Von Lettland nach Hause

 

Rezegne in Lettland, der 25.09.2019

 

Achtspurig gings in Moskau los, bis sich die Straße nach hundert Kilometern peu à peu in eine superfeine zweispurige Überlandstraße verschlankte. Danach gings mit gelegentlichen langen Kurven bis zur lettischen Grenze 500 Kilometer geradeaus durch Waldgebiete mit offenem Busch- oder Brachland dazwischen. Sie berührte nicht eine einzige Ortschaft, sondern schlängelte sich geschickt um die wenigen Siedlungen und Städtchen herum, die es in dem Gebiet gibt. Die meisten sauberen Abzweigungen, die vorausschauend beim Bau der Straße gleich mitgebaut wurden, mündeten nach 20 Metern meistens in genutzten Feld- oder Waldwegen. Die einzigen Bebauungen am Straßenrand bestanden eigentlich nur aus Rast- und Tankstellen. Die Straße muss vor einigen Jahren für die Verbindung Baltikum-Moskau komplett neu angelegt worden sein und ich registrierte bis auf die letzten zwanzig Kilometer nicht eine einzige Flickstelle. Und natürlich war´s kalt und regnete öfters mal. Inzwischen habe ich meinen Plastik-Tüten-Schutz an Füßen und Händen so perfektioniert, dass sie nicht mehr davonfliegen. 

Ich habe Kurs auf Riga genommen. Es liegt zwar eigentlich nicht auf dem Weg nach Hause aber ich werde Kai und Familie besuchen. Ich muss ihm doch eine Last abnehmen: Mehrmals hat er mir versprochen, mich überall wegzuholen, wenn mein "Rasenmäher", mal überhaupt nicht mehr kann. Ich hatte mich schon auf den Zigarillo auf ihrer Terrasse mit Blick auf den Seitenarm der Daugava heute Abend gefreut, aber daraus wird nix. Vier Stunden hat der Grenzübergang gedauert. Die Schlange der wartenden LKW war elend lang aber mit denen hatte ich ja nix zu tun. Lediglich max. 20 Autos waren vor mir. So eine lahme Abfertigung habe ich an keiner der vielen Grenzen dieser Reise erlebt. Auf beiden Seiten. Mit  Jewgeni kam ich ins (russische) Gespräch. Jewgeni ist Lette, 73, wie ich und Ingenieur für Radio- und Radartechnik,  auch fast wie ich. Er war zum Benzin holen (60 cent €)  auf der russ. Seite. Manchmal, besonders im Winter, "würde das Spritholen schon mal wegen der Grenze zwölf Stunden dauern". Zum Aufwärmen gabs heißen Tee aus seiner Thermoskanne und ich hatte noch getrocknete Aprikosen aus Kirgisistan dabei.

 

 

                                                                             Auf der lettischen Seite dann die ersten Felder

 

Tilsit, der 27.09.2019 

 

Irgendwie bin ich jetzt seit Moskau in eine Art „Express-Reisemodus“ verfallen und sause durch die Gegend. Das Wetter treibt mich und ich rieche anscheinend schon den Stall. Marianne wird mit unseren Freunden Anfang Oktober nach Griechenland reisen, seitdem sie anscheinend die Insel seit dem Frühjahr nicht verlassen hat. Eine echte Hiddenseerin. Nein, sie hat sich brav und fleißig und ohne sich - bei mir jedenfalls - zu beschweren, um Haus, Grundstück und unsere Gäste gekümmert und nebenbei das Geld für meine Reise-Mätzchen verdient. Für diese Toleranz und Unterstützung, die nicht selbstverständlich sind, bin ich ihr sehr dankbar. Das Glück haben nicht viele, und werden ihre Träume, falls sie denn welche haben, mit ins Grab nehmen müssen, weil sie sie nicht verwirklichen konnten.

