Dharamsala, am 19.9.2017   https://de.wikipedia.org/wiki/Dharamsala 

 

Angekommen in Indien. 

An der Grenze war gähnende Leere. Die Abfertigung auf beiden Seiten dauerte etwa 3 Stunden, obwohl ich fast der Einzige war, der die Grenze in der Zeit passiert hat. Der Grenzer auf der indischen Seite spielte Solitär und ließ sich nur widerwillig stören. Zum Glück hatte der Drogenspürhund keine gute Nase, sonst hätte er mitbekommen, dass kürzlich noch eine Tüte in meinem Tankrucksack war. Wahrscheinlich war er aber genauso unbeeindruckt von dem Kraut wie ich, als ich es rauchte. Es gab keine Probleme aber ich musste unzählige Male die gleichen Formulare oder Dienstbücher-Zeilen füllen.

 

 

 

In Amritsar, der ersten indischen Stadt ging ich sofort auf die Suche nach einer indischen SIM-Karte. In drei Läden bekam ich eine Abfuhr. „Ohne indischen Ausweis bekäme ich keine Telefonkarte. In solchen Fällen bekommt man dann so unsinnige Vorschläge, wie mir einen indischen Ausweis zu beschaffen und beschreibt mir dann auch noch genauestens den Weg zur Behörde. So tuckerte ich ziellos die Straßen auf und ab, in der Hoffnung, dass mir irgendwas, über den Weg laufen wird. Ein kleiner AIRTEL-Laden war einen erneuten Versuch wert. Nein, hier könne man das nicht machen aber im AIRTEL-Hauptbüro könnten Ausländer eine Karte kriegen. Da es 10km weit weg und um 20 Ecken lag, sollte ich eine halbe Stunde warten, dann könne er mich hinbringen. Es ging dort mit Passkopie und einem -bild alles ganz schnell und unkompliziert. Ich lud die beiden, die mich mit ihrem Motorrad hingleitet hatten, zum Essen ein und wir tranken 2 Liter herrliches frisches Fassbier aus. Bei zwei Hotels wollte man mich als Ausländer aus „Sicherheitsgründen“ nicht auf aufnehmen, beim dritten bekam ich ein Bett und war angekommen in Indien.

 

 

Direkt am weißen Strich des Grenzüberganges halten beide verfeindeten Länder jeden Tag um 17:00 eine pompöse und spektakuläre Flaggenparade mit Tausenden angereisten Zuschauern ab, die dem Spektakel von den Tribünen aus zuschauen. Auge in Auge, wie zwei Kampfhähne. Ich bin durch die noch leeren Tribünen hindurchgetuckert. Als ich aber nach 15:00 in die indische Freiheit entlassen war, strömten mir die Massen auf der indischen Seite entgegen. Ich hätte das auch gerne gesehen – es war mir aber zu spät.

 

 

Kaum zu glauben, dass es – ich glaube am einzigen pakistanisch-indischen Grenzübergang -  zwischen zwei Nachbarländern keinen regen Grenzverkehr gibt. Zu sehen: das pakistanische Tor und dahinter die indische Arena.

 

 

Am nächsten Tag folgte ich dem Tipp, nicht nach Kaschmir in die Berge rein zu fahren, sondern hierher an den Südrand des Himalaya nach DARAMSALA und später nach MANALI. Erst fuhr ich 100 Kilometer durch flaches Reisland bei wenig Verkehr am Sonntag, dann wurde es hügelig und am Ende ging es steil bergauf an die steilen bewaldeten Abhänge des Gebirges. Wieder mal habe ich den Beweis, dass ich manchmal wie ein Frisör losfahre. Ich hatte zwar schon in der Karte gesehen, dass hier der Dalai Lama sein Exil-Zuhause hat, wusste aber nicht, dass das hier die Exil-Hauptstadt Tibets ist mit allem Drum und Dran. Mit Parlament, Regierung, Behörden, Klöstern und Schulungseinrichtungen. 

 

Der Blick aus meinem schönen Quartier. Hier hängen tausende Hotels und Herbergen für tibetische Pilger, Indische Ausflügler und westliche Touristen auf dem Selbstfindungstrip bei Yoga-, Meditations-, Heilkunde-, Koch-Kurse oder zum erfüllenden Abhängen und Chillen an den steilen grünen Bergen.

 

Heute besuchte ich die „Dalai-Lama-Palastanlage“ und das Tibet-Museum, in dem hauptsächlich die Besetzung und die kommunistische und kulturelle Unterwanderung der tibetanischen Gesellschaft und Kultur durch China dokumentiert wird. Um 1950 marschierte China mit Militär in Tibet ein, das – so wie es dort dargestellt ist, niemals vorher Teil Chinas war. Die Besatzer knebelten das Land und vertrieben hunderttausende Tibeter vor allem nach Indien, Pakistan, Nepal und Bhutan. So erklärt sich, dass hier nun seit Generationen so viele Tibeter leben. Die Vereinnahmung durch China und die nun zunehmende Unterwanderung der tibetischen Bevölkerung durch Chinesen sind völkerrechtlich umstritten. Viel mehr weiß ich nicht zu Tibet, wahrscheinlich, weil es dort keinen Hafen gibt und ich somit keine Gelegenheit zum Anlegen hatte.

 

Der „Dalai-Lama-Palast“ besteht aus schmucklosen zusammengewürfelten Zweckgebäuden, im Tibet-Museum kam ich zum ersten Mal näher mit dem Tibet-Problem in Berührung.

 

 

Dieses Schild an meiner Tür raus zum Balkon, der etwa 20 m über dem Boden ist, fand ich ziemlich lustig, bis ich einen Schatten an meinem Fenster vorbeihuschen sah und als ich in der offenen Tür stand, stand er vor mir mit gefletschten Zähnen und wollte an mir vorbei oder oben drüber über mich rein in mein Zimmer. Mein Fußtritt hat ihn wohl überrascht und er türmte.

 

 

Morgen früh steige ich wieder in den Sattel, muss 100 km zurück und dann doch hinein nach Kaschmir und in den indischen Himalaya solange das Wetter noch mitspielt. So, nun bin ich endlich wieder mal auf dem aktuellen Stand mit Schreiben. Es hat wieder viele, viele Stunden gekostet. Neuerdings spinnt nun auch noch öfters mein kleiner Rechner und macht komische Sachen. Das nervig miserable Internet bleibt wohl ein Dauerstressproblem.

 

 

 Jammu (Kaschmir), der 20.09.2017 

 

Was Wesentliches gibt es heute nicht zu berichten. Ich habe meinen kleinen Reisebegleiter, der mit mir meistens die Abende verbringt und dem ich alles, was ich so erlebe, anvertrauen kann, heute mal aus einem anderen Grunde ausgepackt. Ich trinke nämlich nicht gerne alleine, wie die meisten Trinker. Beinahe hätte ich behauptet, dass ich seit Istanbul keinen Alkohol mehr getrunken habe. Das stimmt ja gar nicht. Hier in Indien gibt es „Wine Shops“, die haben aber Wein und Getreide nur in gebrannter Form. Durch die Luke habe ich mir ein Fläschchen vom besten Whisky rausreichen lassen. Der schmeckt zwar nicht nach meinem beliebten Scotch aber trotzdem gut.

 

Die 200 Kilometer von Dharamsala bis hierher habe ich heute, da sie einfach waren, in nur 4-5 Stunden geschafft. Für die gut 250 morgen würde ich 6-7 brauchen, sagte man mir gerade. Mal für die, die sich über mein Schneckentempo amüsieren: Ein Kilometer hier hat nichts mit einem von zu Hause zu tun. Abgesehen von den oft schlechten Straßen und den unendlichen Kurven gibt es hier nicht so etwas, wie flüssigen Verkehr. In den Ortsdurchfahrten beharkt man sich gegenseitig, Abbiegen aus der äußersten rechten Position nach links aber natürlich erst auf der Kreuzung oder Stehenbleiben mitten auf der Straße, egal, wie viele sich dahinter aufstauen usw. Das kenne ich ja alles schon. In den iranischen Städten fahren die Leute auf den eigenen Vorteil bedacht aber kalkulierbar. In Pakistan abgeschwächt das Gleiche aber immer mit Rücksicht auf die Sicherheit der Anderen. Hier in Indien – so meine kurze Erfahrung – brutal und vollidiotisch ohne Rücksicht auf das Leben Anderer. Die Langsamsten, Trecker und LKWs fahren rechts (auch hier ist Linksverkehr) und rußen und tuckern so dahin, was in Ordnung ist, weil die sich auch durch nichts beirren lassen. Ich bin ja nun in vielen Ländern gefahren und überall hat man den Stil des Fahrens schnell geschnallt. Er ist kalkulierbar, weil er ungeschriebenen Regeln folgt. Hier lässt sich nichts vorhersehen, was andere im nächsten Augenblick machen werden. Die Rückspiegel können sie alle abbauen. Schaut sowieso keiner rein, bevor er  einen Schlecker, aus welchen Gründen auch immer, bis an den Straßenrand macht. Blöde nur, wenn man den Bus schon halb überholt hat. Überholen in der Kurve oder in der dritten Reihe? „Kein Problem – ist ja nur ein Motorrad, das entgegenkommt. Ich habe doch Lichthupe gemacht“. Die Busse scheinen das „Vorrecht zu haben, nicht vom Gas zu müssen, weil sie ja auch die lautesten Hupen haben. Und das sind keine Hupen – das sind psychologische Waffen in allen brüllenden Melodien.

