Kalkutta, der 08.01.2018 

 

Ich hatte es schon fast vergessen, dass ich mit meiner Maschine nur nach Bangladesch reingekommen bin, weil die Zöllner so beeindruckt davon waren, dass ich 20.000 km auf wie Rädern unterwegs war, um Bangladesch zu besuchen und so freundlich waren, so lange rumzutelefonieren, Anweisungen und ähnliche Vorgänge im meinem Sinne zu interpretieren, bis ein Weg gefunden wurde Bei der Ausreise dann nach Indien wurde ich wieder daran erinnert. 

Wo ich den herkäme, wie ich mit der Maschine reinkommen konnte, ohne Bankbürgschaft die in meinem Falle ca. 12.000 € ausgemacht hätte und wie nun rauskommen? Das waren die Fragen, womit sich ca. zehn Leute zwei Stunden lang beschäftigten, bis der Chef Grünes Licht gab und ich abgefertigt und zur ebenfalls erstaunten Immigration geschickt wurde. Die indische Einreise dauerte ähnlich lange. Ich weiß gar nicht mehr, warum eigentlich. Die Grenze schließt um sechs, ich war um 7 durch, weil die Grenzer anscheinend lieber von meiner Reise hören wollten, als nach Hause zu müssen. Übrigens solche verrotteten Abfertigungsräume und so hatte ich vorher auch noch ich passiert. Es war schwer, sich zurecht zu finden zumal mürrische indische Beamte keine Auskünfte geben, wo es wie weitergeht. Mit Kalkutta wurde es also nichts mehr. 

Unterwegs gibt’s immer was sehen und zu staunen, wie zum Beispiel diese schöne alte Alleenstraße im Dunst.

oder Töpfereien

 

Es war ein schlimmes Gewühle, in die Stadt zu gelangen und wo sucht man in einer 15-Millionen Stadt? Ich suchte da, wo die Straßen am dichtesten waren. Entweder die Hotels hatten keine „Lizenz für Ausländer“, was auch immer sich dahinter wirklich verbirgt, die Zimmer waren so übel, dass ich mal keinen Bock auf diese Kategorie hatte oder keine Möglichkeit mein Fahrzeug nachts sicher zu verwahren. Ich war einfach an der falschen Stelle. Dabei suchte ich eigentlich für die Tage, an denen ich meine Probleme für die Weiterreise lösen wollte, mal was Freundliches. Nach ein paar Stunden gab ich genervt auf, und beanspruchte booking.com, fand was Bezahlbares, war nicht gründlich bei er Wahl des Standortes und landete in einer Gegend, die sich wie „Stadtrand“ anfühlt, eine ruhige Wohngegend. 

Hier in der Hafenstadt Kalkutta (in der ich natürlich auch schon ein paarmal war) wollte ich entscheiden, wie es je nach Reparaturmöglichkeiten weitergehen wird. Mein treuer zweirädriger Freund brauchte für eine Fortsetzung dringend fachkundige Zuwendung. Wenn die hier nicht zu bekommen wäre, hätte ich sie hier, allerdings sehr enttäuscht, verschifft und wäre nach Kerala in den Urlaub geflogen. Zu viele ernst zu nehmende Probleme hatten sich angesammelt.

 

Ein Tag aus dem Leben eines Individual-Reisenden  

Also ran an die Probleme: Sechs, sieben Marken-Werkstätten, wie HONDA, SUZUKI, YAMAGA, ROYAL ENFIELD, lehnten eiskalt ab, sich meine Sorgen auch nur anzuhören. Ein Kunde, der meine zunehmenden Sorgen und Wut sah, gab mir den Tipp, ich solle mal zum Wellington-Platz, da gäbe es viele lokale Werkstätten. Also auf dahin mit meinen Ersatzteilen. 

An einer Ampelkreuzung wollte ich abbiegen, nutzte die Lücke zwischen einem gerade haltenden Auto und der eisernen Absperrung zum Fußsteig, die Autotür ging auf und ich knallte gegen deren Hinterkante und landete eingeklemmt unter der Maschine und dem Eisenzaun. Sofort befreiten mich Leute aus der misslichen Lage. Ich hatte solche Schmerzen in meinem dünnen Handschuh, dass mir die Sinne schwanden und mir schwindlig war. Es war sehr wohltuend, dass auch sofort zwei Flaschen Wasser gebracht wurden (merken!). Vom rechten Mittelfinger habe ich mir vorne ein Tetanus, Verband, Medikamente für den ersten Tag und Rezept. Alles umsonst. Die Notaufnahme ist kostenlos für alle im staatlichen Krankenhaus. 

 

Was sich hier abspielt in der Notaufnahme ist mit Worten nicht zu beschreiben. Tausende Menschen warten. Viele draußen auf der Erde oder liegend auf den Fluren in blechernen Tragen oder nur so, Leute mit Tropf werden auf diesen Tragen reingebracht, Angehörige halten Hände und beruhigen phatisch Leidende. Ein junger Mann hielt seinen Arm hoch mit einem tiefen Schnitt quer, da, wo man sich mit einem Schnitt das Leben nimmt, eine junge Frau saß schon beim Doktor mit einer Verbrennung eines ganzen Armes von er Hand bis zur Schulter. Die Ärzte und Schwestern an den Enden der Schlangen (nicht in einem extra Raum) arbeiten unter unsäglichen Bedingungen des Andranges und Getöses von Hunderten von Menschen. Einen weißen Kittel sah ich nirgendwo. Bloß gut, dass ich Deutscher bin. Ich hätte einen Tag (und vielleicht die nächste Nacht) dort verbringen können.

 

Frisch verbunden wieder aufs Motorrad und endlich auf zum Wellington-Platz. Irgendwann habe ich in Bangladesch Mit dem Sprit auch Wasser getankt, das ich häufig am Vergaserboden abgelassen habe, wenn die Maschine Spirenzchen machte. In dem dichten Verkehr ging sie mir nun öfter aus, Sprit ablassen half nicht mehr, bis durch das häufige Starten die Batterie leer war. Schieben bis zur nächsten Kreuzung, an der glücklicherweise eine Tankstelle war zum entspannt Parken. Vor der Reise hatte ich mir ein spezielles Starthilfekabel gebastelt, das schon ein paar Mal zum Einsatz kam. Niemand wollte mich an seine Batterie lassen. Batterie raus, auf die Suche gehen, eine Werkstatt, die Batterien verkauft und lädt: „Diese Marke laden wir nicht“. Eiskalt. Weitersuchen. Im dritten Batterieshop fand ich genau meine Größe, vorgeladen, und konnte Starten. Es fand sich wieder einmal ein freundlicher junger Mann auf Dienstreise, diesmal aus Kerala, der mir half, mein Batterieproblem zu lösen.