 

 

Mein Freund Kai und Sohn warteten schon auf mich auf ihrem wunderschönen Anwesen am Ufer eines Seitenarms der Daugava. Von hier aus ist er in einer halben Stunde mit seinem Schlauchboot durch die Hafeneinfahrt nach Riga auf der Rigaer Meerbusen. Ende der 60er Jahre war ich als junger Funker mehrmals mit dem Schiff in Riga und erinnere mich zumindest an zwei Ereignisse: Einmal waren wir zum  Mai dort, landeten nach der Teilnahme am Marsch unter roten Fahnen neugierig auf den Kundgebungsplatz und verpassten beinahe das Auslaufen des Schiffes, weil alle Straßen zum Platz mit Armeefahrzeugen abgesperrt war und die Muschkoten ihren Befehl, niemanden ausbüchsen zu lassen, befolgten. Ein andermal gab es ein Europacup-Endspiel der Frauen im Basketball. Magdeburg gegen Riga, bei dem unsere „Delegation“ vom Schiff mit den Schiffsignalhörner ordentlich Rabatz machten, was die Rigaer nicht kannten. Unsere Mädchen unterlagen trotz unserer Unterstützung den im Durchschnitt um einen Kopf größeren Gegnern. Wir schafften es, dass wir die komplette Mannschaft, leider auch mit ihren Aufpassern, abends auf unserem Dampfer bewirteten und am Ende abgelaufene Signalmunition in den Himmel überm Hafen schossen. Glücklicherweise ohne Konsequenzen.

 

 

Die Oma Maja brachte den kleinen Otto aus dem Kindergarten und frischen Apfelkuchen, Ernest kam aus dem Gymnasium und es wurde gegrillt. Nachdem Ruhe eingekehrt war, schmökten wir den Zigarillo, der in eine Decke gehüllt mit Blick aufs Wasser was Besonderes war. Leider habe ich vergessen, Bilder zu machen. Schade. Als wir meine Route und das Wetter dazu diskutierten, kamen wir auf eine tolle Idee. Durch Kaliningrad zu fahren. Muss man erst mal draufkommen. Ich checkte mein Visum und tatsächlich hatte ich es „mit zwei Einreisen“ beantragt. Also konnte ich nochmal rein nach Russland. Toll! Für den nächsten Tag, also heute war der letzte der beiden sonnigen Tage angekündigt und ich entschloss mich, den letzten schönen Tag das Weiterfahren zu nutzen. Es gibt landschaftlich wunderschöne Ecken in Lettland und das nehmen wir uns mit Marianne mal extra vor. Kai rüstete mich mit warmen Seemannsstiefeln und fellgefütterten Fischer-Gummihandschuhen aus. Ab Morgen gibt’s viel Wind und jeden Tag Regen aber bei angenehmen Temperaturen zwischen 15 und 18 Grad. Mag der Regen kommen.  

 

 

Auf der alten Reichsstraße, die inzwischen nicht mehr gepflastert ist, gings immer geradeaus durch Litauen auf Kaliningrad zu. Ich hätte eigentlich auch einen Umweg von 150 km machen müssen nach Klaipeda der Hafenstadt an der Memel. Durch einen kurzen Besuch würde sich auch hier wieder einmal „ein Kreis schließen“ können aus meinem Leben. Mit 20 Jahren war ich der jüngste Funker in der DDR-Schifffahrt, den es jemals gab, weil ich mich ohne vorherige elektronische Ausbildung ins „Funksonderzeugnis-Studium“ an der Seefahrtsschule Wustrow reingemogelt hatte, nachdem ich meine Matrosenausbildung auf MS „J. Gottlieb Fichte“ und damit meine Nautische Laufbahn vorzeitig abbrechen musste, weil man mich mit meinem nur 50%sehenden linken Auge erwischt hatte. Nach Klaipeda machte ich 1968 mit MS „Pinguin“ meine erste Reise als Funkoffizier. Später war ich dann noch öfters dort.

