… und mit dieser Landschaft wurde ich in Aserbaidschan empfangen.

 

Bei der Ausreise - wie sollte es anders sein – wurde ich nach der Haftpflichtversicherung gefragt. Die war natürlich zwei Tage abgelaufen. Der kleine Belegdrucker spuckte eine Strafe von 100 Lari, gleich 33 €, aus, die mir dann aber mit einem Durchwinken gnädig erlassen wurde. 

Auf der aserbaidschanischen Seite wurde mir diese Versicherung gleich am Zoll übergeholfen. Aber dann ging´s zum „Verhör“ wegen der Armenien-Stempel im Pass, von dem ich schon wusste, dass es stattfinden würde. Was ich in Armenien wollte, wo ich war usw. Es ging natürlich um einen möglichen Besuch von Nagorny Karabach. Auch wenn alles sehr freundlich ablief, war ich schon ein bisschen angespannt, denn dies ist für mich die einzige Möglichkeit, weiterzureisen.

 

 

Im ersten Ort, abseits der meist geraden Straße, bekam ich eine SIM-Karte und gegrilltes Lamm und bin nun, voll aufgerüstet und motorrad-technisch fehlerfrei einhundert Kilometer weiter in diesem Hotel abgestiegen. Die fünfzig Zimmer habe ich für mich ganz allein, da das Hotel noch nicht fertig ist und die Zimmer, die schon fertig sind, schon wieder ein bisschen runter sind. Das Schwimmbad war aber schon gefüllt und die zwei gezapften Biere umspülten dem Hammel in meinem Bauch wohlig.

 

 

Saki, der 21.06.2019 

 

Gestern kam ich nicht sehr weit voran. Es ging weiter auf der West-Ostverbindung, die Aserbaidschan über Georgien wohl vor allem mit der Türkei verbindet, zu der es eine starke, auch wirtschaftliche Bindung zu geben scheint. Es sind viele Fernlaster unterwegs. An der Strecke gab es einen riesigen Marktplatz, wo die Leute aus den Dörfern ihr Gemüse und Obst versuchen an den Mann zu bringen. Es waren bedeutend weniger Kunden da, als Anbieter. Überhaupt scheint Aserbaidschan das Land der LADAs zu sein. Jedenfalls auf dem Land.

 

 

Die Gigantomanie, die mich beim Reinfahren nach GANJA überraschte, ließ mich bleiben, obwohl es erst früher Nachmittag war.  

                                                                                                                                                                                                                     Paradeplatz 

 

In der Stadt setzte sich der gewaltige Baustil im Zentrum um einen riesigen gepflegten Park herum mit mächtigen Bauten fort und überall das Bild des Vaters des aktuellen Präsidenten, Heydar Aliyev, der von 1969 bis 82 im Amt war und anscheinend mehr Ehre verdient, als sein Sohn Ilham, der aktuelle Präsident. 

                                      Beim Tee trinken Quatschen und Spielen, Domino und andere Brett- und Kartenspiele, sieht man die Alten an allen Ecken.

 

Zum ersten Mal auf meinen Reisen habe ich in einem Hostel, in einem 3-Doppelstock-Bett-Zimmer übernachtet. Ich wusste nicht mehr, wie gut KWAS schmeckt. Ich glaube, zu letzten Mal habe ich es in Leningrad, Ende der 60er Jahre getrunken. Nun halte ich an jedem Fass an. Wer´s nicht weiß: altes Brot, Zucker, Äpfel … werden zu diesem köstlichen, kühl gezapften, Gebräu vergoren. Ein Antiquitätenladen am Stadtrand. Abends vergnügten sich die jungen Männer mit dem Opa aus Deutschland und wir uns alle gemeinsam mit einer Schischa. Mit meinem Russisch, das immer besser wird, kann ich inzwischen meinen Russischlehrern, die alle ein Problem mit mir hatten, den berühmten Finger zeigen…

 

 

Wären nicht immer noch irgendwo in Ferne Berge zu sehen, könnte man meinen Aserbaidschan ist ein Kuchenblech. Das Getreide ist abgeerntet und die Erde trocken. Durch solche Landschaften ging es heute weiter Richtung Norden. Ich will noch mal an der Süd-Kante des östlichen Kaukasus frische Waldluft und den schönen Anblick der Berge tanken. SAKI liegt mit dem Rücken an den Bergen. Mit dem Motorrad habe ich nach meiner Ankunft noch eine Wanderung gemacht, soweit ich das Flussbett hinaufkam. …und für die Freunde der gepflegten Pannen: der rechte hintere Blinker war abgebrochen. Mal sehen, was mein indischer Sekundenkleber so kann. 