Der Wellington-Platz war nicht mehr weit. Mit mehrmaligen Neustarts rettete ich mich bis dahin. Als ich wieder mal stehen blieb,war gegenüber eine kleine Schrauberbude. Ein Volltreffer!, wie sich heraus stellen sollte. „Wo ist das Problem?“ Genaue Beschreibung der Ausfälle unter Erwähnung des Wassers im Sprit und dass ich hier in Kalkutta sowas, wie eine Generalreparatur machen muss. “Vergaser“, während ich befürchtete, dass die Zündbox sich wieder verabschiedet. „Wir“ arbeiteten bis Mitternacht vor allem an der „Generalreparatur“, der Vergaser war raus und ausgewaschen. Das war der Tag meiner Ankunft in Kalkutta, der 06.01.2018.

 

 

Kalkutta, am 10.01.2017 

 

Ich wollte nur eine paar Tage bleiben, Jetzt wird es eine Woche. Das Hotel hier draußen war natürlich ein Fehler, den ich blöderweise auch nicht korrigiert habe. Meine ganze Ausrüstung im Zimmer zerstreut ist und ich die Abreise immer um einen Tag weitergeschoben habe. Jeden Tag muss ich mich vormittags in die Stadt hinein und abends wieder rauswühlen. Von den uralten von Hand gezogenen Rikschas bis Bussen sind die Straßen voll. Mehr geht nicht. Bisher habe ich mir nur einen halben Tag „frei genommen“ für Sightseeing per Motorrad. Der Rest war nur „Dinge erledigen“, die zu erledigen waren.

Am nächsten Tag kam der Vergaser rein und am Tag darauf nochmal raus, weil der Motor Probleme mit dem Abtouren und dem Standgas hatte. Das ist noch nicht ganz erledigt. Trotzdem hätte ich keinen besseren Schrauber finden können. In dem Getöse der dicht befahrenen Straße verloren die beiden Mechaniker nie die Ruhe und es gab bei den ständig 3-4 auseinandergerupften Maschinen kein Problem, das offenblieb. Der Ersatzteilladen über die Straße hatte wirklich alles, wie z.B. fünf passende Kugellager von KSF (deutsch). Die Maschine ist jetzt wirklich runderneuert. Radlager vorn und hinten gewechselt, die hinteren waren verrostet und die Kugeln schon ein bisschen eckig. Ich denke beim Waschen per Hochdruckreiniger ist Wasser eingedrungen. Eine neue Kette habe ich drauf, bei der zwei alte Glieder eingenietet wurden, weil sie zu kurz war. Bremszylinder der Fußbremse gewechselt (aus meinem Bestand, Türkei), Bremsen gewartet, Gabel-Öl gewechselt. Eine Dichtung unten leckte. Den alten Kupferring habe ich über Holzkohle ausgeglüht, über dem eigentlich Tee gekocht wird.

Motoröl gewechselt und den Ölfilter ausgewaschen, da ich keinen jungfräulichen mehr habe. Motorventile eingestellt nach Fingerspitzengefühl. Neue Zündkerze. Tank gereinigt. Das zunehmende Klappern der Ventile habe ich wahrgenommen, aber nicht den Zusammenhang mit nachlassender Motorleistung. Da sowas schleichend von statten geht, habe ich es nicht realisiert. Jetzt schnurrt sie wieder sauber und hat wieder einen satten Anzug. Sehr schön. Klopfgeräusche von der Kette sind auch weg, weil wir meine inzwischen runtergewetzte Grafitschmierung und hinten eine nicht unbedingt notwendige Kettenführung abgebaut haben. Der in Islamabad drangebastelte Spritzschutz ist neu und noch einige Kleinigkeiten. Beim Unfall abgebrochenen Handschutz geflickt, abgebrochenen linken Siegel erneuert. Ich bin morgen zum Verabschieden nochmal in der Werkstatt. Ich weiß nicht, ob ich ihn nochmal bitten soll, wegen des schwammigen Standgasverhaltens den Vergaser noch mal rauszuholen. Für das Ganze incl. Material habe ich keine Hundert Euro bezahlt. Eine Spende wurde nicht angenommen. Der nette und aufgeweckte Junge ist ständig in der Werkstatt, hat keinen Vater mehr, geht nicht zur Schule, weil das Geld nicht reicht und versteht alles auf Englisch, Er wird mal ein guter Mechaniker.

 

Genug vom Motorrad. Ich war noch mal im Krankenhaus beim Chirurgen, weil sie weh tat, die kleine Verletzung. Ich dachte, es müsste was abgeschnippelt werden. Entzündung: Antibiotika. Pflegehinweise. Tabletten gibt’s in jeder Apotheke, Verbandmaterial nicht. Das muss man suchen und bekommt es dann irgendwo aus einer staubigen Kiste. Ein Zahnarzt stand noch auf meiner To-do-Liste. Hübsch, jung, freundlich hörte sie sich meine Wünsche an, wie es ablaufen soll, dass meine edle Prothese ja keinen Schaden nimmt, bis sich auf halber Strecke rausstellte, dass sie die Krone zur Sicherheit doch nicht fest aufzementieren wollte. Wir einigten uns auf eine abgespeckte Version.

 

 

Eine neue SIM-Karte musste ich mir auch noch besorgen, was hier nicht so einfach ist. Ausländer kriegen die nur in Hauptbüros der Anbieter mit Passbild und einem Bürgen. Meine alte war mit dem vorletzten Visum Ende des Jahres automatisch abgelaufen und nicht mehr zu gebrauchen. Eine schwarz an der Grenze beschaffte, funktioniert nicht in allen Provinzen. 

Nur zwei „Attraktionen“ Kalkuttas habe ich gezielt besucht. Ich weiß, das ist beschämend, zumal ich nicht mal weiß wieso das VICTORIA MEMORIAL da entstanden ist. Mir fehlt einfach Zeit zum Ergründen und selbst zum Nachdenken.

 

 Spannender war die HOWRA BRIDGE in der trüben Abendsonne und das Treiben drum herum. 

Puri (am Golf von Bengalen), am 15.01.2018 

 

Bis zur letzten Minute in Kalkutta war ich unter Druck, wie alle die Tage davor. Früh auf dem Markt, suchte ich einen passenden stabilen Karton auf dem Markt und packte Sachen ein, um sie nach Hause zu schicken. Zelt, Schlafsack, warme Klamotten, abmontierte Teile vom Motorrad, eine leichte geschmiedete Sichel für Marianne und ein Macheten artiges Beil für mich. Ich stand, irgendwo in Bangladesch, daneben, wie mein Beil geschmiedet und gehärtet wurde. Ein Stück Federstahl, ein Schmiedefeuer, ein Amboss und drei blacksmiths, die im Takt nacheinander die Hämmer auf mein Eisen niedersausen ließen. Ich komme an solchen Dingen nicht vorbei.

