Istanbul, am 22.Mai 2017
Vor der Abreise aus Thessaloniki hatte ich ja noch zwei Dinge auf den Zettel: Vergaser reinigen und albanische Lek loswerden. In der ersten Sache hatte ich Erfolg. Ein toller Meister – die Beta schnurrt wieder.
In der „Bank of Greece“ und in der „National Bank of Greece“ nahmen sie meine meine Scheine mit spitzen Fingern und schüttelten die Köpfe. Erinnert mich an die DDR-Mark. Ich geb auf und schreib´s ab. Es war Mittag, als ich aufbrach.
Über annähernd 500 km von Thessaloniki nach Istanbul ging´s eigentlich nur darum, hin zu kommen und dies fast alles auf breiten Schnellstraßen. Interessante Alternativen, die ich oft suche, gibt es keine. Auf der griechischen Seite größtenteils am Strymonischen Golf entlang und hinter der Grenze hatte ich auf der zweiten Hälfte dann bis nach Istanbul hinein immer das blaue Marmarameer auf der rechten Seite. Die Grenze war wieder einmal problemlos.
Je näher ich Istanbul mit ihren 15 Millionen Einwohnern kam, um so wachsamer musste ich sein. Ich habe ja mit dichtem Verkehr eigentlich keine Probleme aber hier brettern einige brutal in die Lücken rein, dass man befürchten muss, dass sie einem das Vorderrad beim einscheren wegfahren.
Nun steht meine Maschine vor dem kleinen Hostel, das ich entgegen meinen sonstigen Gewohnheiten in Thessaloniki auf booking.com vorher gebucht habe. Das war eine gute Idee, denn ich habe jetzt – ohne lange rum zu suchen - ein hübsches kleines Zimmer in der Altstadt in einer engen Gasse dicht unterhalb der berühmten Blauen Moschee und der Hagia Sophia.
Inzwischen liegen nun zwei sehr schöne Istanbul-Tage hinter mir, es ist frühlingshaft kühl, Sonne mit Regen hin und wieder.
Am ersten Abend hatte ich gleich eine sehr nette Begegnung in einer Gaststätte mit einem Paar in mittleren Jahren. Stellte sich heraus, dass er aus Pakistan stammt aber schon lehr lange hier wohnt. Je nachdem, mit wem man spricht, ist es immer im Nachbarland nicht ungefährlich. Also hält er – außer in Grenzgebieten zu Afghanistan und Kaschmir – für ungefährlich. Ich erzählte ihm, dass ich gerne in Pakistan in die Bergwelt wollte aber es wohl große Schwierigkeiten macht, eine Genehmigung für diese Gebiete zu bekommen. Die könne er mir besorgen, nahm sein Telefon und telefonierte 10 Minuten angeregt. Danach kam die Überraschung. Er hatte mit dem Ersten Staatssekretär des pakistanischen Tourismusministeriums telefoniert, der gerade dabei war, ein paar Zeitzonen weiter, ins Bett zu steigen. Ich bekam dessen private Handynnummer, solle mich melden, wenn ich in Islamabad wäre, dann zu ihm kommen und während ich bei ihm einen Tee schlürfe, würde er mir in 20 Minuten „persönlich“ diese Genehmigungen ausstellen. Ist das nicht toll und ein irrer Zufall? Mein Tischnachbar hatte mal dort gearbeitet.
Mit dem Motorrad bin ich nur einmal hier gefahren, um den Laden zu finden, der mir einen (scheiß-teuren) neuen Akku für meinen GARNIM-Navi verkauft liefern konnte. Meiner war, selten genutzt, kaputt und das Gerät funktionierte nicht mehr. Inwieweit ich es in den nächsten Ländern nutzen kann, weiß ich allerdings nicht. Außer für Indien liefert Garnim keine Karten. Mein pfiffiger Neffen-Sohn Phillip hat mir open-source-Karten für alle folgenden Länder raufgeladen. Ob die funktionieren, ließ sich zu Hause nicht ausprobieren. Das Fahren – nein besser: das stop-and-go und rangieren mit der Zuladung in der Stadt ist für mich nicht so einfach. Dabei hatte ich nicht mal die Tasche noch oben drauf; die Städte werden später noch dichter…
Ansonsten bin ich zu Fuß das Viertel kreuz und quer, rauf und runter unterwegs gewesen. Ich war in den beiden großen Wahrzeichen hier auf dem Hügel, auf den Märkten (Hemd gekauft), in Cafès und Restaurants und habe am Sonntag eine Rundfahrt mit einem Ausflugsdampfer auf dem Bosporus unternommen. Als ich 2008 von Zagreb aus mit dem Motorrad mal hier war, waren viele der schönen alten (Holz)-Villen auf Ostufer der Meerenge noch marode, waren aber unter Schutz gestellt und durften nicht abgerissen werden. Heute sind sie alle wunderschön rausgeputzt.