                                                                    Vierzig Kilometer über Behelfsstraßen links und rechts der neuen Straße im Bau, am Flussbett aufwärts

Ismayilli, der 22.06.2019 

 

Jetzt bewache ich ein großes Haus in Ismayilli. Am Ende des Tages fand ich dieses Gästehaus zur Übernachtung und die illustre Familie ist gerade zu einem Geburtstag ausgeflogen. Ein hübsches junges Pärchen (sie: Russin, er: Aserbaidschaner und leben in der Türkei) hat vor vier Tagen in Baku geheiratet Das Haus hier gehört der Tante, Otjetz und Maatch sind aus Sibirien angereist, wo sie bei Gasprom bei -40 Grad nach Öl und Gas bohren (er: auf´m Traktor und sie: in einem Kontrollraum) jetzt sei es dort schon um null Grad. Und dann gibt´s noch ein paar mehr Familienmitglieder. Trotzdem war für mich noch ein Zimmer frei. Es ist wunderschön ruhig hier. Ich sitze im Dunkeln im Obstgarten und dank der kleinen USB-Lampe, die ich auf der letzten Reise sehr oft gebraucht hätte, kann ich auf diesmal auch im Dunkeln schreiben. 

Nur die Vermieterin war noch da. Die Sibirier sind nachts los. Erst langer Flug und 3.000 Kilometer mit dem Auto („aber die Straßen wären gut“) Der Rest der Familie reiste nach dem Frühstück ab.

 

                                                                                                                     „Albanische Kirche“ auf den Fundamenten eines Tempels aus 200 v.Chr.

Es war heute nochmal ein sehr schöner Tag an der Südseite des Kaukasus entlang. In zwei Ortschaften, die in Taleinschnitten lagen, kletterten wir die Straße und dann die Klamottenwege hoch, bis nichts mehr ging. In einem Skigebiet wäre ich gerne in eine Gondel eingestiegen und mal auf den Berg gefahren. Die Talstation lag hinter einem Schlagbaum zu einem schicken Ferienressort, ich fuhr einen Kilometer über Klamotten drum rum und stand am Ende vor einem Gitterzahn, durch den die Seilbahnleute mich nicht rein ließen. Wahrscheinlich wäre der Schlagbaum auch für mich aufgegangen. Ich ließ es sein. 

Solche Flussbetten habe ich viele überquert. Der Schnee ist weg von den Bergen und es läuft nur noch wenig Wasser ins Land. 

 

Da hinten im Osten läuft der Kaukasus vor dem Kaspischen Meer so langsam aus. Wenn ich da demnächst rüber bin, dann werde ich mich nach solchen Straßen durch Berge und grüne Landschaften sehnen. Ganz zu schweigen von Wäldern, Flüssen, wenn auch spärlich fließenden, oder überhaupt Schatten spendenden Bäumen. Diesen kleinen handgewebten Teppich habe ich mir heute am Straßenrand gekauft. Als ich den sah, erinnerte ich mich an den grünen Gebetsteppich, den ich im Iran geschenkt bekam und auf dem ich dann die ganze Reise saß. Wo ist der überhaupt?  Morgen fahre ich die knapp 200 Kilometer nach Baku und dann mal sehen, wie´s weiter geht.

 

Auf nach Baku ...

 

So wie ich es vorhergesehen habe, änderte sich die Landschaft, je mehr ich auf dem Weg nach Osten die Berge verließ. Die Wälder wurden durch reife oder abgeerntete Getreidefelder abgelöst, bis die Vegetation nur noch aus trockenem kargem Grasland bestand und die Wasserläufe gänzlich trocken wurden. Es wieder mal war eine sehr schöne Fahrt, eine lange Strecke auf einem Kamm entlang mit schönen weiten Blicken mal rechts und links und auch weil sich die Landschaft so rabiat veränderte.