Draußen vor dem Postamt saß ein „Einpacker“ auf der Straße, der die Formulare und feines Sackleinen zum Einnähen meines Kartons (9 kg) hatte.    Die uralten Rikschas aus meiner Seefahrtzeit rollen auch noch.

Als ich nach der Paketaktion starten wollte, sprang sie nicht an und ruckzuck war die Neue indische Batterie leer. Toll. Kein Zündfunke und sofort dachte an die Zündbox. Auf dem Bürgersteig „schraubte“ jemand Mopeds. Der hatte eine passende verrostete Zündkerze. Mit meinem Starthilfekabel, über das immer alle staunen, bekam ich Saft von einem Motorrad und sie sprang an. Zurück zum Hotel, meine Zündkerzen holen und rein in die Stadt (eine Stunde für 7 km) zur Werkstatt. Meine alte Batterie war noch da (natürlich auch leer) und schnell eingebaut. Wieder Starthilfe und mit Kribbeln im Bauch ab in die Nacht zurück zum Hotel mit einem Kleinen Sightseeing-Umweg. Ich solle morgen noch mal kommen, dann würden sie die Elektrik durchchecken. Das war wieder so ein wunderschöner Tag, mein letzter in Kalkutta. Was ich nachts bei einem Ausfall hätte machen können, weiß ich auch nicht. Wahrscheinlich hätte ich neben der Maschine im Rinnstein geschlafen…

 

Die beiden tollen Burschen aus der Werkstatt und Fateh, der mir u.a. geholfen hat, eine neue Hose zu finden. Die alte war nicht mehr salongfähig

 

 

In die Werkstatt fuhr ich am nächsten Tag nicht mehr, weil ich ihre Vermutungen mit Lichtmaschine oder Regler ausschließen konnte sondern brach auf zur letzten Etappe mit dem Ziel KERALA. Entfernung auf dem kürzesten Weg: 2.500 Kilometer.

 

Über Schnellstraßen, Landstraßen und Brücken, durch flaches aber abwechslungsreiches Land ... 

…gibt es immer wieder Überraschungen. Mal ein Elefant von dessen rotgefärbter Stirn ich auf meine einen roten Punkt übertragen bekam. Oder drahtige Radfahrer aus Kanada auf dem Weg von Kalkutta nach Madras. Eine Truppe, die per Bus und voll ausgerüstet auf einer 30tägigen Indien-Rundreise war, lud mich an einem Fluss zum Essen ein. Erst aßen die Männer, dann die Frauen. Da ich wie immer langsam, diesmal aber auch mit ein bisschen „langen Zähnen“ aß, rutschte ich in die Frauenrunde rein.

 

 

Gestern steuerte ich für die Nacht Konath an, wo es den Tempel des Sonnengottes zu besichtigen gibt. Als Beispiel höchster hinduistischer Baukunst und übersät mit feinen Sandsteinschnitzereien ist er in die Weltkulturerbe-Liste aufgenommen.

 

 

Als es dunkel war, gab es eine schöne Licht- und Ton-Show, auf die Tempelbauten projeziert, in der die Geschichte des Tempels erzählt wurde.

 

Puri am Tag darauf 

 

Ich brauch mal eine Pause zum Verschnaufen. Kalkutta hat geschlaucht mit dem Erledigen all der Probleme und immer durch das Gewühl und schrille Gehupe. Der Finger will einfach nicht heilen und tut weh, dabei pflege ich ihn gut mit täglichem Desinfizieren, Heilsalbe und mehrmaligem frisch Verbinden. Ich war damit unterwegs nochmal im Krankenhaus. Der Doktor (Bild) meint: Geduld und weiter pflegen mit neuen Medikamenten. Auch hier nur 5 Rupies (7cent) Anmeldegebühr. Eine Schnittwunde an der linken Hand will auch nicht zu gehen, ich habe Halsschmerzen mit dicken Mandeln und bin müde die letzten Tage. Hier am Meer ist der rechte Ort zum Luft holen.

Puri ist eine große Stadt mit Strand und Massen an (indischen) Touristen und vereinzelten Bleichgesichtern. Viele scheinen auf Pilgerreise zu den zahlreichen Tempeln zu sein, zu denen nur Hindus Zutritt haben.                                                                      Sprechstunde

 

Der Fischer Vijay und seine Familie 

Als ich an den Strand kam, saßen eine Gruppe Fischer zur Beratung in der Runde. Es ging um das Ponga-Fest, eine hinduistische Zeremonie am nächsten Tag. Dabei traf ich auf Vijai und erfuhr wieder allerhand Neues über die Fischerei hier. Zum Abend war ich dann zum Bratfisch in seinem Zuhause eingeladen. Am nördlichen Ende des Strandes ist ein Fischerdorf. Deshalb habe ich mich auch hier einquartiert und nicht am übervölkerten schicken Touristenstrand. Der Weg zu seinem „Haus“ ging durch dunkle Gassen mit Abwasserrinnen. Die kleinen Makrelen brutzelten schon in er Pfanne. Das Haus besteht aus der Küche, dem Wohn/Schlafraum mit allen vieren im einzigen Bett (jedenfalls zurzeit) und einem kleinen Hinterhof mit Plumsklo. Die beiden Kinder gehen hundert Kilometer entfernt in die Schule, wohnen dort bei der Oma und kommen an Feiertagen und in den Ferien nach Hause, so wie jetzt gerade.

 

 

 

Vijay, der sein ordentliches Englisch am Strand von Touristen gelernt hat, und seine Frau Parvathi sind nicht zur Schule gegangen, Er fischt auf dem Boot eines Anderen mit, und wie es meist in der Welt üblich ist, geht der Fang zur Hälfte an Boot und Eigner, der Rest wird an die Besatzung des kleinen Bootes verteilt. Nachts paddeln sie mit 3 oder vier Mann ein paar Stunden weit raus, setzen Stellnetze auf Sardinen oder Makrelen und legen auch Leinen mit Haken, um ihr Glück mit Thunfischen zu versuchen. Wie sie die auf die kleinen Boote gehievt bekommen, ist mir schleierhaft. Die Netze bleiben nur ein bis zwei Stunden stehen, weil sie sonst von anderen räuberischen Fischen oder Krabben leergefressen werden, so dass nur die Gräten übrigbleiben. Je nach Erfolg stellen sie die Netze zwei- bis dreimal und paddeln dann zurück, wo sie an Großhändler je nach Verhandlungsglück verkauft werden.

                                                                     Das sind die kleinen Boote.

