Batumi, am 23.05.2019 

Montag, am 20. Mai landete ich abends in Tiblissi, um genau zu sein: in Tiflis. Mit dem Taxi ging´s zum Bahnhof, um ein Ticket für den 8:00-Uhr-Zug nach Batumi zu kaufen. Der war ausgebucht. Also Nachtzug 00:35-06:00 Uhr. Bestelltes Tiflis-Zimmer storniert und noch ein paar Stunden in die Altstadt. Triebwagenzug, 1.Klasse, zwei Plätze zum Zusammenrollen durch die Nacht. Mit Taxi zum vorgebuchten Apartment in Batumi.

 

 

7:00 Uhr war sicher etwas ungewöhnlich zum Einchecken; die Vermieter lagen noch in den Betten. Tengo, fährt als Dritter Ingenieur zur See und fuhr mit mir gleich los zum Containerhafen. Das war ein Segen. Obwohl die Auslieferung der Autos und Waren mit Hafen und Zoll sehr gut organisiert waren, musste man erst mal durchblicken, wie´s funktioniert. Dann hieß es, „meine Maschine haben sie nicht aus dem Container ausgeladen“ und wüssten nicht, wo sie ist. Bis ein Schlauer auf die Idee kam, mal in den Ford Transit reinzugucken. Schwierig wurde es, als meine Passnummer nicht mit den Zoll-Dokumenten zusammenpasste. Zweimal musste es von Deutschland aus korrigiert werden, bis das online-Formular meine Maschine gegen eine kleine Gebühr freigab. Alles war dran und alles noch drin. Schön. Nebenbei war es schon mal ein kleiner Vorgeschmack auf die auf mich zukommenden Sprachprobleme…

 

Es hat die viel geregnet hier an diesen drei Tagen. Ich war immer mal ein paar Stunden in der Stadt, u.a. mit der Seilbahn auch über der Stadt, habe es aber auch gebraucht, erst mal anzukommen und meine Sachen und mich selber zu ordnen. Bis in die letzte Stunde gab es zu Hause noch Dinge (u.a. meinen kleinen Rechner) in Ordnung zu bringen und Dinge zu regeln. Schade.

 

 

Tengo, 38 Jahre. 

Er fährt bei internationalen Reedereien seit über 10 Jahren als 3rd engineer und wird trotz vieler guter Referenzen seiner Chiefs nicht um Zweiten befördert, was erheblich mehr Heuer bedeuten würde. Seit zwei Tagen ist dazu ein Skype-Interview mit (s)einer griechischen Reederei vereinbart – kein Anruf. Als Grieche hätte er nach spätestens drei Jahren die Stufe erklommen. Aber ist Georgier. 

Dass das nicht an seinen Fähigkeiten liegt, hat er heute bewiesen. Sein Vater (64) regeneriert alte und moderne Motoren für PKW. Von Wolga bis Mercedes. Zieht Buchsen ein und schleift sie auf Maß. Die Maschinen hat er gerettet, als auch hier der Sozialismus zusammenbrach. Jeden Tag kommen Leute mit ihren Motorblöcken. 

Tengo hat heute meinen Seitenständer in Ordnung gebracht, einen neuen speziellen Hohlbolzen und Buchse für die ausgeleierte Passung aus ordentlichem Stahl gedreht. Meiner war wieder mal abgebrochen. Und `ne große Scheibe unter den Ständer geschweißt.

 

 

Ich hoffe, morgen lässt der Regen nach, denn ich will los. Der Regenschirm, den ich heute gekauft, abgesägt und hinten dran gebunden habe hilft nur bedingt. Fünfzehn km südlich von Batumi ist schon die türkische Grenze. Da will ich in die Berge. Die Straße soll geräumt und frei sein. Vor kurzem lagen dort noch 4 Meter Schnee.