Ansonsten genieße ich den aromatischen Tee, Airan, das bald für längere Zeit letzte Bier, das gegrillte Gemüse und das Lammfleisch mit duftendem Brot, was hier alles besser schmeckt, als bei uns zu Hause. Das Essen schmeckt umso besser, je weiter man von den Touristenmeilen weg ist. Oder liegt es daran, dass es dann nur einen Teil davon kostet? Jetzt sitze ich schreibend und eine Wasserpfeife rauchend in einem Café. Ich weiß nicht, ob das gut ist für mich. In meinem Alter denke ich in dem Zusammenhang nicht mehr, hatte mir jedoch vor über 30 Jahren geschworen nie wieder die „ERSTE Zigarette“ zu rauchen. In die Tabak-Abhängigkeit will ich nicht mehr zurück!
Gestern früh hatte ich in einem Café an meiner Seite weiterschreiben wollen und muss fatale Fehler gemacht haben. Jedenfalls war fast aller Text weg und keine brauchbare Struktur mehr vorhanden. Meine Aufregung könnt Ihr Euch vorstellen! Es kamen schon Anfragen von eifrigen Lesern. Jörg, das Goldstück, hat das abends wieder ausbügeln und mich glücklich machen können. Ihm könnt Ihr einen ausgeben, wenn er Euch mal über den Weg läuft, denn ihm ist es zu verdanken, dass ich gelernt habe, mit dem Medium umzugehen und Ihr was über meine Reise lesen könnt in dieser Form.
Auch habe ich heute zum ersten Mal die Software ausprobiert und erfolgreich eingesetzt, die Damir mir installiert und erklärt hat, mit der der ich stapelweise Fotos fürs Internet verkleinern kann. Das spart eine Menge Zeit. Damir ist der Alleskönner, der mir damals das großartige Fotoalbum zum Abschied gemacht hatte.
So, der Text ist fertig. In die Seite gehe ich erst, wenn ich zurück auf meiner Bude bin. Der Schreck von gestern sitzt mir noch in den Knochen. Hier ist es zu unruhig. Alle Wäsche ist gewaschen und wenn Ihr morgen mal reinschaut, dann bin ich schon über die elegante Bosporus-Brücke in ASIEN unterwegs …
Wenn ich morgen über diese Brücke bin, dann fängt die Reise eigentlich erst an, dann komm das Unbekannte
ISTEBOLU POSTANI am Schwarzen Meer, 25. Mai 2017 km 2200
Es ist schon wieder 21:00 Uhr geworden und ich komme gerade vom „Dinner“ in einem Fisch-Imbiss. Die Chefin und ihre beiden hübschen Töchter gab´s dazu. Der frische Fisch aus der Region war vom Fischhändler gegenüber. Der Erste, seit ich aus Istanbul weg bin, mit dem ich mich ein bisschen auf Englisch verständigen konnte. Ansonsten: absolut Null sprachliche Verständigung. Weder am Straßenrand, in der Werkstatt oder im Hotel. Hätte ich nicht gedacht. Aber da kann ich das ja gleich mal üben für das, was noch kommt.
Abreise aus Istanbul.
Ich bin nicht über die stolze Brücke sondern mit der Fähre über den Bosporus. Das war einfacher. Der Fähranleger war gleich bei mir um die Ecke. Die Brückenauffahrt hätte ich erst mitten in der Stadt finden müssen. Aus der Stadt zu kommen, in der so viele Menschen leben, wie wir in der DDR Einwohner waren, hat mich ins Schwitzen gebracht. Die brutale Fahrweise gegen mich auf meiner Kiste – oder besser: zwischen meinen Kisten zu ertragen, war nicht einfach und natürlich das Hinausfinden.
Hinzu kam noch, dass das Treten des Fußpedals für die Hinterradbremse zunehmend ins Leere ging. Das Bewegen des kleinen Hydraulik-Ausgleichbehälters half nur kurzzeitig. Am Stadtrand fand ich „trotz“ mehrmaliger wortreicher türkischer Wegbeschreibungen eine kleine Motorradwerkstadt mit kompetenten jungen Leuten. Kopfkratzen, Telefonieren, im Internet suchen, was alles ziemlich lange dauerte, führte zu nichts. Keiner handelt mit Beta-Teilen, nicht mal bei Ebay. Also ran. Bremse hinten ausbauen, an der es leckte, losfahren Ersatz für meinen leicht beschädigten Simmerring auftreiben, passt nicht, um dann das zu tun, was übrigbleibt: alles schön reinigen, fetten und wieder zusammenbauen, (meine) Ersatz-Bremssteine einbauen, auffüllen und entlüften.