 

OK, es reicht. Heute sah ich einen Motorroller unter einen Bus gequetscht, den die Passagiere gerade verließen. Ich wollte nicht sehen, wo sich der Rollerfahrer gerade befand und fuhr vorbei. Es ist mir bisher selten passiert aber hier fühle ich mich (noch) sehr unbehaglich im Verkehr und sollte mich vorsehen. Und langsamer fahren. Und aufhören darüber zu meckern und die Idioten zu beschimpfen – bringt ja nix. Heute sagte mir jemand: „Du musst Dich nur auf DEINE Augen verlassen, und auf keinen Fall darauf, dass andere ihre auf Dich gerichtet haben“. 

 

Ich weiß, dass ich bei dem, was ich hier vorhabe, wieder auf beschwerlichen Pisten landen werde und hatte mir vorgenommen, „noch ein letztes Mal“ meine Gabel auseinander zu bauen. Herbert Schajor hatte mir bei meiner letzten Aktion noch einen Tipp gegeben, nur 370ml (anstatt nach Werksangaben 500ml) an Öl in die Gabelholme zu füllen. Das dann größere Luftvolumen könnte sie weicher machen. Nach der letzten Aktion hatte ich dann beim Fahren festgestellt, dass sich nicht wirklich geändert hatte. Als ich hier in Jammu ankam, sah ich zufällig eine Bude, die nur Federungen reparieren. „Nein mit diesem Model kennen sie sich nicht aus“. Ob sie denn Gabel-Öl hätten. Nein, aber dort um die Ecke vielleicht. Dort hatte man und ich alter Gabel-Fuchs machte mich unter Beobachtung eines interessierten Publikums vor der Werkstatt selber dran. Nach 15 Minuten waren Vorderrad, Gabelholme raus und zerlegt und mit Benzin ausgewaschen. Beim Zusammenbauen assistierte der Meister, dessen Werkstatt ich benutzen konnte und meinte, ich wäre „handsome“, was ich bis bisher gelegentlich nur von (nichtdeutschen) Frauen zu hören bekommen hatte. Über Erfolg oder Misserfolg kann/will ich noch nichts sagen.

 

In fünf, sechs Hotels, von denen es hier in dem speckigen Teil der Stadt unzählige gibt, bekam ich zu hören, sie seien ausgebucht. Das glaube ich nicht. Irgendwas Anderes steckt dahinter. Kaschmir gilt ja nicht als besonders harmlos, was „Terrorismus“, wie man heute so gerne sagt, anbelangt, und da denke ich, die Hotels wollen sich mit einem Ausländer keine Laus in den Pelz setzten. Meine Maschine steht auf der Straße vor dem Hotel und ich glaube mal daran, dass der Nachtportier sein Versprechen einhält und sie bewacht und nicht verhökert.  

Als ich feststellte, dass mein Telefon keinen Empfang mehr hat, erinnerte ich mich, dass die normalen SIM-Karten (ebenfalls aus Terrorismusgründen) in Kaschmir nicht funktionieren würden. Mit zwei Passkopien und zwei Passbildern bekam ich unkompliziert eine Kaschmir-SIM, die ich morgen Nachmittag freischalten können soll. Diese soll punktuell in den großen Städten Kaschmirs funktionieren. 

So, genug geschwatzt. Die Flasche ist leer, ich bin duun und müde und falle jetzt ins Bett.

 

Srinagar, der 24.09.2017 

 

Sechs bis sieben Stunden nach Srinagar in Kaschmir? Ich war zehn Stunden im Sattel mit zwei kleinen Pausen für eine Fanta und was Fettgebackenes auf die Hand. War das eine Tortur! Die ersten 50km waren Schnellstraße. Danach kamen 50 km Schnellstraße im Bau, was in dem Falle heißt, dass eigentlich von der alten normalen Straße nichts mehr übrig war. Für die Verbreiterung auf 4 Spuren fraßen sich die Baufirmen mit Zähnen, Krallen und Maschinen in die felsigen Hänge hinein. Im feinen Lehmstaub, den die Fahrzeuge aufwirbelten, konnte ich oft keine zehn Meter weit sehen, der Ruß der schweren Fahrzeuge, den passenden Krach und die brutale Fahrweise gab es gratis. Es war wirklich fürchterlich. Hundertmal Stillstand, weil keiner mehr vor und zurück kam. Wenn schon zwei LKW auf normaler Straßenbreite neben einander stehen, dann macht der dritte einfach mal die dritte Spur in den Gegenverkehr hinein auf und andere folgen dann natürlich sofort. Und ich dazwischen eingeklemmt neben einem rußenden Auspuff und finde keine Lücke mehr hinaus. Na ja, und alles hupt in den Stillstand hinein. Ich habe es wieder mal nicht hinbekommen, die Wirklichkeit in Bildern festzuhalten, weil ich da einfach nur durchwollte. Acht von zehn Fahrzeugen waren LKW und Busse. Die bunten LKW sind kürzer als unsere Autobahnmonster. Die restlichen 150 km waren – etwas abgeschwächt – eigentlich genauso. 10 Stunden im Dreck!

 

Na ja, und alles hupt in den Stillstand hinein. Ich habe es wieder mal nicht hinbekommen, die Wirklichkeit in Bildern festzuhalten, weil ich da einfach nur durchwollte. Acht von zehn Fahrzeugen waren LKW und Busse. Die bunten LKW sind kürzer als unsere Autobahnmonster. Die restlichen 150 km waren – etwas abgeschwächt – eigentlich genauso. 10 Stunden im Dreck!

 

Als es dunkel wurde, suchte ich mir immer einen PWK, mit passendem Tempo und verließ seinen Unfall-Kernschatten möglichst nicht. Mit meinem linken „Streulicht-Auge“ hätte ich in den blendenden Gegenlichtern keine Chance zum Weiterfahren. Auf einem kurzen vierspurigen Abschnitt mit Mitteltreifen tauchte plötzlich ein unbeleuchteter Geisterfahrer frontal aus dem Halbdunkel vor mir auf, als ich beim Überholen war. Zum Bremsen zu spät sausten wir – beide geistesgegenwärtig zur „falschen“ Seite ausweichend – aneinander vorbei. Danach musste ich erst mal links ran und Luft holen. Es macht hier wirklich keinen Spaß zu fahren.

 

 

Im Dunkeln in Srinagar glücklich angekommen, gabelte mich Muneer auf einer Kreuzung auf. Ich könne auf seinem Hausboot übernachten. Hausboot? In Kaschmir in 1.500 Metern? Er klemmte sich hinter mich bis zu meinem Quartier. Über einen schwankenden Steg erreichten wir das Boot. Im fahlen Licht sah ich nur eine „grüne Wiese“ ringsherum und konnte mir irgendwie keinen Reim machen. Innen dann überraschte mich ein Charme, der in die Jahre gekommen ist.                                                                                                 Erster Salon, zweiter Salon, mein Schlafraum

 

 

Ich weiß (noch) nicht, wann es mit den Hausbooten hier auf dem Dal-Lake angefangen hat. Kai sagt mir gestern am Telefon, dass Salman Rushdi ein Buch geschrieben hätte über Srinagar, den See und die Kultur der Hausboote, die in so einer Region ziemlich einmalig sein müssten. Jedenfalls waren es die Engländer in der Kolonialzeit, die hier vor der Hitze des Flachlandes auf die Boote flüchteten, die an schönen Stellen verankert wurden. Zum Hausboot gehörte immer ein Dunga-Boot, auf dem die Bediensteten wohnten und auf dem gekocht und gewirtschaftet wurde. Dieses Hausboot hat zwei Salons und zwei Schlafräume mit „Bad“. Die boote waren/sind sehr pompös mit Teppichen und Lüstern ausgestattet. Auf meine Frage, ob es denn hier auf dem See eine Slipanlage für Holzarbeiten unter Wasser gäbe. Die gibt es hier erst seit ein paar Jahren.  Die Boote kamen nie aus dem Wasser. Dieses hier ist etwa 70 Jahre alt, aber wer weiß das schon so genau. Jedenfalls hat seine Mutter auf dem Dunga-Boot nebenan 60 Jahre lang gelebt und 5 Kinder geboren, hat nun Asthma und ist herzkrank. Die Boote werden von oben kalfatert und wenn da nichts mehr zu kalfatern (Ausstopfen der Ritzen mit Werg) ist, dann werden von oben Brettstückchen auf die sprudelnden Lecks genagelt. Jeden Tag muss ausgeschöpft werden. Kaum zu glauben, dass dann immer noch über eintausend davon auf dem sehr verzweigten See an den Ufern liegen. Auf dem See werden kleine Boote, sogenannte „Shikara“ zum Vergnügen für Touristen oder als Verkehrsboote über den See gepaddelt. Im Augenblick allerdings einen Monat lang durch einen grünen Teppich aus Schwimmpflanzen, was die „grüne Wiese“ erklärt.