 

 

 Kutaissi, am 25.05.2019  

Der gestrige Tag war wie geschaffen für den Einstieg in meine Reise. 50 Kilometer unbefestigt, mit Regen zwischendurch und immer bergauf. Bis auf den Goderzi-Pass, etwas über 2000m ü.N. Nur mit Schneeresten bedeckt, sah das Skigebiet etwas gruselig aus. Von hier oben gab es jedenfalls einen sehr schönen Ausblick über das Tal, aus dem wir gekommen waren und schneebedeckte höhere Gipfel in der Ferne. Wir, d.h. Axel und ich. Axel hatte ich schon zusammen mit einem Paar aus Ungarn in einem Café in Batumi getroffen. Sie sind auch mit dem Motorrad unterwegs. Und Axel aus der Nähe von Dresden traf ich dann per Zufall in einem Nest auf dem Weg nach oben wieder und wir fuhren gemeinsam.

 

 

 

In einer langen Wasserdurchfahrt über große runde Steine, wurden meine neuen Schuhe gleich mal getauft. Wenn das Wasser beim Abfangen bis an die Wade reicht, ist die Wasserdichtigkeit eher von Nachteil, weil es nicht wieder rauslaufen kann. Ein paarmal blieb ich zwischen den Steinen hängen und hatte Mühe, nicht im Wasser umzukippen. Um bei solchen Durchfahrten einfach beherzt Gas zu geben, fehlt mir der Mut, zumal bei dem schnell laufenden trüben Wasser der Untergrund nicht zu erkennen war.  Abends saßen wir dann schön zusammen bei ein paar Krügen Rotwein und 70%igen georgischen Grappa mit Lammkottelets. Ich war jedenfalls heute noch ein bisschen duhn.

 

 

 

                                                                                                 Datschen

 

Meinen „groben“ (und dummen) „Plan“ habe ich heute korrigiert und meine nächsten Reiseziele umgedreht. Es war blöde, zuerst nach Süden und nach Armenien fahren zu wollen, um dann später zurück in den Norden, in den Großen Kaukasus zurückzukehren. Nun gut. Nun schlage ich einen großen Bogen von ein paar hundert Kilometern zurück in den Nordwesten an die Grenze zu Abchasien, das Russland sich beim Konflikt mit Georgien einverleibt hat. Schön Abstand halten, sonst würde mir das Georgien sehr übelnehmen.                                               Das Grüne Kloster 

 

Unterwegs gab´s einen schönen Markt und habe ich mich mit Wegzehrung für einen Picknick und die nächsten Tage eingedeckt. Den duftenden Akazienhonig Honig hatte ich schon vorher in den Bergen erstanden. Mit einem Löffelchen davon belohne ich mich dann gelegentlich.

                                                                                                                                                               So trockneten die Schuhe heute im Fahrtwind 

Unterwegs kündigten mächtige Sturmböen ein Gewitter an. Mit den ersten Tropfen enterte ich hier das erstbeste Hotel. Kutaissi ist eine muntere Stadt mit vielen Cafés und kleinen Restaurants. Es ist nach acht und ich such´ mir ein leckeres Nachtmahl.                                   Das Ganze für knapp 7 €

 

 

Mestia, der 28.05.2019 

 

Auch, wenn es schon spät ist und ich geschafft bin, ein paar Zeilen muss ich noch zu Papier bringen … 

Bei der Anreise hierher bin ich immer wieder mal nass geworden und habe deshalb vorgestern in SUGDIDI am frühen Nachmittag ein Quartier gesucht und dort den georgischen „Tag der Befreiung“ erlebt. Lustig: Bei uns nannten wir den Tag so, weil die Sowjetunion uns unter ihre Fittiche genommen und hier, weil sie den Großen Bruder losgeworden sind. Dabei gehe ich mal davon aus, dass hier diese Befreiung gemeint ist.

 

 

Das Stadtzentrum war abgesperrt und Tausende Menschen flanierten durch die Innenstadt. Abends auf der Bühne dann ein schönes Rock-Konzert; anschließend Feuerwerk. Das sah ich aber dann später über den Dächern aus meinem Fenster. 