Ich nutzte die Zeit, HERBERT SCHAJOR anzurufen. Herbert ist der Händler der die Beta in Deutschland vertreibt und anscheinend auch der einzige Herr über ihre Ersatzteile ist. Mit Teilen und Ratschlägen hat er mir schon bei den Vorbereitungen der Reise sehr geholfen. Nun nehme ich sein freundliches Angebot, mir auch unterwegs aus der Patsche zu helfen, falls es notwendig wird. Gestern gingen Teile per Eilbrief auf die Reise an die DHL-Packstation in TRAPZON weiter voraus, noch am Schwarzen Meer.
Schöner wäre es gewesen, weiter voraus Richtung iranische Grenze aber da habe ich im Internet kein DHL gefunden und habe leider auch keine irgendwelche Adresse parat. Herbert bekam die Auskunft, dass per DHL-Express nur Dokumente verschickt werden können. Wahrscheinlich gilt das nur für das leichte Brief-Format, denn mein Brüderchen Thomas erzähle mir, dass er vor drei Tagen ein 50kg-Ersatzteil von HH nach Spanien verschickt hat, was am nächsten Tag dort war. Na, hoffen wir, dass die versprochenen 3-4 Tage stimmen. Ich denke da nur an meinen PC von Kai, der 10 Tage von Riga unterwegs war. Jedenfalls kann ich ohne die Teile nicht weiterfahren.
Gestern und ganz besonders heute erlebte ich zwei Traumtage im Sattel
Gestern sah ich nur selten das Meer aber dafür ging´s durch sattgrüne Laubwälder, riesige Haselnussplantagen, kleinteilige Felder, Berge rauf und runter, am oberen Rand von weiten Tälern entlang, durch kleine Dörfer, über Schnipsel von einer vierspurigen Straße im Neubau, auf Asphalt oder Baustellenschotter. In den Dörfern sieht man vor allem vom Alter gebeugte Leute. Schön ist es immer zu sehen, wie die Kuh, mit oder ohne Kalb, geehrt wird, indem sie von einem alten Mann im abgewetzten aber stets ordentlichen Sakko oder einem Mütterchen mit Kopftuch gehütet, behütet wird. Diese Achtung vor dem Tier, das einen ernährt, kenne ich nur noch aus meiner Kindheit, bzw. das bestaunen unsere Enkel nur noch in Kinderbüchern
Übernachtet habe ich nach ca. 250km an einer Flussmündung in einer netten kleinen plüschigen Pension, mollig beheizt, denn ist sehr frisch abends, wenn die Sonne weg ist, Kamin und Wirlpool im Wohnraum. Gefrühstückt habe ich zusammen mit dem ehrwürdigen Patron des Hauses unter gelegentlichem freundlichem Zunicken. Wir sind wohl in ähnlichen Alter und verstanden uns auch so.
Heute gab es nur die Farben Blau-Grün-Blau (Himmel-Wald-Meer) satt, wenn man mal das grau oder schwarz des Asphalts weglässt. Über 270km auf schmaler, meist geflickter Straße ging es rauf und runter immer an der Küste in luftiger Höhe zwischen 100 und 300 m über dem blauen Meer oder an den Taleinschnitten runter und landeinwärts, über die obligatorische Brücke am Scheitelpunkt und drüben wieder rauf übers Meer. Hunderte enge Kurven, so dass ich – ob rauf oder runter meist nur zwischen 2. Und 3. Gang wechselte (6 habe ich davon). Es war wirklich traumhaft schön. Es gab so gut, wie keinen Verkehr, kaum Ortschaften. Ich hatte mir vorgenommen nicht mehr länger, als bis 16:00 zu fahren. Das funktionierte aber heute auch wieder nicht. In einem kleinen Nest, das ich mir zum Tagesziel gesetzt hatte, „fragte“ ich nach einer Unterkunft. Der erste zeigte mir 4 Finger und deutete weiter in meine Richtung. Vorsichtig, wie ich bin, fragte ich an einer Straßenbaustelle lieber nochmal und da malten sie mir eine 40 in den Sand. Zum Glück benutzen wir das gleiche Dezimalsystem.
Zum Glück wurden danach die Kurven länger und ich konnte dem kleinen Frachtschiff entkommen, das ich über Stunden immer irgendwie querab draußen auf See hatte. Dabei wurde mir bei all meinen Pausen für ein Gläschen Tee, Sitzen und Staunen und dem mühselig-schönen Fahren klar, wie langsam ich eigentlich, gemessen am direkten Kurs des Schiffes, nur voran kam,. So´n Dampfer läuft 10-12kn, das sind 20km/h. Da wollte ich gar nicht die Zeit bis Trapzon (von hier noch über 600km am Meer entlang) kalkulieren oder gar zur iranischen Grenze !