 

 

Ich wusste - wie meistens nicht - wie lange ich bleiben würde. Heute sind´s 3 Tage. Nach der Tour hier hoch war es paradiesisch, einfach hier auf dem Boot zu sein. Muneer zeigte mir die Stadt, die eine sehr schöne, kaum sanierte Altstadt mit einem sehr schönen Baustil hat. Kaschmir hat ja eine überwiegend muslemische Bevölkerung. Vor dem großen Konflikt, traurig, dass ich nicht weiß, wann, lebten sie friedlich mit den Hindus zusammen, die dann aus ihren Häusern türmen mussten.

 

 

Wir besuchten zwei schöne Parks mit dem Blick über den großen Teil des Dal-Sees. Die Stadt liegt am nördlichen Rand einer großen Hochebene, auf der vor allem Reis angebaut wird und stößt hier an die „wirklichen“ Himalaya-Berge an. Als ich mit Google Maps vorhin meine „Lage peilte“, stellte ich fest, dass ich fast zum Nanga Parbat, der nur 250 km entfernt ist, spucken könnte.

 

 

Das erklärt auch die starke Präsenz der indischen Armee. Überall Patrouillen, Kontrollposten, mit Maschinengewehren bewaffnete Fahrzeuge und allerorts Kasernen. Besatzung kann nicht deutlicher demonstriert werden, zumal die Militärs nicht sehr freundlich dreinblicken. Kaschmir hatte vorher keine Armee und als Pakistan hier einmarschierte, ich glaube in den 60ern, rief Kaschmir die indische Armee zu Hilfe, die es nun nicht mehr loswerden wird. Die islamischen Kaschmiris leiden unter der indischen „Besatzung“ und werden „von oben herab behandelt. Angeblich provoziert Indien immer wieder Zwischenfälle, um von ihrer Notwendigkeit zu überzeugen und, wie Muneer meint, um internationale Touristen als Augenzeugen der Verhältnisse aus Kaschmir fern zu halten . Wie über Tibet weiß ich auch hier wieder mal zu wenig. Das ärgert mich. Bei mir folgt alles so schnell aufeinander, dass ich weder richtig zum Nachdenken, noch zum Nachlesen komme. Immer fehlt mir Zeit für mich. Jetzt treibt mich z.B. der nahende Winter.

 

 

Muneer.

 

Wie kommt es nur, dass ich immer wieder auf Schicksale stoße, die mich sehr berühren und verfolgen. Muneer ist ein lieber und bemitleidenswerter und verzweifelter armer Hund. Er wurde auf dem Boot geboren, hat irgendwie an verschiedenen Schulen die 8. Kl. geschafft (als einmal was aufschreiben sollte, fiel es ihm schwer) und sein Leben war mit dem Boot verbunden, auf dem auch er geboren wurde. Als seine Mutter wegen ihrer Leiden nicht mehr auf dem Boot leben konnte – immer Wasser unter den Brettern des Lebensraumes, im Winter als Eis, Schnee von oben, das Boot voll zugig, weil es nur aus Ritzen besteht und keine Heizung – verkauften sie ein Hausboot und zahlten damit die Hälfte (12.000 €) eines festen Hauses an (in dem Mutter, Schwester und jüngerer Bruder nun wohnen. Der Tourismus ist eingebrochen und aus der einzigen Unterhaltsquelle, dem Hausboot und Trecking- oder Bootstouren, kommt kaum noch was raus. Bezahlte Arbeit gibt es keine. Da inzwischen Angebote auf das Haus in doppelter Höhe vorliegen, macht der Vorbesitzer Druck. Muneer schöpft tags und nachts die Schiffe gegen das Absaufen aus und hat kein Geld für Reparaturen. Ihm graut vor dem nächsten Winter, wenn der Schnee kommt. Der sorgt für mehr Tiefgang in einen Bereich hinein, wo die durch Austrocknung entstehenden großen Ritzen liegen. Frage: „Warum kann Dein Bruder Dir nicht helfen?“ Weil er die Frauen nicht alleine im Haus lassen kann. Seine Schwester, die er wie Mutter und Bruder sehr liebt, würde ihm gerne helfen aber die könne wiederum die Mutter nicht verlassen und muss sie pflegen und betreuen.

Ich weiß, das klingt für uns alles ziemlich bescheuert aber es gibt hier Mechanismen, in denen sind die Menschen gefangen und können da auch nicht raus. Freunde, Nachbarn = Hilfe, Vertrauen oder wenigstens die Möglichkeit sich anzuvertrauen: Fehlanzeige. Munee ist nicht blöd und kennt die (einfache) westliche Lebensweise und schüttelt nur den Kopf. Er würde für das Haus die Boote und damit seine Lebensrundlage verkaufen aber die Preise sind im Keller. Vor drei Jahren hätte er das Haus damit noch bezahlen können. Wir haben Haus und Schwester besucht, die Mutter war beim Doktor, schlicht aber grundsolide.

 

Er hat sich rührend um mein Wohlbefinden gekümmert. Am letzten Abend schöpfte er seine Shikara, sein kleines Boot, leer und paddelte mich im Dunkeln zwei Stunden lang durch die Seen- und Kanallandschaft mit den romantisch beleuchteten Hausbooten. Es gibt eine Menge verrottete wie seine, aber auch viele sehr schön restaurierte, die an den Ufern in traumhafter Lage angebunden sind. Früher gehörten die Hausboote Familien, Besitzer der restaurierten sind heute „Investoren“.

 

Leh, Ladakh/Tibet, 26.09. bis 02.07.2017

(nachgeschrieben am 14.10.2017 in Pushkar/Rajasthan) 

 

Da jeder einmal im Leben an den wichtigsten der magischsten Orte der Welt gewesen sein muss, so bin ich nun in LEH in der Himalaya-Region Ladagh im indischen Teil Tibets, auf den China so scharf ist – so wie Pakistan auf das moslemische Kaschmir. Es war wieder einmal eine traumhafte Tour über 450 Kilometer, die mich versöhnt hat, mit dem, was vorher an Stress auf den indischen Straßen alles war. Die ersten hundert Kilometer waren unspektakulär durch Dörfer und landwirtschaftliches Gebiet. Als es dann zum ersten der beiden 4.000er Pässe hinaufging, wurde es wieder zu einer Traum-Tour. In KARGIL übernachtete ich – seit langem wieder mal in weißem Bettzeug. Die letzte Zeit schlief ich nur in Decken oder Steppdecken ohne Laken und Bettbezug, wobei es dann auch egal ist, ob sie vor vier Wochen oder vor einem Jahr zum letzten Mal gewaschen wurden. Aus den Betten meines Freundes Muree habe ich mir Sackratten oder anderes krabbelndes und beißenden kleines Viehzeug eingehandelt.

 

 

Leh hat über 20.000 Einwohner, ist Ausgangspunkt für traumhafte Touren in die Berge und hier, wo die Touristen für ihre Touren in die Bergwelt absteigen, habe ich mir mal ein schönes Hotel gesucht, kostet allerdings 20€ die Nacht Das schöne Zimmer mit Blick durch große Fenster und durch Napoleon-Pappeln hindurch auf die Berge habe ich bisher kaum genutzt.

 

Unterwegs habe ich die Krampe, die senkrecht in einem Stollen des Hinterradreifens steckte, raus gepopelt. Glück gehabt. Dafür stellte ich unterwegs fest, dass der hintere Teil meiner Karre schief und das Gepäcksystem wackelig war. Ich habe nicht unter die Verkleidung geschaut, weil ich wusste, es ist wieder mal was gebrochen. Also ging´s gleich am ersten Tag in eine wüste Karosserie-Klempnerei. Toller „Meister“. Nachdem ich das Gepäcksystem und alle Verkleidung abhatte, war der Schaden sichtbar. Ein Rohr des Heckrahmens war gebrochen und hatte sich ein Stück von seinem Gegenüber entfernt. Ein flinker Bursche baute alles, was Plastik war, aus und trennte alle Kabel, die in der Nähe eine Steckverbindung hatten, dass mir bange wurde. Der Rahmen wurde mit vereinten Kräften und Spannschraube, Kettenzug, Keilen wieder zurückgeholt und in Position gebracht. Tolle Schweißnaht mit Gas und eine Verstärkung oben drüber. Es ist unglaublich, mit wie wenigen Werkzeugen, so Autos geklempnert werden können. Blechschere für hartes 2mm-Blech? Das wird ausgemeißelt und wieder gerade gekloppt.

