Kulen Vakuv , am 14.05.2022

 

 

Von Zagreb aus bin ich auf kurzem Weg über Petrinja über die Grenze nach Bosnien-Herzegovina. Nach dem Erdbeben, das im März 2020 große Schäden in Zagreb vor allem an alten Gebäuden, die noch nicht „erdbebensicher“ gebaut waren, viele Schäden angerichtet hatte, traf es im Dezember dann Petrinja und Umgebung noch heftiger.

 

 

 

 

 

Gleich hinter der Grenze fand ich meine geparkte Beta, nachdem ich vom ersten bosnischen Chevapi und Kaffee zurückkam, umgekippt auf dem Bordstein auf der Seite liegend. „Eine Frau in einem Fiat Uno hätte es beim Rückwärtsfahren umgeschubst“, erzählte mir jemand. Vom Helm war das Visier ab und es fehlte ein winzig aber wichtiges kleines Teilchen, das ich nach langem Suchen im Gras wiederfand. 

 


 

Außer dem Plan, „den Balkan zu bereisen“ hatte ich erstmal nur einen konkreten: ein längeres Stück am Fluss UNA entlang zu fahren. Ich hatte mit diesem wunderbar klaren, türkies-farbenen Fluss schon mehrmals Bekanntschaft gemacht, u.a. während einer Rafting-Tour mit meinen Zagreber Kollegen. Hier fange ich schon mal damit an, einfach nur die Bilder sprechen zu lassen. Der Höhepunkt allerdings war der „Strbacki Buk“, ein wunderschöner Wasserfall, der ganz bestimmt eines der größten highlights der Reise bleiben wird. Da blieb ich so lange, bis ich ein Nachtquartier brauchte und auch fand.

 

 

 

 

Sarajevo, der 16.05.2022

 

 

Die kürzeste Strecke zwischen zwei Punkten ist bekanntlich die Gerade. Die fahre ich aber meistens nicht, sondern suche alternative Umwege. Hier bestimmen die Flüsse, die sich über Millionen von Jahren zwischen den Bergen eingegraben haben den Verlauf der Straßen. Meine Alternativen gehen dann natürlich oft über die Berge hinweg, was den Vorteil hat, dass ich dort meist gefühlt alleine unterwegs bin und sich aus Höhen von eintausend bis 1500 Metern  grandiose weite Blicke über die umliegenden Berge und Täler bieten. 

 

 

Auch die Fahrt über solche Hochebenen an oder über der Baumgrenze sind was Wundervolles. Da macht das Motorradfahren und gleichzeitig entspannt die Blicke schweifen lassen, dann so richtig Spaß. Und ein Stück vom ein-Kilo-Schafskäse, den ich am Straßenrand ergatterte, vollendet in so schöner Umgebung das Glücksgefühl.

 

 

Diese Regionen sind weitgehend ausgestorben. In der Entfernung tauchen Häuser oder kleine Dörfer auf und wenn man näherkommt, sind sie menschenleer. Das hat verschiedene Ursachen.

 

Am ehesten fallen die Häuser auf, die im Krieg mutwillig zerstört wurden. Die Serben haben im „Jugoslawienkrieg“ aus Angst vor Repressalien (oder auch vor den Nachbarn) ihr Hab und Gut fluchtartig verlassen und dann wurden von den „Gewinnern“ die Häuser unbewohnbar gemacht, dass die „verfluchten“ Serben ja nicht wiederkommen. Das geht ganz einfach: erstmal alles klauen, was man gebrauchen kann, eine Gasflasche reinstellen, aufdrehen, eine brennende Kerze dazu und sich dann aus sicher Entfernung freuen, wie das Dach weg- und Fenster und Türen rausfliegen. In der ebenfalls armen Gegend Lika in Kroatien habe ich das auch schon gesehen. Neben die Ruinen haben dann dort gelegentlich Kroaten ein neues Haus gebaut, um an der Stelle genauso karg zu leben, wie die Vorbesitzer.