Morgen beginnt der Ramadan und endet ERST am 25.Juni. Ich habe überhaupt keine Ahnung, wie sich das auf meine verdammte Fresslust auswirken wird. Dass es morgen früh jedenfalls erst mal kein böses Erwachen gibt, habe ich heute Abend vorsorglich Brot, Oliven aus dem Fass und Schafskäse eingekauft
Nun noch die Bilder aufbereiten und dann alles ins Netz. Wenn ich nicht sooft zum Pinkeln raus und/oder wegen meiner Krämpfe in Füßen und Beinen aus dem Bett springen müsste, würde ich durchschlafen wie ein Stein, falls ich nicht gerade auf meiner schmerzenden Schulter liege, nach einem solch schönen und anstrengenden Tag.
ZAHIYE HANIM KONAGI am 26.Mai 2017
Von der Fahrt heute gibt es nicht viel zu berichten. Die ersten 100 km führten noch sehr schön an der Küste entlang, dann wurden die Kurven länger, die Berge flacher bis es am Ende auf großzügigen Schnellstraßen durch flaches Land ging. SAMSUN war mein Ziel, ich war auch noch vor 16:00 da aber die Stadt war riesig mit industrieller Umgebung, dass ich noch 120km dranhängte und es doch wieder 18:00 wurde.
Die gut ausgebauten, einer Autobahn ähnlichen Schnellstraßen, schneiden die Ortschaften und Städte leider immer vom Meer ab. Bis auf einzelne Strandabschnitt mit grobem Sand oder Kieseln ist die Küste immer felsig oder steinig. So sahen dann die letzten 150 km aus:
Mit dem Wetter hatte ich ja bisher auf meiner gesamten Tour – bis auf die paar Gewitter in Albanien – großes Glück mit viel Sonne. Was ich aber nicht erwartet hätte ist, dass ich wohl noch an keinem Tag eine Lufttemperatur über 20 Grad hatte (im Schatten, versteht sich). Ich fahre immer noch mit langen Unterhosen und heute hatte ich alles an, was geht. Einschließlich Regenzeug gegen den kalten Wind.
Ich habe heute ein schönes Zimmer mitten in der Stadt mit freiem Blick aus dem vierten Stock über einen Park aufs Meer. Und, was mir natürlich gefällt, die Zimmerpreise sanken, je weiter ich nach Osten kam, 15€ heute. Denn wenn es so weitergegangen wäre mit dem Geldausgeben wäre ich spätestens in Pakistan blank.
Als ich heute Morgen aus dem Hotel kam, schaute ich erstmal schnell, ob die alten Herren auf den kleinen Schemeln denn noch ihren Tee trinken. Alles war, wie gewohnt. Also Ramadan-Entwarnung, dachte ich mir.
Als ich auf dem hohen Stuhl vor dem Schuhputzer saß belehrte mich ein Religionslehrer mit einfachem Deutch, dass morgen Ramazan wäre. Also ab morgen. Da ich in der Hinsicht wie ein Frisör losgefahren bin habe ich mal das Internet dazu befragt und u.a. erfahren, dass das „Fastenbrechen“ jeden Abend stattfindet und
Den Starschuss gibt immer der Muezzin über Lautsprecher von seinem Minarett herab. Den Gesang hört man mehrmals täglich und wenn mehrere Moscheen in der Nähe sind, dann sticht immer der nächste in die Atem- oder Denkpause des ersten rein. Wenn ich hier in der Türkei in der Öffentlichkeit essen oder trinken würde, wäre das sicher kein Problem – im Iran dann sicher schon eher. Also übe ich ab morgen schon mal, esse die Reste meiner gestrigen Vorsorge auf Bude. Gleichzeitig will ich damit nicht die Gastfreundschaft trüben und ihnen was vorkauen. Davon gibt es später bestimmt noch mehr zu berichten.
Ja, und meine schönen rehbraunen Motorrad- und Ausgangsschuhe leiden beim Fahren mächtig, an den Innenseiten schwarz vom Alu-Abrieb des Motorblocks, das Leder ausgedörrt und staubig. Zum zweiten Mal habe ich sie mir spiegelblank polieren lassen. Unter dem Glanz bekommen das Leder jetzt eine „schöne“ Patina – je nachdem, wie man es sieht…
Hätte ich meine tolle Schaltwippe nicht, könnte ich mit dem linken Schuh schon nicht mehr ausgehen. Das Ding ist übrigens ein wahrer Segen. Die Die beiden Hebel sind akkurat dort, wo sie sein müssen, nicht störend und leicht zu erreichen. Ich habe mich sofort daran gewöhnt und kann nun wirklich mit Latschen fahren, wenn´s irgendwann sein muss.