 

Beim Zusammenbauen, fand der Bursche einen versteckten Bruch auf der anderen Seite. Dieses Rohr hielt noch an einem „ seidenen Faden“ zusammen. Auch das wurde sauber geschweißt. Weit wäre ich damit wohl nicht mehr gekommen, bis ich das Heck hinterhergeschleift hätte. Da habe ich wieder mal Glück gehabt – auch weil sofort wieder Leute zur Stelle waren, die wussten, wer sowas kann und am Ende zahle ich immer einen „Freundschaftspreis“, den ich dann mit einem Trinkgeld an die, die beteiligt waren, wieder auffülle. Aber dann guckt der Meister immer ein bisschen irritiert.

Leh in der Region Ladakh

 

hat über 20.000 Einwohner, ist Ausgangspunkt für traumhafte Touren in die Berge und hier, wo die Touristen für ihre Touren in die Bergwelt absteigen, habe ich mir mal ein schönes Hotel gesucht, kostet allerdings 20€ die Nacht. Leh ist einer der höchst gelegenen, ständig bewohnten Städte der Erde. Auch hier biete ich wieder Wikipedia an:   https://de.wikipedia.org/wiki/Leh

Das schöne Zimmer mit Blick durch große Fenster und durch Napoleon-Pappeln hindurch auf die Berge habe ich fast nur zum Schlafen genutzt. Vor dem Fenster wäre ein schöner Platz zum Schreiben gewesen aber irgendwie – und ohne Internet – gelang mir nichts. Vielleicht fehlte auch nur Sauerstoff in der Birne. Immerhin liegt Leh auf 3.500 m Höhe. Das Wetter war traumhaft. Bis auf einen Tag, als ich eine Tempeltour in die Umgebung von Leh unternahm, hatte ich nur blauen Himmel mit ein paar weißen Wölkchen. Das richtige Wetter für kurze Tagestouren und den Super-Ausritt ins Nubra-Valley über den Kardung-Pass und hoch zum Bangong Lake mit Folgen für mein ansonsten gutes Wohlbefinden. 

Ausflug zu verschiedenen Klöstern in der Umgebung von Leh

Über den höchsten befahrbaren Pass er Welt. 

 

Mit leichtem Herzklopfen ging es aus dem Hochtal von Leh aufwärts. Die Papiere, um bestimmte Regionen zur Grenze nach China zu bereisen, hat mit Muzaffar, zu dem ich später noch komme, beschafft. Am Kontrollpunkt hielt Anita hinter mir auf einer Royal Enfield, mit der hier viele Inder in den Bergen unterwegs sind. Wir beschlossen, die Tour gemeinsam zu machen. Anita ist aus Holland und arbeitet zur Facharztausbildung für Herzchirurgie in Oldenburg. Vor ein paar Jahren fing sie mit dem Motorradfahren an, war u.a. alleine in Südamerika unterwegs und gerade vorher mit einer Gruppe von 13 Frauen aus aller Welt auf Motorrädern in Pakistan unterwegs. Frauen auf Motorrädern durch Pakistan! Da gab es einige prekäre Situationen, was ich mir gut vorstellen kann. Es waren nur 35 km bis nach oben.

 

Ein Teil von Leh von oben

 

 

In der Karte steht 5.606 m, mein Navi zeigte nur 5.370 m. Es ist einfach überwältigend, einen so berühmten Punkt der Erde erreicht zu haben, wenn auch nur mit Motorkraft und da oben zu stehen und sich zu freuen. Dass die Luft ziemlich dünn ist, merkt man bei jeder kleinen Anstrengung. Da heißt es: tief durchatmen und alles ganz langsam machen. Da oben ging es mir noch gut.

 

 

Danach ging es 2.000 m abwärts ins Nubra-Tal. Unterwegs sah ich zum ersten Mal die zotteligen Yaks aus der Nähe, die eine herbstlich-trockene Weide an einem Fluss abgrasten.

 

 

Die Sonne ging unter, als wir am breiten versandeten Flusslauf des Nubra River auf Hunder zusteuerten und eine Unterkunft fanden. Das etwa 150 km lange Tal liegt, wie Leh auch, auf 3.500 Metern.

 

 

Ich hatte ursprünglich vor, nur auf den Pass hoch und wieder runter zu fahren. Dem entsprechend war ich zwar mit meinen wärmsten Sachen aber ansonsten nur mit Zahnbürste unterwegs. Anita dagegen war voll ausgerüstet, u.a. mit zwei 5-L-Kanistern Sprit. In der Pension gab man uns noch einen leeren, weil er sonst hätte knapp werden können. 

An der einzigen Sprit-Zapfstelle weit und breit machten wir alles voll und knatterten los. 450 km lagen an den nächsten beiden Tagen vor uns, ohne Tankmöglichkeit. Nach 50 km legte Anita sich zwischen runden Klamotten mit ihrer Maschine hin. Der geschenkte Kanister war leck geschlagen. Schnell die Tanks noch mal auffüllen und den Rest in zwei leere Wasserflaschen, die wir aus einem vorbeikommenden Auto bekamen. So war alles wieder im Lot.

 

 

Die Straßen in dieser abgelegenen Grenzregion zu China sind erstaunlich gut. Meistens asphaltiert aber mit vielen Schikanen. Wegen eines der indischen Erzfeinde Indiens, China, kümmert sich die indische Armee um den Straßenbau hier oben. Indien ist nur von Feinden umgeben. China im Norden will den tibetanischen Teil haben, Pakistan im Westen das muslemische Kaschmir, In Sri Lanka im Süden hat Indien im langjährigen Bürgerkrieg die Aufständischen Tamilen und andere Regierungsgegner mit Waffen beliefert. Den Verlust von Bangladesch im Osten ( vor 1961 Ostpakistan) und von Pakistan durch die Aufteilung durch die abziehenden Briten 1947, hat Indien bis heute nicht verwunden. Und übrigens, da unten in der Kurve, das bin ich.  

 

 

Es wurde wieder dunkel, als wir am unteren Ende des Bangong Lake ankamen und in Spangmig in einer Hütte aus Stein bei einer Frau, die Zimmer und Essen anbot, unterkamen. Der Blick aus der Hütte:

 

 

Es gab einen Eintopf aus kleinem Wurzelgemüse, das ein bisschen nach Kohlrüben roch, ich aber nicht kannte und natürlich Tee. Drei junge indische Männer, die auf „Enfields“ unterwegs waren, kamen kurz nach uns und die Oma gesellte sich zu uns. Das Zimmer war klein und gemütlich und natürlich kalt.

 

Mitten in der Nacht kamen die Schwierigkeiten. Atemnot, anfänglich tauber und wie unter Strom kribbelnder Mund, was sich dann über den Kopf, die Hände und später über den ganzen Körper bis zu den Knien ausweitete. In ziemlicher Unruhe weckte ich Anita gegen 6:00 Uhr. Sie wusste nicht nur, was es ist, sondern auch Rat für den Moment. Sie gab mir eine „Höhentablette“, die aber schon vorher genommen werden muss, Anziehen, draußen vor das Haus setzen, tief bis in die Lungenspitzen durchatmen und damit nicht aufhören, und Trinken, 4-5 Liter über den Tag. Die Beschwerden gingen und kamen immer wieder. Wir machten uns reisefertig, während noch ein Frühstück bereitet wurde. Einer der drei Inder machte einen alten „Medizin-Mann“ ausfindig, der mir einen Blutsauerstoffmesser an den Finger klemmte, 87%, wenn ich mich recht erinnere. Sauerstoff hätte er auch gehabt, was aber „nicht nötig“ wäre. Weiter unten dann in der Krankenstation eines Militärpostens noch einmal das Gleiche. Trinken, Ausruhen, Atmen und kräfteschonend weiterfahren. Ich hatte keine Kopfschmerzen und mir war auch nicht übel. Das Kibbeln kann ich mir nur mit ausgasendem Kohlendioxid im Blut erklären.

 

Eigentlich hatten wir an dem Tag geplant, eine Piste oberhalb vom See die über 5.000 Meter hochging, 50 km weit zu befahren. Das fiel nun aber aus.  Also Abschied nehmen von dem ungewöhnlichen und schönen See:

 

 

 

Um aus dem Tal wieder raus und nach Leh zurück zu kehren mussten wir auf schwieriger Straße über einen anderen Pass, der aber auch über 5.000 m hoch ist. Da sah ich, dass vor dem Anstieg gerade eine Maschine auf einen Pickup verladen wurde und meine noch mit rauf passte. Natürlich hatte ich ein blödes Gefühl dabei, mich auf so unrühmliche Weise über eine Piste transportieren zu lassen, die ich liebend gerne selber gefahren wäre. Aber gerade an der Stelle ging´s mir wieder nicht gut und ich kniff. In solchen Momenten geht es mir immer nicht besonders gut, ähnlich wie in Pakistan, wo ich auch den Schwanz eingezogen hatte. So ließ ich mich über den Pass stuckern. 

 

Von der Seekrankheit war ich zeitlebens verschont geblieben. Ich denke das flache Atmen in der Nacht, hat mich nun diese Erfahrung mit der Höhenkrankheit machen lassen.