 

 

Andere Häuser wurden aufgegeben, weil auf dem dürftigen Weideland für Mensch und Tier in der modernen Zeit kein Auskommen mehr ist, im Winter der Schnee meterhoch liegt und die Jungen weggehen. Und dann sind da noch die Ruinen aus Natursteinen der Umgebung, einstmal sorgfältig  aufgeschichtet, die der Zeit zum Opfer gefallen sind.

 

 

Gestern Abend dann in einem Ort in der „Serbischen Republik von Bosnien-Herzegovina“ (nicht Serbien) von dem ich nicht mehr weiß, wie er heißt, saßen junge Männer in einem Café gegenüber der Tankstelle, an der ich gerade den teuren Saft gezapft hatte und waren am Feiern. Ich solle doch ein Bier mit ihnen Trinken. Aus dem einen Bier, wurden dann am (sehr) späten Abend etwa zehn kleine Biere und im Grill garten ordentlich fette Kalbsfleischbrocken zusammen mit Kartoffel und Zwiebeln ein paar Stunden lang „pod Peka“ (wörtlich übersetzt: unter dem Ofen), Das heißt, ein spezieller großer Eisentopf mit Deckel lagert ringsum unter einem Glut-Bett, das aus einem Feuer daneben immer wieder ergänzt wird. Ich kenne das mit Lamm – aber gestern, das war umwerfend aromatisch.

 

 

 

Und es war eine unglaublich lustige und ausgelassene Runde. Die Späße die sie miteinander trieben, von denen ich allerdings die wenigsten verstand), rissen nicht ab und wurden mit ausgelassener Fröhlichkeit honoriert. Wenigstens ein paar konnte ich mit meinem schwachen Kroatisch auch beisteuern. Ich konnte mich in dieser ausgelassenen Runde so entspannt zurücklehnen, weil das Café über ein paar einfache Gästezimmer verfügte und ich es somit nicht weit bis in mein Bett hatte. Die Serben haben ja in unserer politischen Welt ein ähnliches (Un-)Ansehen, wie die Russen und andere. Da ist es immer wieder schön bestätigt zu sehen, dass es nicht „die Menschen“ sind, die die Welt immer verrückter machen …

 

 


 

 

Na ja, und heute bin ich erst am Abend, in Sarajevo gelandet, weil ich wieder mal „über die Berge“ wollte, was mich Zeit und auch „Nerven“ gekostet hat. Zweimal gingen die Straßen insgesamt 40-50 km in „Makadamm“ über, wie wir Kroaten zu Schotterpisten oder unbefestigten Wegen sagen. Nicht dass ich Angst vor dem Hinfliegen an sich habe, das geht bei dem langsamen Tempo schon gut aus aber ich krieg die Maschine nicht wieder auf die Räder gestellt. Das wäre das Problem. Von der Schönheit der Wälder in über tausend Metern höhe hatte ich heute wenig. Die ganze Aufmerksamkeit muss sich auf das „Spur-Lesen“ konzentrieren. Das Fahren geht von allein, steckt im Blut. Tieferer Schotter ist richtig Mist. Ich bin übrigens niemandem begegnet da oben. Zur Belohnung bekam die Beta später eine Hochdruckwäsche mit viel Schaum.

 

Jaice. lag auf der Strecke heute
Jaice. lag auf der Strecke heute

 

Von Sarajevo nur so viel:

 

Die Chevapi, die ich hier ein paarmal gegessen habe, waren die besten der Welt, duftend, saftig und ein Labsal für den Gaumen. Der schöne alte (türkische) Stadtteil ist inzwischen voller Andenkenbuden und Touristen und die Chevapi sind Scheiße. Darum haue ich morgen nach einer kleinen Stadtrunde wieder ab an einen Ort, dessen Magic mich schon heute in den Bann zieht. Jetzt aber gehe ich erstmal in die Falle.