 

Ich würde gerne einen Video-Schnipsel davon hochladen – muss mich aber erst wieder damit befassen. Jedenfalls ging´s nur über YouTube. Überhaupt half Jörg mir wieder kurz vor Abreise, meine Internetseite um diese Tour zu erweitern und überhaupt mich zu erinnern, wie´s eigentlich ging. Und Uta Gau bot mir ihre Hilfe an, wenn´s mal klemmt oder mal wieder was durcheinandergerät, wozu nur ein danebengesetzter Mausklick reichen kann. Sie musste schon tätig werden. Schön, dass man Freunde hat.

 

 

Nachdem ich das flache Land hinter mir gelassen hatte, ging die Straße über hundert Kilometer in einem großen Bogen um das südwestlichste der noch schneebedeckten Kaukasus-Bergmassive herum. Durch Schluchten und weite Täler am munter fließenden Enguri-Fluss aufwärts hat das Fahren Spaß gemacht und ließ mich mal den Ärger über die schlecht funktionierende Gabel vergessen.

 

 

Die Türme sind Wehrtürme und wurden im 11. Und 12. Jahrhundert errichtet und dienten der Verteidigung. Sie stehen inmitten der bebauten Grundstücke, haben bis auf die Schießscharten unter dem Dach keine Maueröffnungen. 

Heute habe ich mir eine Tagestour vorgenommen nach Uschguli, zu einem Dorf, das weiter um das Bermassiv herum liegt. Über die unbefestigte Piste könnte man über 150 Kilometer wieder ins Flachland im Süden gelangen; ist aber wegen Schnee auf dem Pass noch nicht offen. Zum Glück. Ich hatte schon darüber nachgedacht… Wenn er aber offen gewesen wäre, hat der kleine Einstieg heute über 35 Kilometer mich davon geheilt. Allein ginge es eh nicht. Solche schlauen Erkenntnisse kommen mir doch noch manchmal.

 

 

Und wieder Regen da oben. Es wurde immer schwieriger: Steinacker, Modder, Pfützen und querendes Wasser. Bei den schärfsten Hindernissen denke ich immer vor Schiss in den Hosen nicht, ein Foto zu machen. Vom Sattel aus mit Gepäck hinten dran, ist es eh etwas anderes, als sich Bilder von der Couch aus anzusehen… Eigentlich war ich dann froh, dass die Polizei dort stand und mir bedeutete, dass der Weg durch einen Erdrutsch verschüttet ist und eine Raupe schon dabei ist. „In zwei Stunden könnte der Weg wieder frei sein“.

 

Und wieder Regen da oben. Es wurde immer schwieriger: Steinacker, Modder, Pfützen und querendes Wasser. Bei den schärfsten Hindernissen denke ich immer vor Schiss in den Hosen nicht, ein Foto zu machen. Vom Sattel aus mit Gepäck hinten dran, ist es eh etwas anderes, als sich Bilder von der Couch aus anzusehen… Eigentlich war ich dann froh, dass die Polizei dort stand und mir bedeutete, dass der Weg durch einen Erdrutsch verschüttet ist und eine Raupe schon dabei ist. „In zwei Stunden könnte der Weg wieder frei sein“.

 

 

Es gab aber noch eine schöne Entschädigung. Mit dem Sessellift ging´s über die Skipisten, die im Sommer alles andere, als schön aussehen auf den Berg über Mestia. Von dort oben gab´s einen wirklich atemberaubenden Blick auf die Schnee-Gipfel wirklich ringsherum. Wie hat doch das Bier da oben geschmeckt!

 

 

… In netter Gesellschaft mit Chinesen

 

Die Tankstelle war noch auf und der Autowäscher hat meine Maschine wieder frisch gemacht, dass ich sie morgen, wenn ich wieder rausfahre hier, nicht mit spitzen Fingern anfassen muss. Kette geölt, Schuhe und Hosen gewaschen, geduscht, gegessen, die letzten Tage dokumentiert. 00:30 Uhr. Schlafen.

 

 

Stepansminda, am 31.Mai 2019 

ist der Weltuntergang, wir leben nicht mehr lang 

 

Von drei Seiten bekam ich gestern gute Wünsche zu einem gelungenen Herrentag. Gut dass Ihr mich daran erinnert habt. Gelungene Tage habe ich auf Reisen eigentlich immer, auch wenn ich gestern mehr als 300 Kilometer abgerissen habe aus dem West- in den Ostkaukasus. Abends gab´s dann schlecht gemachtes Essen in einem guten Restaurant. Das war mein Herrentag. 