 

Leh

 

Liegt in einem Tal, trotzdem auf 3.500 Metern Höhe und ist umgeben von Fünf- bis Sechstausendern. Um diese Jahreszeit sind nur die Spitzen der Berge weiß. Im Winter dann wird es ungemütlich. 

Was ich vom Hörensagen weiß: Die Saison geht in diesen Tagen zu Ende. Fast alle der unzähligen Hotels, Gaststätten und Läden schließen. Die meisten Hotel-Besitzer, Pächter von Läden und Saisonkräfte verlassen die Stadt und gehen dahin, wo es im Winter milder ist oder zu ihren Familien, die sie für ein halbes Jahr, um ein paar Groschen zu verdienen, verlassen haben. Viele kommen aus Kaschmir, wo der Tourismus durch Terroraktionen völlig eingebrochen ist.  Über Straßen ist die Region dann nicht mehr erreichbar, die einzige Anbindung und Versorgung geht dann nur noch über den Flughafen. Es gibt kaum Wasser, da die Flüsse aus Gletscherwasser vereisen und Brennmaterial zum Kochen oder gar zum Heizen sind rar. Das Wasser kommt dann aus ein paar Brunnen, Waschen von oben bis unten findet, wenn überhaupt für viele nur alle 4 Wochen statt. Die frischen Lebensmittel werden teuer.

 

 

Es muss ein hartes Leben für Mensch und Tier sein. Für die Tiere ist es selbst im Sommer schon hart. Die Kühe laufen den Tag über durch die staubigen Straßen und Gassen, oder dösen, wie überall in den Städten blöde mitten auf der Straße vor sich hin,  wo schon lange kein Halm mehr wächst. Sie stöbern im Müll, von dem es reichlich auf den Straßen gibt und fressen Papier, Pappe und Plastiktüten. Und wenn´s den streunenden Hunden ganz dreckig geht, fressen sie die frischen Kuhfladen, wenn Menschen sie nicht schon vorher weggesammelt, Brei daraus gerührt und Briketts zum Kochen daraus getrocknet haben.

 

 

Muzaffar 

 

stammt auch aus Srinagar/Kaschmir. Er ist auch einer von denen, die ihre Familie für ein halbes Jahr verlassen und betreibt in einem gepachteten Raum ein Geschäft für Teppiche und Tücher aus Kaschmir. Am ersten Tag in Leh bin ich in seinem Laden gelandet und war dann fast jeden Tag ein Stündchen dort. Muzaffar ist ein sehr liebenswürdiger Mann und wir hatten immer guten Gesprächsstoff. Kunden, die den Laden betraten oder gar etwas kauften, sah ich selten. Die Saison sei sehr schlecht gewesen. Er habe das Geld für seine beiden Mitarbeiter, die Miete für Laden, seine Wohnung in Leh und die seiner Familie (Frau und zwei Kinder) in Srinagar gerade verdient aber kein Geld, um über den Winter zu kommen.

 

Dabei hat er noch andere „Baustellen“ in Srinagar. Seine Familie hat auch ein Hausboot. Es war wunderschön mit Zedernholz und Schnitzereien ausgebaut. Vor zwei Jahren des Nachts rief ein Freund ihn an: „Dein Hausboot brennt“. Jemand hat den Brand von einer Shikara aus gefilmt, den er mir zeigte. Die Feuerwehr konnte lediglich erreichen, dass der Rumpf aufbaufähig blieb. Die Existenz einer ganzen Familie haben die Flammen gefressen. Sie haben begonnen, es auf dem angekohlten Rumpf wiederaufzubauen. Das inzwischen seltene Zedernholz ist ausschließlich über den Staat zu bekommen. Vorher, als in Kaschmir der Tourismus noch blühte, hat er begonnen, ein schönes traditionelles Kaschmir-Haus aus Naturstein und schönen Holzelementen zu bauen. Der Rohbau ist fertig aber nun geht es nicht weiter. Muzaffar verliert den Mut nicht und die Sorgen, die ihn drücken, lässt er ch Delhi sich nicht anmerken. Ich habe ihm ein paar schöne Dinge abgekauft. So haben wir beide was davon. Muzaffar, mein Freund, ich wünsche Dir viel Glück und dass es in Kaschmir wieder aufwärtsgeht. Am letzten Abend waren wir gut essen im Restaurant einer Freundin, die er sehr verehrt, was ich nach dem Abend verstehen kann.

Damit habe ich nun endlich Ladakh "verarbeitet" während ich insgesamt bald 14 Tage Zeit verloren habe, die mir für Nepal, Assam und Darjeeling am Ende fehlen werden. Der Winter naht. Delhi gehörte nicht zu meinem Plan. Nun sitze ich schon eine Woche hier und warte auf Teile, die ebenso lange schon in Delhi schmoren, nachdem sie nur einem Tag von Deutschland hierher unterwegs waren. Ich hoffe inständig, dass sie mit der neuen Zündbox wieder läuft und ich endlich hier abhauen kann.. Delhi am 18.10.2017 morgens um 2:00 Uhr.

 

 

AGRA, am 10.10. 2017, 

wo eines der Weltwunder, nämlich das TAJ MAHAL steht

 

Heute hat mein Christian, mein lieber Sohn seinen 50. Geburtstag. Einen Sohn zu haben, der 50 Jahre alt ist, ist ein großes Glück – jedenfalls in der Hinsicht, dass man selber mit seiner Maschine dann irgendwo in der Welt noch verrückte Sachen machen kann. Wir haben gerade ausführlich telefoniert. 

 

So ! Ich bin wieder aufgetaucht in der Internetwelt nach einer großartigen Erfahrung im indischen Teil des Himalaya. Wenn gerade mal nicht der Strom weg war, dann gab es kein Internet, der Router wollte nicht mitmachen oder mein kleiner Computer. Und wenn selten mal alles funktionierte, dann tröpfelten die Daten nur durch die Leitungen. Es reichte gerade, dass ich ab und zu meine Email-Schulden abtragen konnte, auch, wenn ich für manche Email eine Stunde oder zwei Tage brauchte. Unter diesen frustrierenden Umständen fiel ich dazu auch noch in „Schreibloch“ und war unfähig meine schönen Erlebnisse wenigstens schon mal in Textform festzuhalten. Es macht auch keinen Spaß, wenn ich meine Eindrücke nicht gleich mit den Bildern in ansehnliche Form bringen kann. Das alles hat mich sehr geärgert, weil Eindrücke („wie auch Fisch) „frisch“ verarbeitet werden müssen. Ich baue wieder eine Lücke ein und später wird es leider wieder nur so eine Art Zusammenfassung geben. 

 

Ein KINGFISCHER Bier, ein indischer Whisky (jedenfalls ist ausreichend Alkohol drin) eine Coca Cola und ein Beutel Eis habe ich zusammenorganisiert und spüle damit jetzt meinen Ärger über ein paar Dinge, die zusammen gekommen sind, herunter zu spülen und versuche wieder ins Schreiben reinzukommen. So wenig Alkohol, wie in den letzten drei Monaten habe ich wohl nur in meiner frühen Kindheit getrunken. 

 

Ich fange am besten mit dem Grund an, warum ich plötzlich – allerdings ohne meine Maschine in Delhi angekommen bin …

 

Leh unter uns
Leh unter uns

Vor der Tour von Leh/Ladakh nach Manali hatte ich – ehrlich gesagt – einen ziemlichen Bammel. In die Region Ladakh bin ich ja über einen großen westlichen Bogen durch Kaschmir gelangt und wollte, um aus den Bergen wieder raus zu kommen, nicht die gleiche Strecke zurückfahren. Dann bleibt nur eine der wohl abenteuerlichsten, größtenteils unbefestigten Piste in südlicher Richtung nach Manali, von wo ich aufgebrochen war. Sie ist 475 km lang, liegt größtenteils auf einer Höhe von über 4.000 Metern mit einigen Pässen über 5.000. Kai erzählte mir von der Tour, für die er vor 15 Jahren mit einem Jeep 4 Tage brauchte. Ganz so beschwerlich wird sie natürlich heute nicht mehr sein. Ganz so lange wollte ich eigentlich in Leh nicht bleiben aber ich hatte ein Angebot, mich einer Gruppe von Bikern, die auf den berühmten indischen ROYAL ENFIELD unterwegs waren, anzuschließen. Ein LKW, auf dem einige Maschinen transportiert werden sollten, sollte auch dabei sein. Zu dem Zeitpunkt wusste ich, der bisher keine Schwäche kannte, noch nichts von Höhenkrankheit und sah nun dieser Tour mit Abenteurer-Freude entgegen. Die Strecke sollte in zwei langen Tagen mit einer Übernachtung bewältigt werden. Es gab immer wieder Verzögerungen und es bestand die Ungewissheit, dass die die Piste beim ersten stärkeren Schneefall geschlossen werden würde und das dann für den ganzen Winter.   Aufwärts !