TRAPZON, Sonntag, der 28. Mai 2017
Das ist nun der Blick aus meinem Fenster und wie es aussieht, wohl auch noch für einige Tage, wie es scheint.
Nach meiner Ankunft bin ich gleich zur DHL-Service-Station, die ich als Adresse angegeben habe. Hier wusste man natürlich von nichts von meiner Sendungsnummer, weil es nämlich eine Postnummer ist. Also gab man mir der Post (PTT), etwa 15 km weiter aber „es wäre aber jetzt über das Wochenende niemand dort“. Ich wusste gar nicht in welchem Wochenteil ich eigentlich gerade unterwegs war. Ich fuhr trotzdem hin, traf Leute an und was ich verstanden habe auf Türkisch, ein paar Worten Englisch und was am meisten geholfen waren grafische Skizzen so eines Transportes. Nun weiß ich also, dass meine Sendungsnummer noch nicht im türkischen PTT-System ist, weil meine Teile entweder noch nicht auf türkischem Boden oder im Zoll in Istanbul sind. Toll das erinnert mich an mein Laptop aus Riga – nur dass hier auch noch der Zoll dazwischen ist. Herbert, der die Teile abgeschickt hat, hat mehrmals mit DHL telefoniert, um den schnellsten Transportweg zu finden. Man gab mir die email-Adresse des PTT-Support, an die ich eine Anfrage gestartet habe. Morgen fahre ich wieder raus – vielleicht gibt´s was Neues.
Tja, was macht man an einem Sonntag im Ramadan in einer großen türkischen Stadt? Zum Beispiel einen kurzen Spaziergang durch die Straßen, um festzustellen, dass kaum Menschen unterwegs, die Cafés, Restaurants und Eisbuden zwar geöffnet sind, aber niemand drinsitzt, Geschäfte zu sind und die rostigen Rollläden runtergelassen sind. Das wird mir auch die größte Zeit durch den Iran noch zu schaffen machen. Nicht so sehr wegen mir selbst. Ich bekomme als Reisender, zumal noch Ausländer Frühstück im Hotel, falls es angeboten wird oder ich frühstücke in meiner Unterkunft. Über den Tag komme ich schon, da ich sowie abspecken muss und abends nach Sonnenuntergang kann ich irgendwo einkehren. Schade ist es, dass ich das bunte Treiben auf den Straßen und Plätzen, wie ich es so gerne erfahren will, einfach nicht stattfindet. Keinen duftenden Tee mal so zwischendurch.
Im Internet suchte ich unter „Sehenswürdigkeiten Trapson“. Das einzige was mich reizte, war das Kloster SUMELA , etwa 35 km in die Berge hinein gelegen. Es wurde vor 1600 Jahren als orthodoxes Kloster gegründet und hängt in einer Felswand. Über den Bergen hingen Wolken aber ich fuhr trotzdem los, um nach 10 km umzudrehen, weil es anfing mit großen Tropfen zu regnen und auf dem Motorrad mag Regen ebenso wenig, wie Katzen. Außerdem hätte ich ohnehin in den Wolken gesteckt.
So fuhr ich auf eine Tankstelle, bockte die Maschine auf den Zentralständer, baute einen Turm aus Steinen und Holz unter die Hinterradschwinge, so dass es frei drehen konnte und schmierte die Kette mit dem Fett, das mir die Burschen in der Werkstatt in Istanbul aus Mitleid mit meiner schönen neuen Kette geschenkt haben. Ich war so froh und stolz auf meinen Graphitblock, der die Kette bei Laune halten soll indem sie permanent darüber gleitet. Sie war aber in der Werkstatt so blank und trocken, dass ich ein Einsehen hatte, was mir bei fremden Ratschlägen meistens schwerfällt und was nach meinen Erfahrungen oft aber auch angebracht ist.
Als zum Schmieren das Hinterrad im ersten Gang laufen ließ, fiel mir ein unregelmäßiges vertikales Schlagen der Kette mit metallischem Klappern auf. Das hatte ich schon auf den letzten hundert Kilometern ab und zu bemerkt aber einer anderen Ursache zugeschrieben. Ich konnte der Sache nicht auf den Grund gehen, auch nicht als ich meinen Grafitblock und die Kettenschutze abgebaut hatte und die Kette frei einzusehen war. Was ich nur feststellte war, dass mir die Kette zu „stramm“ gespannt war, was die Burschen gegen meinen Protest so eingestellt hatten. Auch das Nachlassen half nicht. Also morgen eine Werkstatt suchen.