 

 

 

Baku, am 25. Juni 2019 

 

Als ich durch die äußere Stadt geackert hatte und endlich da ankam, wo ich hinwollte – ans KASPISCHE MEER – und die Innenstadt von Baku erreicht hatte, musste ich erst mal die Luft anhalten und staunen. Eine Stadt am Meer ist immer was Schönes aber Baku steht in der Rangfolge gewiss ganz weit oben. Erstmal scheint es so zu sein, dass auch heute errichteten repräsentativen Gebäude im alten Baustil des Anfangs des 20. Jahrhunderts gebaut werden. Beeindruckend auch, dass die sandfarbene Außengestaltung so konsequent beibehalten wird. Die Farbe der Steppe und Wüste eben.

 

                                                                                                                                                                       bei Tag ...

                                                                                                                                                              ... und bei Nacht

 

Auf dem rechten Bild sieht man im Hintergrund die „Flammenden Türme“. Wunderschöne Gebäude (180m hoch), die nachts ganzflächig mit LEDs wunderschön mit wechselnden Farben und Mustern, bewegten Bildern, Flammen, Figuren illuminiert sind. Wirklich ein schönes Schauspiel. Gestern bin ich hochgefahren, hab mich in den „Farvelas“ verfahren, bin an einem aus der Erde herausragenden Rohr abgerutscht und bin hingeflogen und Knie innen am Auspuff versengt, weil ich nicht schnell genug das Bein unter der Maschine rauskriegte. Das nur nebenbei. Dafür wurde ich dann wundervoll belohnt. Ich führ vor den einen Turm, der ein Hotel beherbergt und fragte beherzt einen netten Portier, ob ich nicht irgendwie mal nach oben dürfte? Er holte sich die Erlaubnis beim Manager, wir fuhren nach oben und ich durfte einmal für eine halbe Stunde in einer 5000-Dollar-Suite verweilen mit einem atemberaubenden Blick auf Stadt und Bucht. Hier, nur auf der Erde, da der Berg noch nicht bebaut war, stand ich vor vielen Jahren mit Marianne und Claudia und staunte wahrscheinlich genauso. Leider hatte ich noch die Einstellungen der Nachtaufnahmen vom Vorabend in der Kamera. Aufregung halt.

 

                                                  Die Türme, der freundliche junge Portier, die Badewanne und der großartige Blick auf die Bucht und der Wohnraum

 

Dazwischen dann ragen die supermodernen, architektonisch einmaligen Spitzenleistungen heraus. Diese Mischung ist einfach faszinierend. Die wichtigen Straßen sind superbreit, verleiten aber viele zum „Brettern“, dass man als kleiner, unbeachteter Motoradfahrer Muffensausen bekommt und höllisch aufpassen muss. 

 

Ich muss hier Schluss machen. Am späten Abend habe ich erfahren, dass ein Schiff von ALAT, 70 Kilometer südlich von Baku, morgen früh um 08:00 nach Kasachstan abgeht. Wann die nächste geht, weiß man nicht. Ich wäre so gerne noch ein, zwei Tage hiergeblieben, die Wohnung ist schön, die Stadt noch schöner zum Bleiben. Sehr Schade!

 

Ich muss noch berichten von OLGA und DAMIEN ABBOU, von ADRIAN und alten/neuen Problemen mit meiner GABEL. Und natürlich vom HYDAR-ALIYEV-MUSEUM. Ich muss den Wecker auf 4:00 stellen und darf nicht verschlafen. Fünf Stunden von jetzt. Überstürzter Abschied von ASERBAIDSCHAN.

 

Auf dem Schiff geschrieben.

  

Die Tage verfliegen und die Eindrücke wechseln oft so schnell, dass ich grübeln muss, was war eigentlich z.B. vorgestern und davor?

 

Als ich in der Altstadt nach einem Quartier Ausschau hielt, Winkte mir ADRIAN (Rumänien, Softwareingenieur in Holland) über die Straße zu. Er hätte schon von mir über einen anderen Freund gehört. Fast an der gleichen Stelle in Armenien ist auch ihm der Kupplungs-Bowdenzug seiner gebrauchten 600€-Yamaha gerissen und er wisse nicht so recht, wie weiter. Ich hatte die 6mm-Quetsch-Mutter-Lösung, falls er keine bessere hätte. Mit ihm hinten drauf fuhren wir in sein (und später mein) Airbnb-Quartier, fanden eine Fahrradwerkstatt, die über einen schweren Hammer verfügte und kloppten auf dem Bordstein die Mutter zusammen. „Mich hätte der liebe Gott geschickt“. Am nächsten Morgen, nach Fremdbatteriestart fuhr er los, auch in meine Richtung und wollte das Motorrad am Ende einfach auf dem Flughafen in Kasachstan stehen lassen und nach Hause fliegen. Er hatte nur gut zwei Wochen Reisezeit und die Tagesetappen-Planung in einer Excel-Tabelle gespeichert. Da waren Tagesetmale von 800 Kilometern dabei. Auch so kann man reisen. Puuh!                                                                                                                                    (Adrian mit Sohn von Damien) 