 

Von der Höhenkrankheit fühlte ich mich nach zwei Tagen Ruhe auskuriert (Leh liegt auf 3.500 m) aber am dritten Tag kehrten Beschwerden zurück, wahrscheinlich, weil ich die empfohlenen 4-5 Liter Wasser tgl. nicht getrunken hatte. So wollte ich am Tag vorher noch eine Tour in ein schönes Tal unternehmen, das ein paar Hundert Meter tiefer liegt. Nach ein paar Kilometern hinter Leh nahm meine kleine Braut kein Gas mehr an und ging dann ganz aus. Der übliche Check: Sprit, Zündung: kein Funke am Zündkabel-Ende. Anruf bei meinem Freund Muzaffar und eine Stunde später hievten wir sie auf einen Pickup, den er sich geborgt hatte, und beim „besten Schrauber“ von Leh wieder runter. Gepäcksystem und alle Verkleidungen ab, um die Kabel zu verfolgen und Beschädigungen zu finden, und auf die kurioseste Methode 12 V nachzuweisen, die ich mir jemals hätte vorstellen können. Achselzucken. Dann könne es wohl nur die elektronische Zündbox, die Zündspule oder das, was ich aus meiner Jugend als Unterbrecher kenne, sein. Letzterer sitzt im Motor

Muzaffar holte mich wieder ab und wir brachten sie zur „Spedition“. Für 70 € ist sie nun auf ziemlich unbestimmte Zeit per buntem LKW unterwegs nach Delhi.

 

Ich kam vorgestern hier per Flieger auf Sitzplatz 19c in Delhi an und wurde vom Bruder Mushtaq´s, der in Mussafars Laden in Leh mitarbeitet, abgeholt. Sein Bruder Javiad „würde mich in allem, was in Delhi zu tun sei, unterstützen“. Macht er wirklich. Ich wohne in seiner gemieteten Dachwohnung mit ihm und seinen beiden großen Neffen im Prinzip in einem Raum. Nachts dann schlafen sie draußen oder nebenan in einem halben Zimmer auf dem Fußboden und lassen mir das Bett. Am Tage Organisieren, abends Palaver – klingt böse, aber ich habe, so, wie in vielen Fällen der sehr engen Kontakte keine Minute zum Luft holen, die ich aber brauche, um mich zu „regenerieren“ und neue Kräfte zu schöpfen.

Auf dieser Reise bin ich (jedenfalls für die, die mich nicht wirklich kennen und das sind sehr viele) irgendwie auf wundersame Weise zum „Gutmenschen“ mutiert. Menschen vertrauen mir Dinge an, die sie – wie sie mir versichern -  niemandem in der Familie, einem Freund und schon gar nicht einem Nachbarn offenbaren würden. Vielleicht hat es damit zu tun, dass ich aus einer anderen Kultur komme, von der sie wissen, dass es dort möglich ist, sich anzuvertrauen und ich sowieso nur ein Durchreisender bin oder dass ich beherzige, dass es wichtiger ist, zuzuhören, als zu reden. Egal.

 

In letzter Zeit hat bei mir vieles mit Kaschmir zu tun, obwohl ich viel zu schnell, da durch bin. Muneer, Muzaffar, Mushtaq Javiad: die letzten drei, so wie unzählige Kaschmiris in Leh z.B., die ihre Familien für 6-8 Monate verlassen, um irgendwie ein paar Groschen für das Überleben ihrer Familien zu verdienen, weil durch Terroristen, vielleicht durch die ind. Regierung selbst oder Konkurenz-Regionen (?) die wichtige Einnahmequelle Tourismus so beschädigt wird, dass für sie kein Auskommen mehr ist. So auch Javiad, der aus Delhi versucht, seine Familie am Leben zu erhalten. Er wurde nach seiner Heirat vom großen Bruder aus der Familienbande rausgeschmissen, was hier gravierende Folgen für die soziale Absicherung hat. Leider habe ich den Eindruck, dass er mich „melken“ will, wie mir beim gestrigen Buchen meiner, für mich völlig ungewöhnlichen Art zu reisen, aufgefallen ist. Ich bin sehr verärgert darüber und weiß noch nicht, wie ich damit umgehen soll. 

Ich habe bisher bei solchen Geschichten gerne sehr viele kleine Trostpflaster, auch ein sehr großes geklebt, weil mich diese Schicksale berühren aber so mag ich es nicht und werde es nach meiner Rückkehr nach Delhi auch freundlich ansprechen.

 

Das ist jetzt die Gelegenheit, etwas sehr Schönes öffentlich zu machen. Ich erlebe diese Geschichten sehr glaubhaft aus aller nächster Nähe erfahren. Es sind nur einzelne Schicksale und schwierige Lebensumstände, mit denen ich in Berührung komme aber sie machen deutlich in welch unterschiedlichen Welten wir so leben, auf dieser Welt, die so klein ist, dass man sie mit ein bisschen Mut sogar mit dem Motorrad umrunden kann. Ich bin mit diesem Gefühl nicht allein. In Leh erhielt ich die folgende Email, von einem meiner besten und langjährigsten Freunde, der aufmerksam meine Reise verfolgt und die mich sehr berührt:

 

„Hallo Friedrich

 

wir sind beeindruckt von dem Bild deines Hausbootgastwirtes auf welchem er fröhlich lacht, obwohl er ein armer Schlucker ohne Perspektive ist. Sicher wirst du auf deiner Reise noch viele derartige Schicksale erleben und wie wir dich kennen wirst du versuchen hier und da mit einer kleinen Spende Gutes zu tun. So wie du es in der Schule oder mit dem Baggerfahrer, der dir den Weg wieder freigemacht hat und bei anderen Gelegenheiten, getan hast. Du bist eben ein guter Mensch und auch wir würden so handeln. Aber wir kommen nicht in die Regionen und so haben wir gedacht, dass wir dir einen Betrag von 2000 € zukommen lassen, welchen du auf deiner Reise nach eigenem Ermessen für wohltätige Zwecke einsetzen kannst.


 Ich habe noch genügend Gelegenheiten, auf meiner Reise mit dieser tollen Spende, weitere kleine Pflaster zu kleben. Danke mein Freund.

 

  

Nun zurück zu mir. 

Ein paar Bilder von Delhi aus der Gegend, in der ich mit Tuk Tuk rumgekurvt bin, um eine „angemessene“ Werkstatt zu finden. Bei Tage ...

 

… und bei Nacht in dem Viertel, in dem ich wieder einmal „privat“ , bei Javiad und seinen beiden erwachsenen Neffen untergekommen bin. Von „privat“ kann eigentlich keine Rede sein, denn wir wohnen zu viert in einem Zimmer. Gegen Mitternacht dann überlassen sie mir dieses dann und schlafen im halben Zimmer nebenan auf dem Teppich oder draußen. So schön, wie es klingt, bei Leuten zu wohnen - aber irgendwie kann ich das erst mal nicht mehr. Am Tage Stress bei der Suche nach Lösungen im Straßenverkehr und abends dann Palaver und indische MP3-Musik.

 

 

Die Suche war nicht vergeblich. Ich habe in Delhi eine ordentliche Suzuki-Werkstadt gefunden, auch wenn mein Motor DR 350 in Indien nicht rumtuckert. Deshalb Ersatzteillieferung hier: 30 Tage. Jedenfalls habe ich Vertrauen und eine Adresse, zur der ich die Maschine dann transportieren kann, wenn sie einmal hier angekommen ist. Und ich habe eine Adresse, an die ich die in Frage kommenden Ersatzteile gestern vom immer bereiten Herbert Schajor und mit Logistik-Unterstützung von meinem Brüderchen Thomas habe abschicken lassen können. Ales könnte dann in 4-5 Tagen dort aufeinandertreffen.

 

Not to waist the time, um keine Zeit zu verplempern – Delhi bietet nicht so viel –  habe ich etwas gemacht, was ich seit einer Erfahrung in Thailand vor 25 Jahren nie wieder machen wollte: ich habe für 5 Tage und 4 Nächte ein Paket mit Auto und Fahrer gebucht, der mich zu den „Sehenswürdigkeiten“ in der Umgebung von Delhi bringen wird. So habe ich heute am ersten Tag das TAJ MAHAL in Agra, eines der sieben Weltwunder, bestaunen können, das man nur von schönen Bildern her kennt. Er ist 1631-1653 in der Mogulen-Dynastie nach der zwangsweisen Islamisierung der hinduistischen Bengalen aus weißem harten Marmor mit wunderschönen andersfarbigen Stein- und Halbedelstein-Intarsien von über 20.000 Persern erbaut worden. Eine schöne muslemische Reisebegleiterin gehörte zum „Paket“. Nun kenne ich auch ihren Liebeskummer wegen eines hinduistischen Freundes, der sie aber nicht wirklich liebt und die Familien sowieso gegen eine „Mischehe“ wären. Auch hier war wieder mein (weiser) Rat gefragt. Diesmal war´s einfach, weil es "nur"um Liebe und den Kummer damit ging.