Auf der schönen kurvigen Fahrt aus den Bergen heraus, traf ich Dieter. Dieter, der auch schon einige tolle Reisen auf dem Motorrad gemacht hat, war mit der legendären AFRIKA TWIN in gleicher Richtung unterwegs. Er war einen Tag vor mir in USCHGULI, wo ich nicht hinkam. Auf dem Rückweg fiel er hin und kam mit dem Fuß unter die Maschine. Er zeigte mir die Röntgenaufnahme – sauberer Bruch (Bruchenden noch ganz gut in Position) des Wadenbeins über dem Fußgelenk. Nun stand er vor der Wahl, Weitermachen, wenn die Schwellung zurückgeht und Zusammenwachsen   lassen, was zusammengehört oder Maschine in Batumi unterstellen, Heimflug und OP und später die Reise vollenden. Das zweite ist vielleicht klüger. Vorher hatte er versucht, von der anderen Seite durch Uschguli nach MESTIA zu gelangen (wie ich beschrieben habe) aber der Pass, ein paar Kilometer vor Uschguli war wirklich noch unter Schnee und er musste umkehren. Ich wünsche ihm und seinem Bein viel Glück.

Ich folgte einem der Tipps, die man immer bekommt und an denen sich dann die Touristen alle wiedertreffen. Also auf zum MARTVILI CANON. Das Schöne daran war die Fahrt auf kleinen Straßen, durch eine bergige grüne Landschaft, die mich an die ZAGORJE, nahe Zagreb erinnerte. Nur dass hier Haselnussbäume anstatt Weinberge kultiviert werden. Die Schlucht: Na ja. Abends landete ich wieder in KUTAISSI in einem sehr schönen Hotel für kleines Geld und danach in einem Gartenlokal zum Nachtmahl.

 

 

Beim Losfahren gestern (am Herrentag) merkte ich, dass neben der großen Markthalle übernachtet hatte. Musste ich natürlich nochmal durch.

 

Ich fand nicht raus aus der etwa 100tausend-Einwohnerstadt. Die vielen Straßenbaustellen und Einbahnstraßen sorgen für Verwirrung, Sodass weder Navi noch G`Maps damit zurechtkamen. Mein guter alter Kompass half mir schließlich. Nach 250km, 50km vor Tiblissi,  ein Schild „nach WLADIKAWKAS“. Stopp, da war doch was. Von Dieter hatte ich den Tipp mit Stepansminda, das an der Handelsstraße nach Russland läge. Also dann gleich jetzt und anschließend nach Tiblissi. Und so fühlte sich dann die Fahrt über den KREUZPASS (knapp 2.500m)  hierher nach Stepansminda an.

 

 

Und nun sitze ich vor dem Fenster mit diesem fantastischen Ausblick auf die Berge. Ich bin bei freundlichen Leuten untergekommen, hab´ ein helles Zimmer und Zeit zum Schreiben und Dinge in Ordnung zu bringen. Die Oma hat für mich ein großes Bündel dreckiger Wäsche in die Maschine gestopft und sie mir eben, schön zusammengelegt, aufs Klavier gelegt. 

Bis zum frühen Nachmittag war ich auf der Maschine unterwegs zum Kloster, das hoch über dem Ort thront, zur Grenze nach Russland und in einem abgelegenen Dorf, 20km entfernt, das gut über eine staubige Piste zu erreichen war. „Moschno kupitch Sir sjuda?“ Na klar. Ich musste den herrlichen frischen weißen Käse aus Salzlake von dem angesprochenen Bäuerlein am Ende als geschenkt annehmen. Fladenbrot, wenn am nächsten Tag auch zäh, hab´ ich inzwischen immer dabei. Für die kleinen Stärkungen am Wegesrand.