 

Ach ja, noch was. Vor Klaipeda sank später MS „Rudolf Breitscheid“. Mit der Breitscheid lag ich ein paar Jahre vorher 3 Monate in der Werft in Saigon zu einer geplanten Überholung. Dort baute ich neben anderen Dingen eine neue Radaranlage und in der Offiziersmesse eine superfeine Bar mit einem 4 Quadratmeter großen Ölgemälde einer Reislandschaft im Hintergrund ein, das ich dort von einem Künstler hatte malen lassen. Also später versanken meine guten Arbeiten im Sand der kurischen Nehrung.

 

 

Kaliningrad

 

Jetzt bin ich abgeschweift und quassele, wie´n alter Mann, von früher…

 

Die Grenze nach Kaliningrad rein, war wieder zäh. Obwohl ich an der langen Schlange von PKWs weit nach vorne fuhr, brauchte ich zwei Stunden bis ich drin war in der russischen Enklave zwischen Litauen und Polen. Die Zollerklärung (in doppelter Ausführung) musste ich dreimal neu ausfüllen. Beim ersten Mal hatte ich eine Angabe ungeschickt verbessert, beim nächsten Mal hatte ich bei „Hubraum“ 350 ccm eingetragen. In den Papieren steht aber 349. Und alles Weiber, Dragoner. Wenn Du Deine Papiere durch die kleine Klappe reingereicht hast, wird sie zugeknallt, die Scheiben sind verspiegelt und Du weißt nicht, was sie mit Deinen Papieren eine viertel Stunde lang machen. Na ja, in solchen Dingen kann ich geduldig sein. Nach Kaliningrad (150 km) fuhr ich dann nicht mehr weiter, sondern quartierte mich gleich an der Grenze in Tilsit ein. Und nun ist es schon wieder nach Mitternacht. Punkt.  

                                                 Die Memel (hier Grenzfluss), das Stadttor nach Tilsit und „Tilsiter“ habe ich unter diesen Käsesorten nicht gefunden.

 

Frauenburg, der 29.09.2019 

 

Auch wenn ich inzwischen in Polen bin, muss ich doch noch von Kaliningrad berichten. Übrigens muss ich mich noch berichtigen. Tilsit heißt natürlich nicht mehr Tilsit sondern Sowjetsk. Bevor ich los bin habe ich von Sowjetsk noch ein paar Bilder gemacht, die allerdings nicht ganz repräsentativ für die Stadt sind.

 

 

Ich hatte überhaupt keine Vorstellung von der russischen Oblast Kaliningrad. Dass das Gebiet Ostpreußens seit dem 2. WK der Sowjetunion zugeschlagen wurde wusste ich schon nicht aber dass es etwa eine Größe 220 mal 150 Kilometer misst. So waren es von Sowjetsk bis nach Königsberg 120 Kilometer durch flaches grünes Land mit viel Wald und Feldern.

 

 

Noch mit gepacktem Esel suchte ich gleich mal den Hafen, der so trostlos mit vielen stillstehenden Kränen aus meiner zeitweiligen Heimatstadt Eberswalde, wo die Schiffe vergeblich auf Schiffe zum Entladen warten und vor sich hin rosten dabei. Das Bild kenne ich von meinem Heimathafen Rostock, der immer mit Schiffen vollgestopft und voller Betriebsamkeit war und dann ein paar Jahre nach der Wende genauso aussah.

 

                                                                                                                         Die Doppel-Hubbrücke. Oben fährt die Eisenbahn und unten die Autos

 

 

Auf dem Weg zum Hafen durch die Stadt, wartete ich immer auf das schöne Königsberg. Ich fand es auch später eigentlich nirgendwo mehr. Eine ganze Stadt erst zerbombt und dann abgerissen, buchstäblich ALLES. Im Hotel hingen ein paar schöne alte Fotos an der Wand. Unvorstellbar und traurig, dass sowas geschehen kann. Auf dem Schutt Königsbergs wurde dann Kaliningrad errichtet, wie es heute aussieht. Weitläufig, unpersönlich und nicht schön. Außerhalb des ehemaligen Stadtkerns gibt es aber noch viele alte Häuser, restauriert oder vergammelt und viel altes (oder neues?) Kopfsteinpflaster.

