An der Baumgrenze auf 1500 m Höhe
An der Baumgrenze auf 1500 m Höhe

 

Nicsic (Nikschitsch), am 19.05.2022

 

 

Seit gestern also bin ich in Montenegro unterwegs. Berge, Flüsse, Kurven. So war auch der heutige Tag. Auf dem ersten Teil meiner Tour hatte ich wieder kleine Straßen fast nur für mich allein, bis ich an der „Tara-Schlucht“ auf eine Straße kam, die als touristische ausgeschildert war. Auf der kamen mir etwa zehnmal Motorrad-Truppen zwischen zwei bis zu zehn Mann entgegen. Die fahren natürlich auf „richtigen“ schweren Bolzen. Unter 800 Kubikzentimeter geht da nichts und ich glaube, zu Schrauben gibt´s an diesen perfekten Monstern auch nichts. Auf so einem italienischen Zickenbock ist hier niemand unterwegs. In exotischen Gegenden ist es immer nur so lange schön, bis sie im ersten Reiseführer empfohlen werden.

 

 

 

 

 

Etwa 80 Kilometer zieht sich die Tara-Schlucht durch das Herz Montenegros, ragt an ihrer tiefsten Stelle 1300 Meter tief in das Felsgestein und bildet damit den längsten Canyon Europas. Die Durdevica-Tarabrücke wurde 1940 erbaut und hat unter dem letzten großen Bogen, unter dem die Tara 170 Meter tiefer munter hindurch sprudelt zum Spaß von Freunden des Raftings. Sehr beeindruckend, das Bauwerk.

 

 

So sieht der Nationalpark „Durmitor“ von weitem aus. Er beherbergt auch mit 2500 Metern den höchsten Gipfel Montenegros, den Bobotov Kuk. Auf 5 Kilometern im Umkreis um den Skiort sind Hunderte (oder Tausende?) meist neue Hütten auf den grünen Wiesen verstreut. Da muss was los sein im Winter! Zum Glück gab´s eine Tankstelle. Ich hatte es versäumt, am Morgen beim Losfahren zu tanken. Meine beiden Käse sind immer noch genießbar – jedenfalls in guter Stimmung auf einer Blumenwiese in so schöner Umgebung. 

 

Und da irgendwo quer hindurch bzw. oben drüber führt eine sich ordentlich schlängelnde Straße. Jedenfalls weiß Google Maps davon. Zum Glück gab es am Einstieg Bauarbeiter, die auf einer Wiese ein kleines Holzhaus zusammennagelten. „Nein, da käme ich zurzeit nicht drüber. Snjeg“. Wegen Schnee also ist sie noch nicht befahrbar. (Es ist nicht von Schaden, wenn man sich in ein paar Sprachen wenigstens ein bisschen verständlich machen kann). Nicsic hat einen kleinen alten Stadtkern, der Rest sieht „sozialistisch“ aus, aber in Schuss. In meiner Straße gibt es `ne Menge sogenannter Cafés (Bier & Kaffee). Nur mit Not fand ich einen Laden, der Fertigpizzas aufbackt.

Ulcinj, der 21.05.2022

 

 

Ich weiß nicht, was für einen Motorradfahrer besser wäre: in den Begrenzungssteinen hängen zu bleiben oder gleich in die Tiefe zu stürzen. Will ich aber gar nicht rauskriegen. Ansonsten hatte ich gestern Fahrspaß PUR fernab der Hauptstraßen, wenn auch mit so mancher Anstrengung. 

 

 

 

Das Kloster „Ostrog“,das 1656 ein paar hundert Meter über dem Land vor eine flache Felshöhle „geklebt“ wurde.  Vor 15 Jahren hatte es noch maroden Charme – heute ist alles frisch getüncht mit Shuttle-Service vom Busparkplatz ein Stück tiefer. Es waren aber nicht viele Menschen unterwegs. Wie überhaupt an den „touristischen“ Orten. Während Corona hat viel touristische Infrastruktur gelitten und die Saison hat wohl noch nicht begonnen. Die Schildkröte hat mir gestern zu meiner täglichen guten Tat verholfen. Ich habe sie von der Straße getragen – aber auf die Seite, wo sie hergekommen ist. Falls sie wirklich was vorhatte auf der anderen Seite und sie es nicht vergessen hat, war meine Tat vielleicht umsonst…

 

 

So wundervoll ist der nordwestliche Teil des Shkodra-Sees durch den die Grenze Montenegro/Albanien geht. Diesen Blick kann aber nur genießen, wer abseits der normalen Straße 50 Kilometer auf enger kurviger Straße  hoch über dem See nach Ulcinj fährt, mehr als zwei Stunden investiert. Bei einem Imker erstand ich unterwegs diesen Ess-Kastanien-Honig. Der hat so intensives Aroma, dass es einem regelrecht in den Gaumen beißt! Der wird jetzt meinen Käse, der doch nicht durchgehalten hat, ablösen. Einen großen Löffel habe ich dabei.

 

 

Heute habe ich hier in Ulcinj einen Tag Pause eingelegt. Wenn man schon mal an das Blau der Adria kommt, kann man nicht einfach vorbeifahren. Der ehemals orientalische Charakter hat sich in ein Touristennest verwandelt. Früher duftete es aus den Küchen nach Lamm, Zwiebeln und altem Fett – heute nach Pizza, Pasta und Burgern allerdings mit dem Unterschied, dass diese keinen Duft verströmen. Die alten Natursteinhäuser sind den Apartmenthäusern gewichen. Damals in Kroatien hörte ich schon, dass die Russen hier wie die Teufel investieren. Nichtsdestotrotz hatte ich heute einen schönen Tag auf runden Steinen am Strand und war ein paarmal im Wasser, das wie überall an der östlichen Adriaküste glasklar aber noch ziemlich frisch ist (20 Grad?). Also, morgen auf nach Albanien, das vor Kurzem noch verschlossen, wie Nordkorea war. Na ja, „vor Kurzem“ – die Jahre fliegen im Alter immer schneller vorbei. Wie ein Strudel im Abfluss. Der wird auch immer schneller, wenn nicht mehr viel drin ist.