 

Ich wollte mehr wissen über Bauweise, Preis für ein Boot, neu oder gebraucht und ob sie hier im Ort gebaut werden. Die Plastikboote sind komplett als Hohlkörper gebaut und haben ein Holzdeck für Besatzung, Netze und Fang, einen schmalen Schwerkasten und eine Vertiefung, wo ein Segelmast reingestellt werden kann. Heute schaute ich mir die „Werft“ an, in der die Kunststoff-Boote laminiert werden. Kurz und gut: Der überglückliche Vijay wird in Kürze ein eigenes Boot besitzen, auch dank der Hilfe durch meinen großzügigen Freund. Ich hoffe, es ist auch in seinem Sinne. Jedenfalls gibt es wenigstens eine glückliche Familie mehr im armen Osten Indiens und zwei Kinder, die eine gute Ausbildung machen können. Es sind liebe Menschen und es war schön, zu sehen, wie sie miteinander umgingen. Deshalb fiel es auch leicht. Sie sind übrigens Protestanten und es gibt eine Kirche im Dorf.                          Der Hinterhof, die Nachbarin mit einmonatigem Baby und die Nachbarschaft

 

 

Die glückliche Familie „vor“ und „nach“ dem Boot …

 

Am Sonnenstrand, das, was die alten Herren Bibliothek nannten und der Jagannath-Tempel

 

Ausgeruht bin ich bin ich eigentlich nicht aber ich muss weiter. Auf der schnellsten Strecke sind es 2.500 Kilometer bis Kochi (zu meiner Zeit hieß es noch Kotchin). In vierzehn Tagen möchte ich da sein; Marianne kommt am 5. Februar. Da ich nicht weiß, was mir alles unterwegs noch begegnen wird, geht´s morgen weiter. Es war mir klar, dass es nun nicht mehr die grandiosen Dinge sind, die auf meinem Weg liegen, aber kleine Eindrücke und Erlebnisse machen mir auch Freude.

 

Kandukur, der 20.01.2017 

 

friedrich-unterwegs im Krisenmodus 

Der „ewig starke“ Friedrich ist schlapp und müde. Ja, sowas gibt´s auch mal irgendwann. Vorhin, beim (geglückten) Versuch, mit aller Anstrengung beim Wenden auf der Straße, die umfallende Maschine nicht gänzlich umfallen zu lassen, habe ich mir die Wunde am Finger wieder aufgemacht. Ich war so glücklich, dass sie sich nach über einer Woche intensiver Pflege schon fast geschlossen hatte und nun geht das wieder von vorne los!

Meine Mundschleimhaut ist entzündet und brennt besonders beim Essen. Nun merke ich, dass es außer Bananen nichts zum Sattmachen gibt, was nicht mit Chili übersättigt ist. Ich hab mich an das scharfe Essen ganz gut angepasst aber jetzt komme ich damit nicht zurecht. Chili, grün gehackt, als getrocknete zerbröselte Schoten oder als Pulver scheint sich, je weiter ich nach Süden komme, vom Gewürz in ein Grundnahrungsmittel zu verwandeln. Völlig abartig kauen die Eingeborenen dann auch noch genüsslich eine oder zwei Schoten dazu. Sie merken ja eh nicht, was sie in sich reinstopfen. 

Der Sekundenkleber hat so schön lange gehalten aber nun wackelt mein Gebiss wieder und die Krone ist auch wieder ab. Wusste ich vorher, dass es nicht lange funktionieren wird – aber sie war doch do süß und nett… 

Meine Krämpfe überall in n Beinen lassen mich nachts unzählige Male aus dem Bett springen zwischen dem ohnehin schon zu häufigen Pinkeln müssen. 

Vielleicht aber ist das alles nur eingebildet, weil die vielen Kilometer im Augenblick ein bisschen anstrengend sind. Also, es wird wieder. Meine Nursery (Gemeindeschwesternstation). 

Ein bisschen viel für einen kleinen Finger, was? Da es schwierig ist, Verbandmaterial zu beschaffen, nehme ich alles, was ich kriegen kann.

 

 

Am ersten Tag nach Puri ging es durch eine wasserreiche Gegend über Nehrungen, die das Achterwasser vom Meer trennten Eine halbständige Bootsfahrt inbegriffen. Ich weiß nicht, was bei rausgekommen wäre, wenn der Steuermann, wie in der Seefahrt üblich, die obligatorische Stabilitätsberechnung gemacht hätte. Ich schätze, wir hatten 6-7 Tonnen einen Meter über der Wasserlinie geladen. Vielleicht standen deshalb alle so still auf ihren 20 Zentimetern, die jeder zur Verfügung hatte.  

 

 

Die Hindus haben ja viele Götter. Diese Gemeinde hat Krischna erkoren. Dies war der letzte von drei Feiertagen, an denen u.a. aus Spenden 20.000 Menschen mit einer Mahlzeit versorgt wurden. So lange, wie ich da war, erst Männer, dann Frauen und dann kamen die Schüler (oder Studenten, wie die älteren genannt werden) dran. Die Teller: Ein Rund aus mit Hölzchen zusammengesteckten runden Blättern. Ich bekam einen Stuhl, da ich das Sitzen auf dem Boden mit gekreuzten Beinen nicht mehr hinkriege und auch eine Portion Reis und Soßen aus Eimern aufgekellt. Ich konnte nur den Reis essen. Ich glaube, im Dunkeln hätte man kleine Flämmchen über dem Teller sehen können. So scharf.

 

 

Der Priester segnete mich und meine Familie, deren Namen ich nennen sollte und bekam zum Dank ein ziegelrotes Willkommensmal über die Nasenwurzel gestrichten. Es hielt bis gestern.

 

 

Mit mehreren, einige hundert Meter langen Wehren ist ein Fluss um ein paar Meter aufgestaut worden, dessen Wasser über Kanäle weit ins Land hinein verteilt wird. Einer der Kanäle begleitete mich über 50 Kilometer und sorgt für eine zweite Reisernte, Grün, soweit das Auge reichte.

 

 

Als die Landschaft trockener wurde, musste ich endlich „Kilometer machen“ Der National Highway NH16 geht mit einem Abstand (20-50 km) die ganze Küste runter. Meine Absicht, ab und zu mal ans Meer auszubüchsen und vielleicht mal ein Stückchen daran entlang zu fahren, habe ich heute Nachmittag spontan aufgegeben. Durch die zahlreichen Flussmündungen ist die Küste unterbrochen und da gibt es immer nur mal eine Stichstraße und die auch nicht immer bis ans Wasser.