 

 

Königsberg muss sehr schön gewesen sein

 

 

Die Kathedrale wurde vor einigen Jahren wiederaufgebaut und dienst heute als Museum und Konzertsaal. Als ich abends rein wollte, hatte gerade ein Konzert angefangen. Chor, Solisten, Orgel und Trompeten. Ich konnte leider nur im Vorraum lauschen. Am nächsten Tag war ich im (dürftigen) Museum. In den Saal kam ich leider nicht rein. Auch geheiratet wird hier – ob schlank oder etwas rundlich.

 

 

Und wieder mal „rein zufällig“ fand ich den Markt und kaufte geräuchertes Geselchtes Speck und Käse. Vielleicht ist es ja der Echte Tilsiter? An der Grenze zu Polen dann ein großes Schild mit einem rot durchgestrichenen fetten Schwein und Würsten. Die Zöllnerin (hübsch und grimmig) hatte den Beutel in der Hand, besaß aber anscheinend und glücklicherweise keinen Geruchssinn.

 

                                                                                                                                                                  Ja, richtig. Geräucherte Schweineschnauzen

 

Und ein Marinemuseum gabs natürlich auch. Leider schon geschlossen

 

 

 

Auf einer neuen Straße, teilweise neben einer alten Fahrbahn der Reichsautobahn in das Juwel Ostpreußens, gings Richtung Grenze zu Polen. Ja, einst rollten forsch die deutschen Panzer auf dieser Straße und drei Jahre später schleppten sich die, die´s am Ende immer ausbaden, ihren Acker, ihre Häuser, Kühe, Hühner und Katzen und ihr schönes Königsberg zurücklassend mit ein paar Habseligkeiten, zu Fuß in die andere Richtung und in eine ungewisse Zukunft. Schlimm vor allem, weil das nie aufhört.

 

 

 

Viele werden damals auch wie ich, die Stadt durch dieses "Brandenburger Tor“ verlassen haben. Es gruselt einem, wenn man daran denkt.

 

P o l e n

 

Diesmal waren´s die Polen, die die Grenzabfertigung (zwei Stunden) gemütlich angehen ließen. Muss man verstehen – ist ja schließlich EU-Außengrenze. Wenn sie dabei wenigstens gründlich wären und den Leuten den Speck wegnehmen würden…

 

Ich bog gleich rechts ab und wollte „heimisches“ Brackwasser schnuppern und landete in Frauenburg am Achterwasser der Kurischen Nehrung in einer Fischbratküche

 

Der Bauch war voll, dicke Regenwolken zogen auf – Warum nicht hierbleiben? Es gab da auch, neben zwei anderen die große Backsteinkirche auf dem Berg oberhalb des kleinen Ortes zu besichtigen, hier zu übernachten und mir das Gebiet bis Danzig und darüber hinaus für morgen aufzuheben. Mit der Kirche gab es dann eine Überraschung. SIe entpuppte sich als „Kathedrale Mariä Himmelfahrt und St. Andreas“ des Erzbischofs von Emland. Oder auch „Frauenburger Dom“ genannt. Und darüber hinaus beherbergt er das Grab des Nikolaus Kopernikus. Kopernikus, südlich von Danzig geboren, war hier Domherr, Astronom, Arzt, Kirchenjurist und noch mit anderen Wissenschaften befasst. Ihm haben wir ja bekanntlich die Erkenntnis zu verdanken, dass WIR nicht der Mittelpunkt des Universums sind, sondern nur ein kleiner Trabant unserer Sonne.

 

Der Dom überlebte die Jahrhunderte ziemlich unbeschadet und ist ein beeindruckender Bau in dieser abgelegenen Gegend. Das Kopernikus-Museum war leider nicht mehr offen.