Als ich vorhin raus auf die Straße wollte zum IFTAR, zum Fastenbrechen, da wurde ich von dem Studenten und seinen Freunden, der den Nachtportier macht, eingeladen aus ihren Assietten mit zu essen und da der junge Mann englisch sprach, ließ ich mir die Gelegenheit nicht entgehen, mich dazu zu setzen. Später erfuhr ich eine Menge von jemand, der mit dem Erdogan und den Veränderungen, die er dem Land und seinen Menschen überhilft nichts am Hut hat. Bisher kannte ich ja ich ja nur das, was wir von unseren Medien vorgesetzt bekommen aber hier liegen sie wohl mal einigermaßen richtig. Er beschwerte sich frei von der Leber weg über vieles, z.B. dass der Pusch inszeniert war und die Listen für die Säuberungen schon ausgearbeitet, alle Posten mit Getreuen besetzt sind, die Bildung miserabel ist, auch sein Studium (öffentliche Finanzen) sich auf flachstem Niveau abspielt und das „Volk damit dumm gehalten werden soll“ jedenfalls die Lernwilligen unterfordert und dass ihm so viele seiner Mitbürger stumpf hinterherlaufen. Er meine, die Türkei war vorher ein offenes Land auf gutem Entwicklungsweg. Nun ginge alles rückwärts.
Ein Freund der mit am Tisch war, ist gerade frisch verliebt. Das ist etwas Anderes hier, als bei uns – jedenfalls läuft es hier anders. Wenn zwei zusammenarbeiten, dann haben sie ja über das Alltägliche Kontakt miteinander. Wenn das aufeinander Aufmerksam werden in der Öffentlichkeit stattfindet, dann darf man das Mädchen (oder umgekehrt schon gar nicht) darauf ansprechen. Da würden sofort alle anderen aus dem Umfeld über einen herfallen und madigmachen. Nun ist er froh, dass eine Tante die Aufgabe der Verabredung (als Brücke) übernommen hat. D.h. die Familie ist eingeweiht und einverstanden und alles hat seine Ordnung.
Na, unter diesen Umständen wäre ich in meinem Leben „nicht weit“ gekommen.
TRAPZON, der 30. Mai 2017
Gestern habe ich mit Hilfe eines Hotelangestellten auf dem Sozius eine Werkstatt gefunden. Nach gründlicher Überprüfung blieb auch der „Meister“ ratlos und ließ mir per Telefonübersetzung durch den Hotel-Studenten mittteilen, dass ich einfach so weiterfahren solle. Dabei habe ich kein gutes Gefühl.
Der Student hat mir gestern auch eine App der türkischen Post aufs Handy geladen. Dadurch kann ich jetzt meine Sendung hier in der Türkei nachverfolgen. Heute Morgen war sie durch den Zoll und ist jetzt hier in der Türkei unterwegs. Ich fuhr wieder zu DHL, wo man mich zur Post, gleich hier um die Ecke meines Hotels schickte. Ein freundlicher Mann, den ich in dem Gewimmel von Kunden fand, recherchierte, dass mein Päckchen nun durch den Zoll in Istanbul ist und auf dem Postweg hierher. Auch habe ich jetzt die Gewissheit, dass es wirklich an die DHL-Station ausgeliefert wird. Morgen früh gleich mal hin.
Gestern war ich schon kurz vor dem Fastenbrechen in der Stadt. Es ist ein bisschen wie Panoptikum. Die Leute sitzen vor ihren leeren Tellern (Foto), die Köche und Kellner stehen in Bereitschaft vor oder hinter den dampfenden Töpfen, fünf Minuten vor dem Knall und dem Einsetzen des Gesanges des Muezzins sind die Teller gefüllt und dann geht’s los. 30 Minuten später ist alles erledigt. Geschirr abräumen, Tischdecken runter Stühle und Tische wegtragen.
Ach, und gleich hier in der Nähe habe ich den Markt mit vielen belebten Seitengassen entdeckt und zwei schönen alten Moscheen im alten Stadtkern von Trabzon entdeckt. Das macht mir das Warten angenehmer. Abgesehen davon, dass nicht öffentlich gegessen und auch der allgegenwärtige Tee nicht geschlürft wird, ist alles wie sonst. Die alten Herren hocken immer noch beieinander und die Frauen sind auf der Pirsch nach einem hübschen Stück oder Einkaufen ein für den Abend .
Für die, die nicht so gerne langweilige Texte lesen wollen, sind die Bilder:
Eben war ich unten in der Altstadt zum Essen und saß mit den („ungebildeten“, wie der Student sagt) Leuten zusammen und wir haben auf Türkisch über Politik geredet. „Deutschland gut“, „Mertschel = Problem“, um es zusammenzufassen. Für meine eifrige Zustimmung war ich am Ende eingeladen. Mein Gegenüber, ein stämmiger Kerl mit Boxernase war mit Suppe, Geflügeleintopf und Baklava (extrem süßes Dessert) fertig, da war ich immer noch bei meiner Suppe.