 

 

 

 

Visegrad, der 17.05.2022

 

Über das „s“ gehört eigentlich ein Haken, den mein kleiner Computer nicht kann. Dann sagt man nämlich: Vischegrad.

 

Inzwischen (gestern) ist noch zweiter Käsebatzen hinzugekommen, ein Salzlakenkäse vom Bauern. Damit habe ich mir mit frischem Brot auf einer Wiese im hohen Gras an dieser Stelle ein tolles Frühstück bereitet.

 

 

Über einen Pass, wo es frisch wurde und dazu ein bisschen regnete ging die Fahrt runter ins Tal er Drina. Irgendwo, 30 km vor Visegrad, sah ich auf der gegenüberliegenden Seite ein großes Loch im Felsen. Tunnel (?!), dachte ich. Wie kann das denn sein? Ein Weg war nicht zu erkennen im dichten Grün am Fuße der Berge gegenüber. Nach 5-6 km ging eine Brücke über den Fluss, und eine der beiden abzweigenden Wege dahinter führte in die Richtung, aus der ich gekommen bin, meist nur zwei Meter breit mit altem Asphalt und streckenweise mit herabgestürzten Bruchsteinen bestreusselt. Neugierde (und 2 mal 10km Umweg) wird eben auch manchmal belohnt. Die Fahrt durch das frische Grün der Büsche, vor denen ich manchmal den Kopf einziehen musste, die Ausblicke auf den angestauten Fluss war schön und der grob aus dem Fels gehauene Tunnel auch. 

 

 

Übrigens Tunnel:

Mindestens 20 davon hatte ich auf der anderen Seite, spärlich oder gar nicht beleuchtet, Wenn man mit dem Motorrad vom grellen Sonnenlicht da reinfährt fährt man erstmal nur ins Schwarze und dann verliert man (ich jedenfalls) das Gefühl fürs Gleichgewicht, weil Informationen fehlen. Jedenfalls geht es mir dann so, dass ich dann ängstlich verkrampft und eckig „lenken“ muss, um auf meiner Fahrbahn zu bleiben.

 

 

… und da hinten ist sie schon zu sehen – die berühmte Brücke über die Drina, dich unbedingt und das schon seit Jahren, unbedingt mal sehen wollte Hier habe ich mir mal eine schöne Zusammenfassung aus dem Internet geklaut:

 

Eine Brücke zwischen zwei Welten

 

Jahrhundertelang tobten auf dem Balkan Kämpfe zwischen Türken und Serben, Muslimen und Christen, Österreichern und Serben, Österreichern und Türken. Es scheint, als könnte diese Region einfach nicht zur Ruhe kommen. Auch noch nach der letzten großen Eskalation Anfang der 90er Jahre, dem Balkankrieg nach dem Zerfall Jugoslawiens, flammten immer wieder Auseinandersetzungen um Staatsgrenzen auf. Welche historischen Entwicklungen haben zu diesem instabilen Gefüge geführt? Ivo Andrićs Roman Die Brücke über die Drina bietet zwar keine endgültigen, aber doch eindrückliche Antworten auf diese Fragen. Er stellt ein geschichtsträchtiges Bauwerk in den Mittelpunkt und erzählt verschiedene Schicksale, die über die Jahrhunderte damit verbunden sind. Er erlaubt dem Leser einen tiefen Blick in die Psyche eines ganzen Landstrichs und in die Höhen und Tiefen von dessen Geschichte. Mit ihrer lebendigen und fesselnden Erzählweise ist Die Brücke über die Drina nicht nur die Chronik eines Konflikts, sondern vor allem ein lesenswertes Stück Literatur, aus dem immer auch die Hoffnung auf Versöhnung spricht.