 

 

Stolpmünde am 30. September 2019 

 

Es tut gut, in Ostseenähe die Reise austrudeln zu lassen, auch um mich an die baltischen Wetterbedingungen wieder anzupassen. Da war heute gute Gelegenheit dazu. Es hat ab Mittag ununterbrochen geregnet aber zum Glück war es nicht kalt dabei. Ich dachte, meine Regenjacke wäre wasserdicht – ist sie aber anscheinend nicht und die guten MUSTO-Segelstiefel (Leder/Textil) auch nicht. Straßenwasser ist vielleicht anders, als Seewasser…

 

Ich habe mir bewusst Nebenstraßen ausgesucht, denn in das nordöstliche Polen kommt man nicht so schnell nicht wieder. Ich kann nur eines sagen: Es ist sehr schön hier. Viel bunter Mischwald mit Feldern in einem sehr gesunden Verhältnis. An dieser schönen Backstein-Gotik-Kirche kam ich in einem der nächsten Dörfer vorbei, dessen Namen ich vergessen habe

 

 

Blühende Landschaften. Das kenne ich doch irgendwoher…

 

Mit dieser Vorstellung, wie „verlottertes Pommern und Ostpreußen“ bin ich hier reingefahren und erlebte stattdessen die Überraschung, dass es eben nicht so aussieht, wie bei uns im nordöstlichen Randgebiet. Die wichtigen Straßen sind sowieso alle neu aber auch kleine Straßen sind gut und wenn nicht, wird gerade dran gearbeitet. Die Dörfer sehr ordentlich, Grundstücke gepflegt und die Häuser sehen fast alle aus, wie neu. In den Ortschaften gibt es tatsächlich viele neue Wohnhäuser. Nach Landflucht sieht das jedenfalls nicht aus. Was läuft  anders, als bei uns? Immer mehr bekomme ich Zweifel, ob wir wirklich noch der Nabel dieser Welt sind.

                                                               Allerdings geben diese Bilder nicht das wieder, was ich eigentlich ausdrücken wollte. Hab keine passenden

  

Danzig 

Jedenfalls kenne ich auch nicht einen einzigen Ort in Deutschland, wo so gepowert, so geklotzt wird, wie in Danzig. Das hat mich umgehauen. Dass die Polen gut im Restaurieren von historischen Bauten sind, wussten wir ja zu DDR-Zeiten schon … 

 

 

… geklotzt wird aber im historischen Stadtkern sehr feinfühlig mit moderner Architektur. Am Kran-Tor stehen sich beide Welten gegenüber und schauen sich gegenseitig an und ich glaube, keine der Seiten fühlt sich gestört von seinem Gegenüber. Wirklich sehr stimmig. Ich denke, das werden vor allem teure Apartments sein, die da gebaut wurden oder noch werden.

 

 

Zwei Stunden im Regen, der immer heftiger wurde, mussten reichen. Für diesmal. Stolpmünde wollte ich noch erreichen (150km)  und hab mir wieder kleine Straßen gesucht. Durch Wälder und sehr ordentlich Städtchen und Dörfer.

 

                                                                                                             "Wer reitet so spät durch Sturm und Wind – das ist der Opa mit seiner Beta…"

 

                                Schön war´s trotzdem. Nur am Ende flogen Laub und Zweige durch die Gegend und es wurde kalt.

 

Und das ist doch nun schon fast wie zu Hause, wenn´s auch noch Stolpmünde ist für eine Nacht. Mein „Motorrad“-Cousin Wolfgang und Anita haben eine Wohnung auf Usedom. Nochmal 250 Kilometer nach Zempin durch den Regen und den Sturm, der heute die Schifffahrt nach Hiddensee lahmgelegt und sich weiter ostwärts aufgemacht hat..

 

 

 

Insel Hiddensee, am 07. Oktober 2019 

 

Nun bin ich schon ein paar Tage zu Hause auf der Insel Hiddensee und will die Geschichte der Reise „Kaukasus und Zentralasien 2019“ mit ein paar letzten Bildern zu Ende erzählen.