In meiner Bude sieht es gerade schlimm aus. Mein Werkzeug (schon etwas angegangen) und Putzlappen sind ausgebreitet zum Trocknen, weil meine Box vor dem Motor leider nicht dicht ist. Mal sehen, was ich da machen kann. Wäsche gewaschen, Sturzhelm anschließ-fähig gemacht, Auf dem Markt fand ich heute plastikummantelte Stahl-Litze 2mm. Die habe ich unter der Polsterung am Helm mit Lüsterklemme festgemacht und nun kann ihn am Lenker anschließen und getrost am Motorrad belassen, wenn ich die Maschine abstelle.
Heute bekam ich eine Email von Sarath aus Sri Lanka, dem netten und weitgereisten Tausendsassa, der mir damals den Einstieg in die 60m tiefe Saphir-Mine organisiert hat. Er hätte schöne Saphire für (Foto) mich und ich solle doch mal anrufen. Habe ich gemacht. Die Freude war groß und es „wäre doch selbstverständlich, dass ich auf meiner Reise vorbeischauen würde“.
Einen anderen Kontakt hatte ich heute auch noch – zu Hossein Tavalla in Teheran, einem ehemaligen Technischer Inspektor einer Reederei, den Brüderchen Thomas gut kennt und mich bei ihm angekündigt hat. Ich rief ihn heute an. Er freut sich auf mich. Er hätte am Kaspischen Meer, nördlich von Teheran eine Ferienwohnung und dort könnten wir uns schon mal treffen.
Na ja, und dann stehe ich noch in Kontakt mit dem Inder Prit, der aber in den USA (?) ist und mir schon eine grobe Route für meinen Nord-Indien-Törn vorgeschlagen hat.
Die SIM-Karte, mit der ich so elegant über die vielen Ländergrenzen gesurft bin, habe ich heute an Snjezana nach Zagreb zurückgeschickt. Da ich es nicht bis Ende Mai aus der Türkei raus schaffe, musste ich mir noch eine hiesige kaufen.
Es ist also ganz gut, mal ein paar Tage zu pausieren. So konnte die Kontakte anfachen oder pflegen und auch meine Mail-Schulden abarbeiten u.v.a. mehr
Askale (Ost-Türkei) am 01. Juni 20017
Heute früh bekam ich Trabson auf der Post die unerfreuliche Gewissheit, da meine Teile erst in 5-6 Tagen ankommen werden. Der nette Mann hat mit dem Zoll in Istanbul telefoniert. Er sah meine Enttäuschung und bot mir an, das Päckchen nach Teheran nach zu schicken (an Hosseins Adresse). Das Expressporto habe sich bezahlt. Es wird nicht bei meiner Ankunft in Teheran da sein aber ich will ja 4 Wochen im Iran verbringen und Hossein wird es mir irgendwohin im Land nachschicken.
Da ich mir die Reise durch sowas nicht verderben lassen will, rief ich auch noch Herbert in Bayern an. Er schickt alles noch mal von D ab, wenn ich am Mittwoch keine Nachricht habe, dass es von Trabzon abgegangen ist. Soll nicht nochmal einer sagen, ich wäre im „Urlaub“. Ich war jedenfalls wie gelöst nach der Entscheidung. Meine Bremse hält ja noch. Muss ich öfter nach dem kleinen Bremsflüssigkeitsbehälter schauen…
Um 14:00 kam ich weg.
Es ging noch 30 km auf der Schnellstraße an der Küste entlang, links das Meer und rechts eine Stadt nach der anderen, bis ich endlich nach rechts in der Richtung Berge abbiegen konnte. Es ging erst stetig sanft und kurvig durch sattgrüne Wälder bergauf, immer an einem Fluss entlang und dann ging´s richtig bergauf. Durch felsige Schluchten, an steilen Berghängen entlang mit abgerutschten Flanken, runtergekullerten Felsbrocken an beiden Seiten der Straße, Kurven natürlich, aus den Laufwäldern wurden Tannenwälder bis diese auch aufhörten und die Berge nur noch grasbewachsen waren. Unterwegs hatte es angefangen ich an den Bergen abzuregnen und hab mein Gepäck und mich regensicher gemacht.
Die Bilderflut (in der Reihenfolge der Tour) müsst Ihr ertragen. Sie sind aber nichts gegen das, was noch nachklingt vom heutigen Tag in mir.