 

Ich weiß nicht, warum die freilaufenden Kühe so gerne an den Straßenrändern grasen oder dösend auf der Straße stehen? Wie in Indien, nur dass es hier viel mehr sind. Abends, so ab 18:00 Uhr, jedenfalls trotten sie nach Hause und stehen leise muhend oder brummend geduldig vor ihren Haustüren, um gemolken zu werden oder ein Leckerli, wie ein Eimer voll trüber Brühe mit eingeweichtem Grünzeug leer zu schlürfen. So bei meinen Wirtsleuten in Mestia erlebt. Und Hunde, groß und stark und dem Wolf noch sehr ähnlich. Die Geräusche und/oder die rollenden Räder von Motorrädern mögen sie überhaupt nicht. Sie würden zu gerne in meine Hacken beißen, wenn sie eine Weile wütend bellend neben der Maschine herlaufen. Sie haben zum Glück Angst, die letzten zehn Zentimeter zu überwinden.

 

Übrigens, die Bilder kann man durch Anklicken vergrößern, so man will. 

 

Vorhin bekam ich eine Email von Juri Erche. Er fand meine Reiseberichte der letzten bei Recherchen für seine geplante Reise, ebenfalls noch Zentralasien, ebenfalls mit einer BETA und fragte, wo ich den luftigen Sitzbezug herhätte. Da war ich gerade in Kerala und hatte genau an diesem Tag solche Bezüge gefunden, wie ich ihn mir damals aus Sri Lanka mitgebracht hatte. Ich kaufte einen für ihn mit und auf dem sitzt er nun glücklich und wird morgen in Tiblissi sein mit seinem Sohn. Da bin ich morgen wahrscheinlich auch.

Ach ja. Meine Batterie war heute runter. Zum Glück an einem bergigen Wegstück, dass ich den Motor beim Rollen anlassen konnte. Der Regler? Geladen wurde sie aber wieder ein wenig...

 

 

 

Tblissi, der 04.06.2019 

 

Es regnet mit Blitz und Donner und es ist mein letzter Abend in Tblissi (oder auch Tiflis). Gleich vorneweg: Tblissi ist eine Reise wert. Besonders jetzt im Frühjahr. Nur ich hatte nicht allzu viel davon will aber trotzdem weiter. Davon später.

 

Als ich aus den Bergen die 120 Kilometer runter nach Tblissi rollte, spendierte ich mir noch einen sehr schönen Ausflug zum Fort ZAKAGORI am Ende des Truso Tales. Die Fahrt war lustig. Irgendwann stieß ich auf das Ende einer riesigen Schafherde, die auf die Sommerweiden getrieben wurde. Der Hirte am Ende bedeutete mir, ich solle reinfahren. Das tat ich und überholte Schaf um Schaf. Wenn das Gedrängel vor mir zu dicht wurde, musste ich immer wieder mal stehenbleiben oder schoss schnell ein Foto. Dabei verlor ich sofort wieder gefühlte 50-100 Plätze. Als ich mal drei Biegungen einsehen konnte, waren bis ein paar hundert Metern voraus nur braune Schafsrücken zu sehen. Da die Sache aussichtslos erschien und ich weder hinfallen noch meine Kupplung kaputtfahren wollte, gab ich auf, suchte ich mir eine kleine Fläche zum Parken, setzte mich mit Brot und Weißkäse an den Fluss und liesss die Meute ziehen.

 

 

Meine Pause war lange genug, dass die Herde aus der engen Schlucht raus war und weit verstreut in dem sich öffnenden Tal weidete. Bei der Schönheit solcher Landschaften geht mir immer das Herz auf. Überall sprudelt Wasser, leider auch über den Weg, alte Gehöfte liegen verlassen.

 

Ich habe nicht rausbekommen, wann das Fort gebaut wurde aber wahrscheinlich auch so im 11. Oder 12. Jahrhundert, wie ähnliche steinerne Zeitzeugen dort oben. Etwa 20 Kilometer ging es in das Tal hinein bis zu einem georgischen Militärposten, an dem man nicht vorbeikommt. Auf die Burg darf man noch rauf. 