Abends war ich bei Olga und Damien Abu und ihren kleinen Sohn zum Abendbrot eingeladen. Sie wohnten ein paar Treppenhäuser weiter. Olga stammt aus Rumänien und Damien, geboren in Marokko, ist Franzose. Er war als Polizist und „Sicherheitsmann“ in Pakistan, Afghanistan und sonst wo im Einsatz und zurzeit in der französischen Botschaft in Baku. Rentnerleben dann im kommenden Jahr mit 58 in Zentralfrankreich. Olga hatte ein leckeres Abendbrot mit Kisch, Salat und Kuchen bereitet und wir hatten einen schönen Abend zusammen.

 

Ich werde meinen technischen Kram künftig in blauer Farbe schreiben. Dann kann derjenige, dem das langsam zu langweilig und blöd wird, einfacher drüber hinweg gehen. 

 

Die Gabel klemmt zunehmend leicht. Unter meinem Neopren-Schutz der Holme fand ich ringsum feine Riefen im polierten Stahlrohr. Außerdem knall sie beim Ausfedern hart an den Anschlag. Nachdem ich vor kurzem wegen letzterem Übel zweimal den Ölstand erhöht hatte baute ich die Gabel aus und erneuerte das Öl komplett, weil es tiefschwarz mit Aluminium-Abrieb-Partikeln verdreckt war. Trotzdem suchte und fand ich am nächsten Tag eine Motorradwerkstatt, die tatsächlich dickeres Gabel-Öl hatten. Jedenfalls Reste, die wir zusammenmischten. Die Arbeit ließen sie mich alleine machen, was mir immer am liebsten ist, fanden auch noch einen stabilen 5-Liter-Kanister, der wie gemacht war für meine kleine 3-Liter-Halterung mit 3,5 l Motoröl für den nächsten Ölwechsel nach den nächsten 3000 km. Erst in Russland „würde ich wieder gutes Öl bekommen“. Gabel-Öl nahm ich auch noch mit für den nächsten Wechsel. Eigentlich hält es ewig aber eigentlich fährt man auch mit einem ordentlichen Motorrad los. Zum ersten Mal musste ich außergewöhnliche 250mml Motorenöl auffüllen. Das deutet auf Kolbenring-Verschleiß oder sogar den Bruch eines Kolbenrings hin. Hoffentlich nicht.

 

Das Hydar-Aliyev-Museum 

 

Das ist eines der architektonisch beeindruckendsten Bauwerk, die ich jemals gesehen habe. Die Verehrung für den Präsidenten, der die Unabhängigkeit von der Sowjetunion vollzogen hat, muss sehr groß sein.

 

 

Es beherbergt neben der Ehrung des Präsidenten ein paar kleine Ausstellungen und zurzeit tage gerade ein UN-Kongress über „Public Cervices …“, was auch immer dahinterstecken mag und ein Teil war dafür gesperrt.  Blicke für die Seele - von außen und von innen.

 

 

Das war ein bisschen Aserbaidschan. Der größte, südliche Teil ist dünn besiedelt und meistens trocken. Woher die enge Beziehung zur Türkei kommt, weiß ich nicht. Die Schriftsprache ist ähnlich und wie ich hier auf dem Schiff bemerke, verständigt sich die Besatzung offenbar mühelos mit den türkischen Truckern. die den Ruhetag auf der Fähre mit einem ordentlichen Bett, Dusche und Essen bestimmt genießen. Ich muss mehr lesen und erfahren über die Länder, in den ich gerade unterwegs bis …

 

                                                Noch ein Geschenk zum Abschied – beim Verlassen der Stadt ging gerade die Sonne über dem Hafen von Baku auf