 

Übrigens: in Stolpmünde gibt es ein tolles Eis. Lohnt sich mal hinzufahren. Auch, wenn man eine kaputte Uhr hat, wie ich zum Beispiel. Im weiten Russland fand ich niemanden, der mir in meine billige 5-Euro-Reiseuhr einen neuen Armband-Stift reinmachen konnte. Na ja, und dann Regen, Regen… Trotzdem suchte ich auf Nebenstraßen die kleinen Orte an der polnischen Ostseeküste, geriet in Baustellen und Umleitungen, die ich nicht durchschaute, so dass es, als ich von der Fähre in Swinemünde (Foto) fuhr, dunkel wurde. Vorne ging mein Licht nicht, neben mir hielt eine Frau, und meinte „mein Rückllicht wäre kaputt“, die Kette, die in den letzten Tagen immer länger geworden war, und das Ritzel klapperten, so wie ich auch – Zeit, nach Hause zu kommen.

 

 

Der Zufall wollte es, dass meine Cousine Anita, mit einer Freundin gerade in ihrer Ferienwohnung auf Usedom weilte. Obwohl ich wusste, wo der Schlüssel zu finden wäre; war es schön, dass sie gerade dort war. Das hatte den Vorteil, dass ich nach der kalten Regenfahrt eine heiße Suppe zur Begrüßung bekam, einen schönen Abend (seit langem wieder in deutscher Sprache) mit den beiden und ein ordentliches Frühstück für die letzten Kilometer in vertrauter heimatlicher Landschaft hatte. Vor ein paar Jahren war ich tief berührt, als ich dort bei meinem Cousin diese Kasper-Puppen wiedersah. Sie gehören zu meinen allerfrühesten Kindheits-Erinnerungen. Tante Lotte und Onkel Helmut, die nach dem Krieg und später eine große Rolle im Zusammenhalt unserer Familie spielten, erfreuten unsere Kinderherzen mit Kasper, dem Schutzmann, dem Teufel, dem König – und warum ist Gretel nicht dabei? – immer wieder aufs Neue. Die Drei dazwischen gehörten nicht dazu – oder doch?

 

 

Die letzte Etappe im Sonnenschein ließ mich den Regen seit Russland vergessen und ich nahm den Umweg über Freest am Peenestrom, wo wir zu DDR-Zeiten extra wegen der Fischräucherei hinsegelten. Die gibt´s heute noch auf der kleinen Anhöhe im Dorf. Von hier aus bestatteten wir auch unsere Schwester Sabine im Brackwasser des Greifswalder Boddens.

 

                                                                      Freest, Stralsund, die letzten Meter vor Schaprode und die Fahrt nach Hiddensee auf der Fähre „Vitte“

 

 

Die vielen Urlauber staunten mit großen Fragezeichen ins Gesicht geschrieben, nicht schlecht, als ich auf der „autofreien Insel“ unten am Bodden entlang, durch Kloster und über die Straße nach Grieben tuckerte, wo meine Marianne mich frohen Herzens und mit Kaffee und Sanddorn-Torte erwartete. Ich weiß nicht, was größer ist: meine -Reiselust auf zwei motorisierten Rädern und mein Stehvermögen oder ihre Geduld mit mir. Auch wenn Freunde gelegentlich helfen - es ist viel zu tun auf dem Hof, besonders im Sommer. Ich danke Dir dafür, Marianne. 

 

 

Mit dem Motorrad auf Hiddensee 

Ich denke, nach 18.000 Kilometern in der Ferne darf man das mal 

 

 

Doch nun noch einmal zu mir. Erstmal bin ich sehr froh, dass ich wieder, einigermaßen gesund, in unser schönes zu Hause zurückgekehrt bin. Diese kleine Einschränkung muss ich machen, weil meine Freundin Helga irgendwie Recht hatte, als sie mal zu Marianne meinte: „Jetzt gurkt er da draußen rum und wenn er nach Hause kommt, dann rennt er wieder zu den Ärzten“. Da ist was dran. Jedenfalls bin ich sehr froh, dass ich nochmal losgefahren bin, in einen Teil der Erde, den ich noch überhaupt nicht kannte, obwohl wir doch durch unser Aufwachsen und Leben in der DDR mit der Sowjetunion so „brüderlich“ verbunden waren und die südlichen Unionsrepubliken immer etwas Geheimnisvolles, Exotisches hatten. Das sind sie immer noch trotz aller Entwicklung und Veränderungen.