Dahinter liegt Süd-Ossetien, dass im 5-Tage-Kaukasuskrieg 2008 der Streitpunkt war. Irgendwann im letzten Jahrhundert wurde es zu Georgien geschlagen, was den Osseten nicht passte, und sie dann sowas wie Selbständigkeit erlangten, die von russischer UN-Mission bewacht wurde. Georgien marschierte 2008 wagemutig in das Gebiet ein und flüchte zwei Tage später vor den russischen Truppen und fand sich nach fünf Tagen 20 Kilometer tief im eigenen Land hinter einem Sicherheitskorridor wieder. Nach einem Friedensabkommen zogen sich die russischen Truppen wieder zurück und alles wurde, wie es vorher war und die Südosseten wollen mehr denn je an Ossetien angeschlossen werden, was sie praktisch schon sind. Und deshalb kommt man da nicht weiter. Ja, Reisen bildet mitunter. Erst wenn man selber vor Ort war und sich interessiert, werden Zeitungsmeldungen über ferne Ereignisse zu klaren Bildern.

                                                                        rechts: eine Mineralquelle, die neben der Straße aus dem Berg austritt und Ablagerungen hinterlässt. 

Kurz vor Tblissi hat mich die Polizei mit 86 statt erlaubten 60 km/h (50Lari = 18€), angeblich in einer Ortschaft (wobei die letzten 20 km wie eine einzige Ortschaft mit Häusern an der Straße entlang aussah), erwischt. Und natürlich haben sie auch noch damit erwischt, dass ich ohne Haftpflichtversicherung (normalerweise 70 €) unterwegs bin. Irgendwie hat mir geholfen, dass die Maschine per Schiff ankam und ein bisschen meine gespielte Unwissenheit. Auf der vom Computer ausgespuckten Verwarnung stand nur das ein-bisschen-schneller-Fahren drauf. Übrigens haben sie hier vor einigen Jahren ALLE Polizisten rausgeschmissen und die Polizei so wie die gesamte Verwaltung neu organisiert. Das, was ich hier davon mitbekommen habe, sind wir in D Hundert Jahre von entfernt. Polizei- und Verwaltungsgebäude überall neu und so, wie ich den Zoll erlebte, soll hier die gesamte Verwaltung dem Volke dienen. Meine Strafe sollte ich mit einer Frist von 30 Tagen bei einer Bank einzahlen, was ich heute tat. Aber nicht an einem Schalter, sondern an einem Bankomat-ähnlichen Gerät, wobei mir eine freundliche junge (und hübsche) Hostess half. Überall in der Stadt stehen diese Dinger auf den Bürgersteigen und die Leute können ihre gesamten finanziellen Belange von Telefon-Aufladen, bis Überweisungen (ich sah auf dem Eröffnungsbildschirm zwölf Piktogramme für verschiedene Dienste. Die Versicherung schloss ich am Sonntag im Internet ab. Heute bei einer Stadtrundfahrt wurde ich über das moderne „Pilz-überdachte moderne Gebäude (jedes Dach steht für eine Region des Landes) aufgeklärt: Bürgerbüro. 15.000 sollen hier täglich ihre Dinge erledigen.                                                                                                                                                                              Tblissi bei Nacht

 

Ja, wieso hatte ich nicht viel von der Stadt? Wegen meiner Lieblingsbeschäftigung, Maschine reparieren. Am Sonntag bei Juri Erche und seinem Sohn auf dem Hof ihres Quartieres und gestern und heute in einer kompetenten Werkstatt. Lenkkopflager warten (was ich zu Hause nicht geschafft habe) und heute neuen Laderegler einbauen (einen chinesischen, der passt gut zur italienischen Beta) und neues Handy kaufen und erstmal halbwegs einrichten. Ja, mein Handy versagt jetzt mit einigen Funktionen schon bei 30 Grad ab und zu seinen Dienst und ich muss dreimal laden am Tag, wobei es heiß wird. Scheiß. 

Als wir bei Juri bastelten, wurden wir um Essen und Saufen von Nachbarn auf dem Hof eingeladen. Ich hielt mich zum Glück beim TschaTscha, dem hiesigen Grappa mit 65-70 Umdrehungen zurück. Es war ein lustiger Abend. 