Nach 600 Kilometern „auf der A20 wie Prenzlau-Stralsund“ mit einer „toten“ Stadt“ ab und zu

 

 

mal ans Meer auszubüchsen und vielleicht mal ein Stückchen daran entlang zu fahren, habe ich heute Nachmittag spontan aufgegeben. Durch die zahlreichen Flussmündungen ist die Küste unterbrochen und da gibt es immer nur mal eine Stichstraße und die auch nicht immer bis ans Wasser.  

Nach zwei Tagen und 600 Kilometern größtenteils „auf der A20 wie Prenzlau-Stralsund“ mit einer „toten“ Stadt“ ab und zu, war es mir zu blöd, zumal ich noch Luft habe, rechtzeitig nach Kerala zu gelangen, um Marianne nicht am 05. Februar auf dem Flughafen Kochi sitzen zu lassen, und bin nun in diesem gottverlassenen „Irgendein-Nest“ und werde mich auf Landstraßen über den südlichen Subkontinent Indien auf zur westlichen Küste durchschlagen.

 

Verhältnis Futter:Chili: 2:1, Puri-Mahlzeit. Nur das Brot und die Coca konnte ich genießen. Frauen kochen selten an den Freßständen.

 

Jetzt nach dem Schreib-Abend geht es mir schon wieder besser. Ich habe hier heute Abend NICHTS gefunden, was ich hätte essen wollen. So werde ich mich heute Nacht mit knurrendem Magen den Mücken zum Fraß anbieten. Die aggressiven Biester plagen mich seit West-Bangladesch. Die großen hört man wenigstens noch, wenn sie den Kopf ansteuern. Von den winzigen bekommt man erst was mit, wenn die Stiche jucken und den ganzen Körper in schlaflose Kribbligkeit und Unruhe versetzen. 

Alkohol in Indien. Alkohol gibt´s neben den „Wine Shops“ gelegentlich auch in solchen „Bar- und Restaurant“-Schuppen. Trinken kann/muss (?) man in diesen Abteil-artigen Buchten. Gruselig. Feine Hotels haben sicherlich auch eine Alkohol-Lizenz aber da kenne ich mich nicht aus.

 

Gestern hatte ich seit langem wieder Kontakt mit TukTuk-Mischa. Es war sein Geburtstag, in Hyderabad, nur ein paar Hundert Kilometer weiter im Landesinnern. Sie hatten sich auf meinen Ratschlag ein Visum für Bangladesch besorgt, kamen aber leider nicht rein, weil sie kein Carnet hatten. So waren sie nur sechs Tage mit dem Zug im Land. Schade, es hätte ihnen auch gefallen. Sie sind – inzwischen mit einem Kumpel mehr an Bord – auf dem Weg nach Goa, wo er das praktische Vehikel für ein kleines Geld verscherbeln will, nach Hause fliegt und sein Bauwesen-Studium wiederaufnehmen will.

 

 

Vorhin rief mich Vijay, der Fischer aus Puri an. Sein Bootsbau soll in zwei Tagen beginnen. Dann wurde ich noch auf dem Messenger TELEGRAM von Mortezas Vater aus dem Iran angeklingelt. Ich konnte ihn mit Hilfe von Skype zurückrufen, denn einige Dienste sind noch gesperrt nach den Unruhen dort.

 

Noch was vergessen? Nee. Dann wünsche ich mir für die nächsten Tage, dass alles hält, solche Straßen und vielleicht noch schöne Erlebnisse und Begegnungen. Die Maschine läuft übrigens, wie eine gut geölte alte SINGER. Toi Toi Toi !

 

Zum ersten Mal sind mir die Bilder ausgegangen. Da mogle ich - Inschallah! - in den nächsten Tagen welche "aus deer Zukunft rein

 

 

Thokottu, der 24.01.2017 

Angekommen am Arabischen Meer 

 

Nur so viel für heute. Vielleicht morgen mehr

 

 

Im Paradies, am 25.01.2018

 

Unter Palmen auf einer Landspitze, umgeben vom Arab. Meer, dem Valiyaparamba-Achterwasser und der Flußmündung des Thejaswini-River.

 

 

Hier habe ich gefunden was ich gesucht habe, um inne zu halten und eine Pause einzulegen in mein rastloses Reisen, das auch geschlaucht hat am Ende. Schöner geht´s wirklich nicht. Mit dieser Ruhe und dem schönen Blick durch die Palmen auf den Fluss kommt auch der menschenleere kilometerlange Strand, der nur 300 Meter auf der anderen Seite ist, nicht mit. Die vier Frauen, die wir Moslems haben dürfen, machen das Glück perfekt. Soviel auch nur für heute.

 

Krishna, der nette Erbauer und Besitzer der beiden mit viel Geschmack gebauten Bungalows, hat mir dieses Youtube-Video zur Verfügung gestellt. Ich versuch´s mal, ob ich es zum Laufen kriege. (Am Anfang: unten rechts wohne ich im Wald am Fluss)

 

 

So weit war ich schon mal mit dem Einbinden von kurzen Videos. Nach dem Abspielen kommen immer weitere Angebote von YouTube. >Nochmal< und >II<. Mehr fällt mir auch nicht ein.

 

  

Im Paradies (Azhishala), am 27.01.2017 

 

Auch im Paradies passieren blöde Sachen. Eben nach dem späten Aufstehen, ist mein Gebiss nun komplett auseinandergebrochen. Mit Sekunden- und Zweikomponenten-Kleber muss ich es nun wieder zusammen bekommen und danach müssen die Teleskope exakt wieder in einander passen. Unappetitliches Thema? In meinem Alter jedenfalls nicht mehr. 

 

Nun aber nochmal zurück, zur Querung Indiens über fast 1.0000 Kilometer. Kurz gesagt: so interessant war es in etwa. Veränderung der Landschaft von Ost nach West auf den ersten 600 km.

 

Das war aber nicht alles. Es gab Ortschaften,

Menschen, das zentrale trockene Indien dort ist dünn besiedelt,

 

und Tiere,

und natürlich Straßen, die auf den ersten 6-700 km für mich alleine hatte und die meistens schön geradeaus gingen.

 

Ein paar „gute Taten“ konnte ich unterwegs auch vollbringen. Zweimal konnte ich mit meinem Spritkanister weiterhelfen, als Leute ihre Mopeds durch die Pampa und Hitze schoben. Einmal half ich, eine heruntergerutschte abenteuerliche Fuhre Brennholz wieder auf ein Moped zu hieven und fest zu kriegen. An einer Abzweigung im Nirgendwo hielt ich, da sprang ein Affe auf mein Heck, klaute sich, die Wasserflasche, knabberte sie an der Unterkante auf, trank und schmiss sie weg, so dass das wertvolle Nass versickerte. Und als ich unterwegs meinen Finger frisch verband, machten sich Affen über das Fressbare aus dem offen gelassenen Seitenkoffer her. 