 

 

 

Pushkar, am 13. - 14.10.2017

 

 

 

Nun muss ich mal sehen, ob ich meine „Pauschalreise“ noch in der richtigen Reihenfolge zusammenbasteln kann. Marianne meinte, ich solle mich nicht ärgern über den Preis, den ich die Touristen ordentlich, bezahlen den Fahrern etwa, wenn diese Glück haben, max. 50-60 €. Davon bezahlen sie noch ihr Essen unterwegs und schlafen im Auto, wenn sie nicht – wahrscheinlich auch gegen Bezahlung – wie hier eine Pritsche im zehn-Mann-Raum mit muffligem Bettzeug vom Hotel bekommen. Das was sie zum Leben brauchen sollen sie sich von ihren Kunden holen. Erinnert mich irgendwie an das Gaststättengewerbe auf Hiddensee und MV generell.

 

 

 

Wir fahren hier einen großen Kreis östlich (Agra mit dem Taj Mahal in Uta Pradesh) und südlich von Delhi (Jaipur und Pushkar in Rajasthan). Zurück nach Delhi wird es dann eine Tagesreise von 500 km. Das Gebiet, das wir durchfahren haben, ist flach, landwirtschaftlich und trocken. Richtig regnen wird es erst im Frühjahr wieder – hart für Mensch und Tier. Es wachsen sehr viele einzelnstehende Bäume auf den Feldern. Bei einer Rast am Straßenrand, bei dem Raj ein 5-Minuten-Mittagsschläfchen auf einem der typischen „Bettgestelle.“, auf dem man sitzend auch (unbequem) isst, fotografierte ich den schönen und vermeintlich armen Bauern, der dort saß. Er sprach kein Wort Englisch aber der Besitzer des kleinen Ladens klärte auf, dass er viel Land besitzen würde und Millionär sei. Ich nehme mal an, Rupie-Millionär 75 Rupies = 1 €). Danach verstand ich auch sein verschmitztes Lächeln.

Im Hintergrund ein Stückchen von seinen Feldern.

 

 

 Auf halbem Weg nach Jaipur liegt FATEHPUR SIKRI, mit 25.000 EW. Hier befand sich Ende des 16. Jh. die ehemalige Hauptstadt des Mogulreiches, weiß Wikipedia. Wer mehr erfahren will: https://de.wikipedia.org/wiki/Fatehpur_Sikri 

Ich kann nach ein paar Stunden Aufenthalt in den Gemäuern des Königspalastes nur ein paar Bilder liefern.

 

 

Roter Sandstein oder der harte weiße, meist grau geäderte weiße Marmor waren hier die Baustoffe, die verwendet wurden. Eine Ortschaft schien nur aus Marmormanufakten zu bestehen, der hier abgebaut und auch bei modernen Bauten in den Fassaden, als Baldachine, für Fußböden oder zu Skulpturen verarbeitet wird.  

 

 

JAIPUR  https://de.wikipedia.org/wiki/Jaipur

 

Ist die Hauptstadt, Rajasthans, hat 3 Millionen Einwohner und wird auch Pink City genannt, weil sie vor 150 Jahren anlässlich eines Besuches des Prince of Wales mal so angestrichen wurde. Die Festung Nahargarh erklomm ich zu Fuß zwischen auf- und abwärts trampelnden Elefanten, die als Touristen-Lift im Einsatz waren. Es war mir ein bisschen mulmig zumute zwischen den großen Tieren, unter denen ich (fast) hätte durchlaufen können, so mächtig schienen sie mir.

 

Den City Palace ...

...und eine Galerie habe ich besucht, mit Bildern von ein paar bekannten indischen Malern. Diese haben mir besonders gut gefallen. Große Formate.

 

Nun sind wir in Pushkar,   https://de.wikipedia.org/wiki/Pushkar   der letzten Station des für mich ungewöhnlichen Ausfluges. Wie ich einem Reisebegleiter abgelauscht habe, soll es hier um den See und im Ort mehr als 1000 hinduistische Tempel geben und ist einer der bedeutendsten Pilgerorte, wo die Gläubigen sich in der Brühe reinwaschen und um Gesundheit für sich und ihre Angehörigen bitten. Unzählige orange gekleidete Brahmanen sind ihnen gegen ein Entgelt dabei behilflich.

 

Hinduisische Pilger (oder Brahmanen ?) auf ihrem Nachtlager
Hinduisische Pilger (oder Brahmanen ?) auf ihrem Nachtlager

So, nun kann ich nicht mehr. Weder Schreiben und Bilder bearbeiten, noch weitere Paläste, Festungen und Tempel ansehen. Heute bekam ich unterwegs zwei gute Nachrichten: Die Maschine ist abholbereit bei der Spedition und meine Teile sind nach nur einem Tag beim Zoll in Delhi. Unglaublich. Ich sollte, könnte noch eine Nacht hier in dem schönen Hotel bleiben aber ich will endlich und so schnell, wie möglich wieder im Sattel sitzen und mich nach Nepal aufmachen. Die Maschine werde ich irgendwie zur Werkstatt transportieren lassen und dann hoffe ich sehr, dass der Fehler gefunden und behoben werden kann. Ich muss raus aus dem Stadtverkehr und ins Grüne und in die Berge Nepals. Ich hoffe, sie lassen mich rein mit eigenem Untersatz. Da will ich mich auch um ein neues Indien-Visum kümmern. Ich habe inzwischen Vorstellungen meiner weiteren Reiseplanung aber dazu später. Der Ladagk-Bericht steht auch noch aus. Vielleicht besorge ich mir ein passendes Brett, baue an der Rückenlehne einen kleinen Computer-Tisch draus und schreibe auf der langen Fahrt. Soweit ist es nun mit mir schon gekommen. Mein Freund und driver Raj hat einen kleinen WLAN-Router mit einer unheimlich schnellen SIM-Karte. Warum dreht man mir immer die langsamsten an, die dann in einigen Gebieten überhaupt nicht arbeiten?

New Delhi, der 18.10.2017   (km 13.700)

 

Ich habe meine Maschine wieder und bin nun auch fahrbereit. Das ist die wichtigste Botschaft heute. Müde zurück gekehrt von meinem touristischen Ausflug hat Raj eine „Dreikantfeile“ organisiert (leider kein Foto). Mit der sind wir 15 km durch die Stadt zur Spedition in einer wüsten Gegend. Dort stand sie eingestaubt und traurig, mit Stroh und einem alten zerlumpten Schlafsack eingepackt. Viel hat die Verpackung nicht genützt, denn sie hat nun einige Blessuren vom Transport hinzubekommen. Kein Wunder, denn sie wurde auf der Strecke Leh-Manali transportiert und mehrmals umgeladen. Einiges konnte ich richten, die Schrammen bleiben. Ich habe zum Glück noch keine abbekommen und mir geht es Immer noch sehr gut, von gelegentlichen kleinen seelischen Dellen abgesehen, wenn es mal nicht gut läuft, wie bei dieser Panne jetzt. Ich muss immer noch lernen, die Dinge so zu hinnehmen, wie sie eben sind.  

Ein erster check in der Werkstatt ergab wieder nur Achselzucken. Also Warten auf die Teile. Sie waren in einem Tag in Delhi. Der Zoll brauchte 5 Tage, um sie für 40€ raus zu rücken . Gerade noch rechtzeitig vor dem dreitägigen TIVALI-Fest (Lichterfest), was etwa so wie Weihnachten für die Hindis ist. Elektronische Zündbox rein und sie kam auf den ersten Takt und ich war wieder glücklich. Ich hatte in den drei Tagen, von denen ich die meiste Zeit in der Werkstatt war, die Möglichkeit einige Dinge zu „schrauben“ und ich habe frisches Öl (zu deutschem Preis) im Motor, gut für die nächsten 4.000 km. Am Ende bekam ich meine BETA mit guten Wünschen blitzblank gewaschen und mit gereinigter und frisch geschmierter Kette hingestellt. Alles für einen symbolischen Freundschaftspreis.

 

 

Drei Kilometer hinter der Werkstatt ging der Motor aus. Zünd-Elektronik ! schoss es mir durch den Kopf. Es war nur der Tank. Der war leer. Geklaut oder für den Transport abgelassen. Freundliche Leute holten mir eine Flasche Sprit irgendwoher und geleiteten mich zur nächsten Tankstelle. Nun habe ich einen neuen Freund, diesmal mit Turban. Hardeep Singh.

 

Leider kamen die Teile erst am frühen Nachmittag. So platzte ein Termin bei der deutschen Botschaft. Martin Kobler hatte mich von Pakistan aus angekündigt und meinte, ich solle doch mal dort vorbeischauen.  Er war vor einiger Zeit (?) Botschafter in Indien. Ich bekam am Tag vor der Reparatur einen Anruf aus der Botschaft von einem gut deutschsprechenden Inder und wir verabredeten meinen Besuch am nächsten Tag, abhängig vom Reparaturerfolg. Am nächsten Tag hieß es, man wolle ein Video-Interview über meine Reiseerfahrungen mit mir machen. Daraus wurde aber nichts, da ich erst 16:00 mit dem Motorrad fertig war. Schade, weil der Mann mir sagte, dass er schon zu Martin Koblers Zeit dort war und er sich auch an meinen Freund Christian Kirchner gut erinnerte, der zur gleichen Zeit in der Botschaft ein Praktikum absolvierte. 