                                                                                                                                                                                                                                         Friz& Sohn Max, Einbau neuer Regler, Ein Belgier, der in der Stadt von einem Auto angefahren wurde und umgefallen ist, richtet seine alte BMW

Ich habe eigentlich alles wieder zusammengebaut und gepackt für die Weiterreise morgen. Von der schönen Stadt hatte ich eigentlich noch gar nichts gehabt, abgesehen davon, dass wir abends immer Aus waren zum Essen oder ich unterwegs war, um Dinge zu erledigen. Ich wohne hier in der Altstadt (voller Touristen) zwar in einem (an sich ganz ordentlichem) Bunker abgehend von einem dunklen Hausdurchgang, in den das einzige Fenster zeigt, wo ich auch noch die Gardinen vorziehen muss. Ich werde den Vermieter dieses „Apartments“ morgen früh mal anrufen, ob ich noch einen Tag bleiben kann – ohne Organisationsstress.

Ich muss/will mich an dieser Stelle bei allen entschuldigen, die mir so freundliche Emails zum Start und auch nun während der Reise geschrieben haben. Ich habe noch nicht auf eine Einzige antworten können, weil ich noch keinen Rhythmus gefunden habe, in dem irgendwas ordentlich abläuft. Die Zeit vor meiner Abreise war zu voll für alle Vorbereitungen. Das muss ich nun unterwegs erledigen. Inzwischen ist es 01:30.

 

  

Tblissi am nächsten Tag 

 

Ich bin doch abgereist. Den halben Tag war ich noch in der Stadt zu Fuß unterwegs und nehme so noch ein paar Eindrücke der lebendigen Stadt mit auf die weitere Reise. Auch wenn sich hier viele Touristen tummeln, kann ich die Reiseempfehlung für einen Besuch von Tblissi nur wiederholen. 

                                                                                                                                                                                                      Schön und marode …

 

… und geflegt und modern.

 

Natürlich wollte ich mir das Bürgerhaus von innen ansehen. Man wendet sich mit seinem Problem am Anmeldeschalter, bekommt den zuständigen Bereich genannt und eine Nummer, die dann dort aufgerufen wird. Kein Aktenordner, hinter den PCs fast nur junge Leute. Nur wenige Leute warteten. So kann´s auch gehen.

 

 

Ja, was für einen Eindruck nehme ich mit aus Georgien?

 

Georgien (knapp 4 Mio. Einwohner) ist landschaftlich sehr schön, saftig grün um diese Jahreszeit und sieht sehr gesund aus. Von weitem. Näher betrachtet, ist es dann schon etwas anders. Besonders auf dem Land und in den Provinzstädten. Zerfall und Ärmlichkeit überall. Die Industriebetriebe aus Sowjetzeiten liegen in Trümmern, viele Wohnhäuser, sozialistische Plattenbauten und öffentliche Gebäude unbewohnt. Wenn sie bewohnt sind, denkt man oft bei den dunklen Fensterlöchern ungepflegtem Drumherum und zerbröselten Fassaden, da wohnt keiner mehr und dann sieht man doch plötzlich Anzeichen von Leben. Das passt (aber nur scheinbar) nicht damit zusammen, dass ich, außer in Albanien, kein Land kenne, in dem so viele Mercedes und BMW, zumeist aufgemotzte ältere Modelle, rumfahren. Status, besseres Lebensgefühl? Eine Lehrerin verdient 200€ im Monat, ein einfacher Arbeiter weniger. Die EU und besonders die NATO haben die Krallen schon ausgestreckt. Es war sehr schön, hier gewesen zu sein. Wenn auch nur kurz.

 

 

Etwa hundert Kilometer südlich von Tiflis liegt die Grenze. Mit diesen Bildern fuhr ich raus aus Georgien nach Armenien. Die Abfertigung auf beiden Seiten verlief sehr langsam (2h) und es wurde fast 20:00 Uhr. Gleich hinter der Grenze bekam ich eine Versicherung, tauschte ich mein restliches georgisches Geld um und bekam zu meiner Freude eine SIM-Karte für Telefon und Internet. Adieu Georgien.