Je weiter ich der Westküste näherkam, umso hügliger, bergiger, grüner und wasserreicher wurde es.

 

Die letzte Stadt, Mishrana, in der ich übernachtete, sah plötzlich anders, freundlicher aus als die Städte davor und die Häuser danach auf dem Lande waren schöner mit ziegelgedeckten Walmdächern kündigten eine andere Kultur Indiens an.

 

Ach ja, dann gab es unterwegs ein hinduistisches Fest (Festival, wie man hier sagt), wobei ein Heiligtum, frisch geschmückt, herangerollt wird, Leute aus der Umgebung pilgern hierher und lassen in dem rollbaren Schrein symbolische Opfer segnen. Später sah ich noch so ein „Gefährt“.

 

 

Das Abspulen von Kilometern liegt hinter mir und nun sitze ich vor meiner schönen Hütte und genieße es, mal NICHTS ZU TUN, auch wenn die Tage verrinnen. Ich habe diesen schönen Blick in friedlicher Umgebung, höre die Krähen in den Palmen lamentieren, viele paradiesische Vögel kommen vorbei, wie eben gerade der „Kingfisher“ (der wohl nach der hiesigen Biersorte benannt wurde?). Er hat Ähnlichkeit mit dem Eisvogel, sitzt hier vor mir auf einer Leine, stürzt sich immer mal in den Teich und putzt sein Gefieder. Reiher waten durch den flachen Teichrand oder sind ständig bei den kleinen grasenden Rindern, die ihnen beim Fressen und Trampeln Insekten aufscheuchen. Fischkutter kommen vorbei, ein kleiner Buntspecht hat den Kingfisher abgelöst und untersucht die abgebrochene Palme, an der der Sitzplatz des Kingfishers angebunden ist. Und viele andere Vögel besuchen den Teich. Hier ist es einfach schön, zu sein. Auch mein kaputter Finger kommt hier zur Ruhe; die Wunde schießt sich jetzt endlich. Kerala wird ein schöner Abschluss meiner Reise werden. 

 

Krishna hat mich gestern zu einem Tempel gebracht, in dem auch ein „Festival“ zelebriert wurde, das einmal im Jahr stattfindet. Krishna ist ein wunderbarer Mensch, auf den ich noch später zurückkommen muss. Er spricht das Englisch leider so, dass ich oft nicht dahinter steige, was er mir erklären will. Schade, weil er so viel Interessantes über die Lebensweise in Kerala mitzuteilen hat.

 

Ich habe nur so viel mitbekommen, dass in den phantasievollen Verkleidungen Priester (Lehrer) stecken, von denen sich die Menschen segnen lassen und kultische Tänze und Zeremonien vollführen. Wenn ich noch mehr erfahre, schreibe ich es auf. Heute nur die Bilder und ein Video und dann gehe ich schlafen. Die giftigen Mücken, meine zu nachtaktive Blase und die Scheiß-Krämpfe in den Beinen lassen mich schlecht schlafen. Ich will morgen mal sehr früh raus und eine Wanderung machen.

 

Kochi (zu „meiner“ Zeit war´s noch: Kotchin), am 01.02.2017     (km 24.000) 

 

Die paar Tage auf der Landspitze zwischen Fluss und Meer waren so schön und erholsam, dass ich nicht mal Lust zu Schreiben verspürte. Ich habe vier Tage einfach mal fast NICHTS gemacht. Mit dem freundlichen Krischna, der die behaglichen Bungalows errichtet hat, habe ich viel auf der Terrasse gesessen und erzählt und es kamen immerzu Leute aus der Nachbarschaft vorbei. Beim Abschied, der wie immer schwergefallen ist, drückte Krishna aus, dass es schade wäre, dass ich abreisen müsste. Dieses Bedauern habe ich öfters schon beim Abschied mitnehmen müssen aber ein Nebensatz von ihm hat mich berührt. Er meinte, dass mein Besuch, also des so weit und auch noch auf einem Motorrad Angereisten, seinen „sozialen Status“ in seinem Umfeld verbessern würde. Dass jemand wie er, der „auf Teilzeit“ in einer Behörde für Artenschutz arbeitet, Stunden an der Schule gibt, liebenswürdig und verbindlich ist, Touristen in die abgelegene Ecke lockt, einen Status haben könnte, den man noch verbessern kann/muss, hat mich ziemlich überrascht. Aber eine Halbinsel, auf der die meisten vom Fischfang leben, ist ja vielleicht auch sowas wie eine Insel…

 

Nebenan wurde ein neues Haus geweiht, mit einer ähnlichen Zeremonie, wie beim Festival. Es sind wohl eher Schauspieler, als Priester, die aber in die Rolle eines Gottes schlüpfen, und tanzend zu der heißen Trommelmusik eine Geschichte erzählen, bei der alle ehrfürchtig dabei sind.

 

 

Besucher in meinem Paradies. Ein Seeadler und viele exotische Vögel gehörten dazu. Über 200 Vogelarten gibt es in Kerala

 

 

Kanus, bei denen man nicht erkennen kann, wie das Holz zusammengefügt wurde. Inzwischen werden sie auch aus Glasfiber gebaut.

 

 

Am letzten Abend sind wir über den Fluss gepaddelt. Dort lagerten (Fluss-) Nomaden, die ihr Hab und Gut in die geflochtenen flachen „Schüsseln“ laden und weiterziehen, wenn es keine Arbeit gibt. Auch im Land sieht man oft Zeltlager von Nicht-Sesshaften.

 

 

Es war jedenfalls sehr schön dort unter den Palmen. Vor mir hatte ich den wunderschönen Fluss auf dem immer was los war und keine dreihundert Meter hinter mir kilometerlangen menschenleeren Strand. Von der Familie wurde keralisch bekocht. Ich hatte ja Probleme mit schmerzhaft entzündeter Mundschleimhaut und schaffte es am dritten Tag endlich dass sie den Chili wegließen Der wurde dann ersetzt durch die gleiche Menge schwarzem Pfeffer, der es auch in sich hat in Kerala. Das wäre ein schöner Einstieg in den Urlaub mit Marianne – sie am Strand und ich am Fluss… Es ist leider 350km nördlich von hier.

Die Fahrt nach Kochi war zäh und ich brauchte zwei Tage. Der Highway 66 ist zwar eine wichtige N-S-Verbindung ist aber nur einspurig und fast durchweg besiedelt, was mit 200 Kilometer dichtem Stadtverkehr zu vergleichen wäre. Schlimm in Indien sind die Bumpies, auf die Straßen asphaltierte Wülste, um die Leute ans Langsam-Fahren zu erinnern. Sie sind so gemein, dass man sie nur mit Tempo NULL heil überwinden kann. Manchmal sind sie mit Farbe gekennzeichnet, und dann meistens nicht rechtzeitig genug zu erkennen. 