 

 

Mehmed Pascha Sokolovic ließ die Brücke in den Jahren bis 1577 erbauen. Das Buch vom Literatur-Nobelpreisträger Ivo Andric ist eines meiner schönsten Bücher. Es vermittelt nicht nur die hier besonders wechselvolle gedrängte Geschichte lebensnah anhand der Figuren durch die Jahrhunderte, auch bekam ich noch eine Vorstellung davon, wie solche Bauwerke zur damaligen Zeit errichtet wurden. Und ich weiß nun, wie eine gut gemachte Pfählung vonstattengeht. Letzteres erwähne ich nur, falls mal jemand Bedarf hat …

 

 

 

 

Pljevlja in Montenegro, am 18.05.2022

 

 

„Pljevlja“, wie man das wohl ausspricht? …und einen Balkan-Haarschnitt habe ich jetzt auch- an den Seiten fast kahl, und oben ist mir noch ein flaches Büschel geblieben – aber sehr ordentlich geschnitten. Es hat heute vormittag geregnet und da war Zeit zum Bart- und HaarschneidenNach dem Regen und über die Berge, da brauchte ich heute zum ersten mal die Daunenjacke drunter.

 

 

Ich habe mich heute im „Rausch“ der satten Landschaften im Süden Bosnien-Herzegovinas, in eine Ecke manöveriert, wo die Grenzen etwas wirr verlaufen. So war ich für 20 km durch den Wald auf tausend Metern Höhe auf kleiner und ziemlich kaputter Straße in Serbien unterwegs. Zum Glück sind die Grenzkontrollen hier überall einfach. Ausweis und fertig. Nur heute musste ich meine Zulassung aus meinem Ruckack wühlen. Allerdings grimmig sind sie alle hier, die Grenzbeamten. Auch Späßchen helfen nicht. Ich schnitt also einen serbischen Zipfel ab, um nach Montenegro zu gelangen.

 

Kurz vorher machte ich noch Halt an einer kleinen Autowerkstatt und machte endlich das, was ich schon lange wollte: mein 15er Kettenritzel vorn gegen ein 14er (14 Zähne) zu wechseln. Und wenn ich mir mit meinen Bordmitteln nicht die Finger und meinem guten Messer die Spitze (wie schon einmal geschehen) abbrechen will, brauche ich eine sogenannte Sprengring-Zange dazu. Das kleine Ritzel sorgt für eine kürzere Übersetzung womit in den Bergen der Motor freudiger dreht und der Fahrer mehr Spaß in den Kurven hat. Kette neu eingestellt und geschmiert und ein paar Tropfen Spezial-Öl für die Simmerringe der Gabel. Für Kette und Gabel habe ich im Internet zwei tolle Produkte im Internet gefunden. Die Kette läuft damit geschmeidiger und leiser. Apropos Gabel: Mit der bin ich Gegensatz zur alten Beta sehr zufrieden, wenn auch mit einem Tropfen Öl, gelegentlich. Leute, die ein „richtiges“ Motorrad haben, brauchen sich über sowas keine Gedanken machen – die tanken und fahren …

 

Bild rechts:  Abstieg nach Montenegro hinein      

 

Der südliche Teil von Bosnien-Herzegovina ist landschaftlich sehr, sehr schön. Er besteht nur aus Bergen, tief eingeschnittenen Flüssen und dichten, jetzt wunderschön grünen Wäldern. Ich glaube, solche gesunden Landschaften gibt es in Europa nur noch hier. Für die Menschen scheinen sie eher nicht gesund zu sein, denn die sind fast alle weg - wegen Überalterung ausgestorben wohl. In den ehemaligen Dörfern, Siedlungen und einzelnen Gehöften wohnt kaum noch ein Mensch. Die Häuser sind leer und dem Zerfall preisgegeben, einzelne werden wohl noch als Datschen benutzt. Ein ähnliches Bild in den wenigen und kleinen Ortschaften in den Tälern. Jedes zweite Geschäft hat blinde, schmutzige Schaufensterscheiben. Ein Café, wo die Männer bei einem Kaffee und einem Glas Wasser wohl mitunter den halben Tag zu verbringen scheinen, ist noch in jedem Dorf in Betrieb