 

Nach meiner vorherigen Reise durch Iran, Pakistan, Indien, Nepal und Bangladesch, die – das war mir schon während dieser Reise vor zwei Jahren klar – einmalig war, ist es schwer, so etwas nochmal woanders zu wiederholen. Dabei fällt mir eigentlich nur ein Unterschied ein. Während der Indien-Reise traf ich nur zwei Motorrad-Reisende und das waren zumal noch Frauen. Hier reiste ich in einem Strom, nein besser: in einem Bach von Reisenden, die auf allen möglichen, meist kernigen Weisen auf den gleichen Routen unterwegs sind, die ich als Motorradfahrer benutzen kann. In den (touristischen) Quartieren, die natürlich entstehen, wenn es Bedarf gibt, habe ich viele bemerkenswerte Haudegen mit interessanten Reiserouten bewundert, aber deshalb bin ich nicht unterwegs. Es lenkt ab von den Erwartungen an die eigene Reise. Beim Schreiben meines Blogs fiel es mir besonders auf und so manchem treuen Leser vielleicht auch.

 

 

Das hat aber keineswegs meine Freude an der Reise getrübt. Je weiter ich nach Osten fuhr, um so spannender und schöner wurde es. Landschaftlich und vor allem durch Begegnungen. Mein Russisch war Gold wert, um in Kontakt mit den Menschen am Wegrand zu kommen und von ihren Lebensumständen zu erfahren. So kann ich nun einen neuen „Erfahrungsschatz“ zu den vielen anderen aus meinem Leben legen. Ich wünschte, diese herzlichen Menschen hätten ein leichteres, nicht so mühseliges Leben. Männer fahren nach Russland als Gastarbeiter, Kinder aus ärmeren Verhältnissen sind von höherer Bildung ausgeschlossen, keine Arbeit, keine Versicherungen, kleine Rente, Mühsal und kaum Einkommen auf dem Lande …In einigen Ländern geht es voran, langsam. 

 

Bei mir ging es meistens auch nur langsam voran. Gewollt natürlich. In Kirgisistan wäre ich gerne länger geblieben. Es ist mit dem Tien Schan Gebirge neben Tadschikistan mit der Nordseite des Pamir landschaftlich das spannendste. Leider hat mir die Federung meiner Beta die Freude besonders im Bantang-Tal getrübt. Auch die unendliche Steppe war eine sehr schöne Erfahrung und auch die Hitze zwischen 40 und 45 Grad im Schatten über fast 3 Monate war eine – aber nicht so schöne. Besonders in der Steppe, wo man im Schatten nicht messen könnte, weil es keinen gibt.

 


 

Wie erwartet oder befürchtet, habe ich natürlich in den ersten Tagen auf der Insel schon öfter die Frage gehört: …und wo geht´s nun das nächste Mal hin?“ Ich versichere: es gibt keine Pläne. Für eine neue, vielleicht letzte Reise dieser Art, muss ich gesund bleiben, Marianne auch, müsste es ein besonderes, außergewöhnliches Ziel geben und ein Motorrad, das mit will. Meine Beta, die sich nun in der Scheune ausruhen darf im derzeitigen Zustand, will das sicherlich nicht.  Ich bin zurzeit so voller schöner Eindrücke und Erinnerungen, dass ich mich auf den Herbst und Winter und die Ruhe freue, die hier auf unserer Insel bald einkehren wird. Eine Reise mit Marianne wäre schön.

 

E  n  d  e