Eine andere schöne Gelegenheit entging mir. Einer der drei jungen Männer, die Zeugen und Hilfe bei meiner Höhenkrankheit am Pangong Lake waren, ist Sekretär beim indischen Präsidenten. Er sagte mir damals, wenn ich nach Delhi käme, würde er mir die Residenz seines Chefs zeigen. Ich bekam ihn leider zwei Tage nicht ans Telefon, erst vorhin, was auch er bedauerte. In dieser Gasse wohne ich übrigens, aber nebenan brummt das Leben auf dem Nachtmarkt.

Hier wohnte ich bei Javiad aus Kaschmir und seinen erwachsenen Neffen, ein dritter Bruder war auch noch angereist, in das eine Zimmer auf dem Dach. Alle vier sind aus Kaschmir weg, um in Delhi als Verkäufer ein bisschen Geld zu verdienen und es nach Hause zu schicken. Schöne junge Männer, schlank, flotter Haarschnitt. Ins Gespräch kam ich nicht so recht mit ihnen. Dazu hätte ich ihnen allen Drein die Handys wegnehmen müssen. Musik, YouTube-Videos und Dauertelefonate. Als sie sich beklagten, dass die Afghanen hierherkämen, und „Business“ machen würden, backen, schneidern, frisieren, Geld wechseln usw., wollte ich sie fragen: „und Ihr?“, „was ist Euer Plan“, „warum tut Ihr nicht Eure brüderliche power zusammen und fangt was kleines Eigenes an und macht´s, wie die Afghanen?“ Ganz gut so, dass ich keine Gelegenheit für die Fragen hatte… Wer nach 8 Stunden im Laden-Rumstehen (kaum Kunden) zu Hause kommt,  sofort stöhnend in die Waagerechte muss und sich von Javiad bekochen lässt, bringt wahrscheinlich keine brüderliche Kraft zusammen. Einer der Drei (der Dauertelefonierer) heiratet am Monatsende eine Polin aus Stettin. Einen Plan? Nein den hätte er (noch) nicht. 

Vielen Dank, Javiad, dass Du mich aufgenommen und so guten Tee und Curry gekocht hast und mir so behilflich warst.    Rechts: Hardeep Singh.

 

 

Gestern hatte ich „einen Tag frei“ vom Organisieren und war in der sogenannten Old City. Rotes Fort (Wahrzeichen aber wenig sehenswert) verschiedenen Tempeln und auf dem Großen Markt, wobei der Gewürzmarkt der Interessanteste war. Himmel und Menschen, wohl auch wegen des morgigen Divali-Festes, wo man für sich und Geschenke für die Familie einkauft. Die Stadt ist mit Lichterketten geschmückt und die ersten Böller werden schon losgelassen. 

Tempel

das Rote Fort,

der große Markt,

und der Gewürzmarkt.

 

Meine Sachen sind gepackt und meine BETA steht (voller Ungeduld) hoffentlich morgen früh noch unten in der schmalen Gasse vor dem Haus. Es gibt mehrere Grenzübergänge nach Nepal. Ich hätte gerne einen im Westen genommen und wäre dann längs durch Nepal nach Kathmandu gefahren Ich konnte aber nicht rausbekommen, ob ich an allen Grenzposten ein Visa-on-Arrival bekommen kann. So liegen nun ab Morgen 1000 Kilometer indischer Landstraßen vor mir bis zur Grenze.

 

 

Birganj in Nepal, am 22.10.2017   (km 

 

Ja, ich bin wirklich in Nepal angekommen und will noch kurz über die Anreise berichten.

 

Ich dachte, ich versuch´s mal, die westliche Kante Nepals anzusteuern. Mein Plan: wenn sie mich dort nicht rein lassen kannst Du immer noch irgendwie entlang der Grenze nach Osten fahren. Ich bog dann aber nach 50 Kilometern ab, weil es nur mühselig durch dichten Verkehr und Ortschaften voranging. Auch „schnallte“ ich, dass das auch fast 1000km (aber auf Landstraßen) bedeuten würde und schlug mich zum Expressway durch, der direkt auf Kathmandu zusteuert. 250 km am ersten, 500 am zweiten und 300 am dritten Tag. Ich weiß, das klingt nicht besonders viel. Trotzdem sitze ich dann immer so lange im Sattel, wie andere auf der Arbeit im Sessel. Ich weiß nur nicht, wer bequemer sitzt und sich wohler fühlt… Jeden Tag ging es in die frühe Dunkelheit (18:00) hinein.

 

 

Von Delhi über Tausend Kilometer Richtung Osten sieht es aus, wie in Mecklenburg, flach wie ein Kuchenbrett mit dem Unterschied, dass hier mehr Bäume, schöne einzelnstehende Kugelbäume wachsen. Anfänglich waren die Lehmböden trocken, nach ein paar hundert Kilometer wurde die Landschaft erst mit Mais- und später mit Reisfedern grüner.

 

 

Mein Navi zeigte immer eine Höhe um 180 m über dem Meer an. Beim Überqueren von breiten Flüssen, stellte ich mir vor, wie sich die Regenzeit hier auswirken muss. Die nächste Küste ist bei Kalkutta etwa 900 km entfernt. Wie kann das Land das Wasser loswerden bei so einem geringen Gefälle? Ich denke, dann ist Land Unter hier. Aus dem Grund ist der Highway wohl durchgehend auf einem hohen Damm oder rüber lange Brücken gebaut.

 

 

Bei der Quartiersuche In Etawah, 30km vom Highway entfernt, gab es Probleme. In vier Hotels bekam ich zu hören, dass sie ausgebucht seien, im fünften rückte man mit der Wahrheit raus: „Man habe keine Genehmigung, Ausländer zu beherbergen“. Da erinnerte ich mich, dass die Polizei ja Freund und Helfer sei, fand eine Polizeistation, bekam Tee und Kekse, man telefonierte und anschließend führ der Senior Inspektor selber im Jeep und mit Blau/Rotlicht durch die menschenvollen engen Gassen vor mir her und lieferte mich in einem Hotel ab. Schade, nur die Sirene fehlte noch. Die Hotelbesitzerfamilie zelebrierte gerade das Divali-Fest, ich bekam eine Schachtel Süßigkeiten, ein rotes Mal auf die Stirn und ein weiches Bett mit weißem Tuch. Zum Dank entdeckte ich am nächsten Tag unterwegs, dass ich den Schlüssel mit dem schönen Messingschild noch in der Tasche hatte. Zu blöd! Von irgendwoher werde ich ihn zurückschicken.                                                 Lichterfest Divali

 

 

Die letzten 150 km waren harter Tobak, Staub, LKWs, Motorräder, Menschen, Kühe. In dem schäbigen Grenz-Nest gab es ein ebensolches Hotel und zum ersten Mal benutzte ich meinen dünnen Seiden/Wolle-Kokon, um einen Millimeter Abstand zum Bettzeug herzustellen. Bisher war es mir immer irgendwie egal unter dicke Decken oder Steppdecken zu kriechen, die mit Sicherheit noch niemals gewaschen wurden. Vielleicht habe ich mir gerade deshalb noch nichts weg geholt auf der Reise.                                        Nachts au der Dorfstraße vor meinem Hotel

 

Nur gut, dass ich nicht versucht habe, am Abend noch weiter zu kommen. 15 km bis zur Grenze, wie auf den Nachtaufnahmen nur mit „richtigem“, vor allem LKW-Verkehr. Und das heißt vor allem Ruß, Krach, Gestank und Staub natürlich. Der Höhepunkt war die Grenze. So eine habe ich noch nie erlebt. 2-3 Stunden brauchte ich für den einen Kilometer Grenze, alleine zum Durchkommen. Alles stand, kreuz und quer ineinander verkeilt, LKW, Pferdekutschen, Busse, Motorräder und Menschen zu Fuß. Dabei kann ich von Glück reden, dass nur mein Blinker abgebrochen ist (schon wieder angeklebt) Die Buden von Immigration und Zoll in dem Müll von Gebäuden links und rechts der Straße durch nichts zu identifizieren. Wenn ich sie gefunden hatte, dann ging es mit der nötigen Geduld reibungslos. Das Visum für 30 Tage Nepal hatte ich in fünf Minuten, die Zollformalitäten für die Maschine zogen sich aber auch problemlos. Ich muss nur immer aufpassen, dass sie keinen Bockmist mit meinem „Carnet des Passages“ anstellen. Dann wird´s teuer. Um 14:00 war ich durch und hier in Birganj und bin nun glücklich in Nepal und gespannt, was mich hier erwartet.

 

 

Es war in den letzten Tagen sehr heiß (35 Grad?). Nepal wird Abkühlung bringen, gute Luft für die Lungen, grüne Landschaften für´s Gemüt und wieder eine neue Kultur. Und hoffentlich besseres Essen. (Nord-)indisches Essen? Ich schweige lieber … 

 

Das war nun INDIEN I. Hier noch ein paar Bilder von der Landstraße