Bei der Suche nach einer Bleibe gab´s wieder Schwierigkeiten. Diesmal lag es nicht daran, dass ich Ausländer, sondern „Alleinreisender“ bin. Warum? Achselzucken, manchmal mit Bedauern gepaart. Dies sei eine Pilgerstadt und die Bestimmungen sind so. Ein schickes Hotel hatte dann die die Genehmigung, Vögel, wie mich zu beherbergen. Verstehe einer diese Inder… 

Langweilig war es trotzdem nicht Manchmal fand ich Nebenstraßen, die sich entspannter fuhren und über denen keine Staub-Ruß-Wolken hingen und an denen es Abwechselungen gab.

 

Tempelfeste zum Beispiel, bei denen immer ordentlich heiße Rhythmen getrommelt werden

Kotchin, am 04.02.2017   (km 24.000)

 

Nun bin ich schon drei Tage hier in Kotchin und was habe ich hier in den drei Tagen gemacht? Dreimal darf man raten… 

Noch vor der Hotelsuche steuerte ich die Adresse der Seefracht-Firma an, die Thomas mir geschickt hat und konnte mein Anliegen, meine Maschine mitsamt Reisegepäck in ein paar Wochen nach Hause schicken zu wollen anbringen. Morgen, wenn Marianne kommt, erfahre ich die Einzelheiten. Dann will ich alles soweit vorbereiten, dass es vor unserem Heimflug dann ohne Komplikationen abläuft. 

Ich wohne hier im alten Kotchin in einem Mix aus alten kleinen Häuschen, neuen Häusern, Kirchen und Kolonialbauten. Eine ruhige Wohngegend mit vielen Homestays und Touristen.

 

Die meiste Zeit habe ich in der Werkstatt hier um die Ecke - oft nur mit Warten, dass es endlich weitergeht – zugebracht. Nach Demontage von Heckteil, Vorderrad und Gabelholmen war nicht mehr viel übrig von meinem treuen Freund. Ich hatte mir vorgenommen, den Heckrahmen, der unterwegs so viele Narben bekommen hat, überall dort, wo es angebracht und wo Platz ist, durch Doppelungen zu verstärken. Es ist ganz gut gelungen. Die Gabel und der Motor haben frisches Öl, der Seitenständer ist gerichtet und geschweißt und noch ein paar Kleinigkeiten sind erledigt.

 

Nein, meine kleine BETA ist keine Scheiß-Maschine, wie man langsam vermuten könnte. Sie ist nicht die stabilste aber sie hat durchgehalten bis zum Schluss und sie hat mich über 24.000 schöne, spannende, abwechslungsreiche, anstrengende und erholsame (usw.) Kilometer durch einige der schönsten Landschaften dieser Welt getragen. Und wenn es Probleme gab, die ich unterwegs nicht fixen konnte, hat sie mich immer noch dorthin gebracht, wo ich freundliche Hilfe bekam. Meine Minimalausrüstung an Werkzeug hatte ich perfekt zusammengestellt. Schraubensortiment, kleine Ersatzteile, Bremsklötze, Kerzen, Lampen, Sicherungen Ölfilter, Strippe, Draht, Isolierband Epoxid- und Sekundenkleber, Bremsflüssigkeit, Öl, Fett, eine Mini-Luftpumpe und Reifendruckmesser, Reifenmontier-Eisen und Flickzeug waren in meinem Gepäck. Letztere habe ich zum Glück nie gebraucht. Und immer noch die ersten Reifen drauf! Hut ab (das schafft kein anderer, als HEIDENAU. Vielen Dank. Das meiste der Teile ist verbraucht, einen sauberen Putzlappen habe ich noch aus unserer alten FDGB-Bettwäsche. 

All die Dinge, mit der ich die Maschine im Winter vor meiner Tour ausgerüstet habe, waren sehr nützlich und haben sich bewährt.

 

 

Wenn ich allein an die VISA denke, war die Reise eine Erfolgsstory. Die Ur-Ausrüstung mit Visa aus Deutschland war vorbereitet aber schon im ersten Visa-Land Iran, Makulatur. Verlängerungen für Iran und Pakistan, zwei neue Visa für Indien, 1 x Nepal (easy) und Bangladesch nur durch Botschaftshilfe, mit eigenem Motorrad durch Bangladesch. All das waren unterwegs glückliche Erfolge, die mich manchmal haben jauchzen lassen. Und immer waren freundliche Menschen im Spiel, die von meiner Story begeistert waren und die weitergeholfen haben.

 

 

Auch die Änderung meines Reisezieles hat meiner Reise-Freude keinen Abbruch getan. Es war richtig, dass ich mich auf den Norden der Länder konzentriert habe. Hindukusch, Himalaya, Pamir – ich hatte wenigstens schöne Blicke darauf und habe das gemacht, was mir möglich war. Diese Regionen haben viel mehr zu bieten aber das muss ich anderen, Jüngeren überlassen. Es bleibt immer was liegen, was man hätte noch machen können, wo ich hätte viel länger bleiben müssen. Ich habe das „immer-weiter-wollen“ (abgesehen von den Visa-Zwangspausen) nicht hinbekommen obwohl ich es mir vorgenommen hatte. Es gab so viele Orte, an denen ich hätte bleiben sollen aber dann wäre der Abschied-auf-immer von vielen Menschen, die schnell zu guten Freunden wurden, noch schwerer geworden. Mit vielen stehe ich in Kontakt, was nicht einfach ist, aufrecht zu erhalten.                                               

                                                                                                                                    Übersetzen mit der Fähre im wasserreichen Gebiet von Kotchin

 

Ob Muneer in Kaschmir am Ende sein Haus wird abbezahlen und sein Hausboot behalten können, weiß ich nicht. Es gab schön wieder Schiesserein zwischen der indischen und pakistanischen Armee, was das Auskommen durch Tourismus verhindert. Mussafar, der den Laden in Ladakh betreibt, hat es schwer, seine Familie in Kaschmir durch den Winter zu bringen, weiß ich. Das Boot für Vijay in Puri ist auf Kiel gelegt, teilt er mir freudig mit. Einige Dorfschulen haben vielleicht für die ärmsten Schüler Hefte und Bleistifte kaufen, Mosheen ein paar Essen mehr verteilen können. Shrawan aus Nepal müsste nach letzter Information auf einem indischen Kreuzfahrtschiff als „housekeeper“ arbeiten und ein paar Rohynias mehr, haben vielleicht eine warme Decke für die Nacht oder ein Kleidungsstück. Auch all das und viele andere kleine Zuwendungen machen zurückblickend ein gutes Gefühl (oder beruhigen das Gewissen?).

