten das auch. „In der DDR war eben nicht alles schlecht“, auch wenn ich Russisch und noch mehr die Russisch-Lehrer in der Schule gehasst habe. 

 

So, Schluss jetzt. Adieu Kirgisistan. Ich glaube das Land war das Highlight meiner Reise. Nee, Quatsch – DAS Highlight gibt´s auf so einer Reise nicht. Meine gesamte Tour bisher und ich hoffe, auch das was noch kommt, ist ein solches.