                                                                                                                                                                                                  ein weiteres Tempelfest

 

Es war eine unvergessliche, ganz besondere Reise. Oft wurde ich, in Erwartung, dass ich das aktuelle Land nenne, gefragt, wo es am schönsten war. Es gibt kein „schönstes“ Land auf so einer Reise. Es hängt immer auch davon ab, was einem wichtig ist. Mir waren Landschaften (das Wort „schöne“ lasse ich mal weg) die Menschen und ihre Lebensweise wichtig zu erleben. Das zu erfahren hatte ich unendlich viele Gelegenheiten. Meine Art zu Reisen, hat es leichtgemacht, Kontakt und Zugang zu den Menschen zu bekommen. Wenn man mich fragen würde, WAS mir am besten gefallen hat, dann wäre die Antwort einfach: die Menschen, in ihren unterschiedlichen Lebenswelten und Lebensumständen zu erleben…

 

Fischen. Zwei Männer ziehen Leinen mit Flatterbändern trichterartig durchs Wasser und ein dritter versucht die am Ende zusammengetriebenen Fische tauchend mit den Händen zu greifen. Oder man fischt als Einzelkämpfer und zieht dann unverrichteter Dinge weiter.

 

… und, dass ich so eine Reise überhaupt machen konnte. Ich habe das Glück, diese Reise überhaupt stemmen zu können, was überhaupt nicht selbstverständlich ist. Ein gutes Maß an Zeit, Geld, Träumen, Gesundheit, Wille, Kraft und Ausdauer, Zielstrebigkeit und Unverzagtheit, Optimismus und am Ende die Zustimmung der Familie haben es möglich gemacht, mir diesen Traum zu erfüllen. Und das Glück, bei so einem Unterfangen, ist nicht zu unterschätzen. Es können so viele Dinge schiefgehen, auf die man keinen Einfluss hat. Ich blieb verschont davon, vielleicht auch deshalb, weil von allen Religionen immer mal wieder einen guten Segen mitnehmen konnte.

                                                                   von hier aus und mit einem solchen Containerschiff wird mein Motorrad Mitte März auf Heimreise gehen.

 

Es war anders, als in einem Paradies irgendwo Urlaub zu machen und dann, ausgeruht, wieder nach Hause zu fahren. Es ist trotz aller Freude auf die baldige glückliche Heimkehr schwer, daran zu denken, dass diese Reise nun zu Ende geht, dass ich aus dieser Welt wiederauftauchen „muss“. Dieses Gefühl hatte ich besonders noch in Bangladesch, wo das Leben so auf die einfachsten Dinge, wie das tägliche Überleben, reduziert ist. Die lange Tour über 2.500 Kilometer von Kalkutta bis hierher, auf der nicht viel passierte, hat mir beim „Auftauchen“ etwas geholfen. Auch der Besuch des Gottesdienstes heute am Sonntagmorgen in der Kathedrale von Kotchin gleich nebenan, war ein guter Abschluss, bei dem ich DANKE sagen konnte.                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 Gottesdienst 

 

Hier in Kerala ist nicht mehr Indien, wie man es sich so vorstellt. Kerala ist grün, bunt wasserreich und fruchtbar, entwickelt (wenn auch keinesfalls reich) und mit sehr freundlichen Menschen hat es mich empfangen. Ich denke, ich werde dieses Reisetagebuch noch nicht ganz zuschlagen. Vielleicht gibt es noch ein paar Dinge zu sagen – jedenfalls ganz bestimmt über KERALA.

                                                                                                                                                                                          Fischmarkt an er Anlegestelle

 

Marianne kommt morgen Nachmittag mit einem Einwegticket hier an und wir wollen mal richtig Urlaub machen. Nach neun Monaten haben wir uns den auch verdient. Marianne dafür, dass sie mich all die Zeit unterstützt und begeistert begleitet und dabei zu Hause alles gemeistert hat und ich weil mir der nach neun Monaten einfach zusteht. Ich versuche gerade Zugtickets zu bekommen, was schwieriger ist, als einen Flug zu buchen, da die Züge Wochen vorher schon ausgebucht sind. Bei Krischna in seinem Bungalow hat es mir sehr gefallen, weit weg von allem Tourismus, dem man hier in Kerala nicht entfliehen kann, wenn man dahin will, wo es schön ist. Motorrad und Gepäck bleiben hier, bis wir nach einigen Tagen wiederkommen, Sachen umpacken und vielleicht noch vier Wochen hier im grünen Paradies rumknattern und bleiben, wo es uns gefällt. Ich hoffe, Marianne kann hinten drauf einigermaßen bequem sitzen

 

 

 

An der Ostküste hat der indische Motorradfan Ankit aus der Nähe von Kalkutta ein Interview für seinen Youtube-Kanal von mir haben wollen. Er schickte es mir vor ein paar Tagen. Hier ist das Ergebnis.

 

 

  

Also. Ich schlage mein Reisetagbuch jetzt zu. Alles hat einmal ein Ende. So auch meine Reise. Wenn ich in den neun Monaten auf der Maschine saß und meinen Gedanken freien Lauf ließ, gab es vieles, was ich noch hätte aufschreiben können. Es war gut, dass ich diesmal mein kleines Laptop, das mir oft wie ein mitreisender Freund war, dabeihatte und ich damit jederzeit schreiben konnte. Selten gab es in meinen Nachtquartieren Tisch und Stuhl, so musste ich mir immer etwas einfallen lassen, um irgendwie an die (übrigens miserable) Tastatur zu kommen. Das Niederschreiben meiner Erlebnisse hat mir großen Spaß aber auch oft großen (technischen) Stress gemacht. Das Schreiben war für mich das, was andere als das Austauschen von Eindrücken mit Mitreisenden haben.

 

Ich bin glücklich, diese Reise in eine Welt gemacht zu haben, die mir völlig fremd war. Nun ist sie es nicht mehr für mich. Das Alleinreisen zumal auf einem Motorrad hat es leicht gemacht mit so vielen guten Menschen in Kontakt zu kommen, die mir in guter Erinnerung bleiben werden. Iran, Pakistan, Indien, Nepal, Bangladesch oder durch die Täler und über Pässe des Hindukusch, des Pamir und Himalayas – wann kommt man da schon mal hin? Bangladesch war „als Durchreise“ gedacht und hat mich dann mit seinen herzlichen Menschen so überrascht!  

 

Ich bedanke mich bei den vielen Freunden die mich auf die verschiedenste Weise bei Problemen tatkräftig unterstützt und mich in Gedanken oder mit ihrer Post begleitet haben. Und natürlich bei meiner Familie, die den Alten haben ziehen lassen in die weite Welt.