Und dann kam die Stelle, wo ich wohl einen Fehler gemacht habe, den ich hinterher aber nicht bedauere. Die einfache Straße mündete völlig unvermutet vor zwei nagelneuen Tunnelröhren, die auch beleuchtet waren und in einen riesigen Berg hineingingen. Ich sah nur Absperrungen und Schilder, die mir beim flüchtigen Hinschauen vermittelten: „der ist noch nicht in Betrieb“. Also ab auf die Split-Piste, die irgendwie in die Richtung und bergauf weiterging. Nach einer Viertelstunde bergauf leichte Zweifel, nach einer halben Stunde die Gewissheit: ich bin alleine hier unterwegs. Auf dem feinen Schotter waren nur leichte Fahrsputen und dich hatte doch ab und zu mal ein Auto auf der Straße unten…
Der Gedanke „Umdrehen und wieder runter“ kam mir nur kurz. Man will ja nun auch wissen, wie´s weitergeht. Ich muss aber gestehen, dass ich ein bisschen Schiss bekam und nicht mehr so locker auf dem rollenden Split, den schmierigen Stellen und an den steilen Abhängen entlang unterwegs war. Immer bergauf und es wurde immer kälter (5 Grad?). Den letzten alten Schnee hatte ich schon weiter unten gesehen dafür aber auf den 30-40 Kilometern im 1.bis 3. Gang kleine Menschenseele nur ein paar verlassene Hütten. Meine Frage, wie hoch ich eigentlich bin, bekam ich auf dem Pass beantwortet. 22280m.
Die überwältigenden Ausblicke über die glatten, grünen, runden Berggipfel haben den Schiss und die nasse Kälte vergessen gemacht. Die Freude hier zu sein, war überwältigend. Immer wieder musste ich anhalten, schauen und staunen. Und dann ging´s bergab in weiten Bögen an den Bergen entlang und hinter jeder Kurve wieder ein neues Panorama. Hinter dem Kamm hörte der Nieselregen auf. Irgendwann kam ich auf Asphalt und begegnete dem ersten Auto, das bestimmt zum Tunnel fuhr, dann das erste Dorf, die erste Stadt und nun bin ich hier in Askale, einem Markflecken mit Hotel. Ich habe warm und lange geduscht, das Fasten gebrochen, mit düsteren freundlichen Gestalten Tee getrunken, die Haare kurz schneiden lassen, sitze auf dem einzigen Stuhl, das Laptop auf dem Bettrand höre Oldies aus dem Smarthone und schreibe. Ich meine ich schrieb, denn ich bin fertig. Noch 363 Kilometer bis zur iranischen Grenze
Das Nachtleben von Askale will ich Euch nicht vorenthalten:
bis zur Grenze
Das letzte Stück bis zur Grenze liegt nun schon zwei Tage zurück und es gibt nicht viel dazu zu sagen. Mit der Erinnerung an die schöne Bergtour vom Vortag spulte ich die paar Hundert Kilometer bis zur Grenze auf einer der guten türkischen Fernstraßen runter. Es ging meist durch flaches Land oder die Straße führte durch Hügelland, was das Einschlafen im Sattel verhinderte. Das flache Tal mit den hügligen Unterbrechungen war auf beiden Seiten von hohen, teils mit Schneeresten bedeckten 5-10km entfernten hohen Bergen flankiert. Ich denke, es liegt so auf 1000m ü. NN. Mit der kleinen leichten Beta mit ihrem kleinen Einzylinder ist es nicht unbedingt, das was ich mir wünsche aber erstens gibt es in solchen Gegenden keine Alternativen und bei meinem Vorhaben muss ich auch Kilometer machen.
Zur Türkei muss ich noch was zu den Straßen sagen. Es ist unglaublich, wie viele neue großzügige vierspurige Straßen das Land durchziehen, oft durch schwierigstes Gelände. Eigentlich auf meiner gesamten Strecke von Istanbul, am Schwarzen Meer entlang und dann bis an die Grenze gab es solche Straßen oder Schnipsel davon waren im Bau. Wobei auffiel, dass viele Baustellen verlassen dalagen. Vielleicht stimmt es ja, dass das vor Erdogan passierte und der Schwung aus dem türkischen Wirtschaftstraum raus ist, Erdogan Geld braucht und bald zu Kreuze kriecht…, wie sich unsere Politiker wünschen.
Eigentlich wollte ich in Dogubeyazit übernachten und am nächsten Morgen über die 40 km entfernte Grenze aber ich fuhr durch und passierte gegen 18:00 Uhr einen Parkplatz, auf dem sich hunderte LKW sauber platziert hatten, um vielleicht in ein paar Tagen die Grenze überwinden zu können (?). Arme Leute, diese Fernfahrer. Dann kam auch schon die Grenze in Sicht, ich parkte vorher, um meine Papiere zusammen zu suchen.
Ich lasse zu diesem Tag und die letzten türkischen Kilometer einfach mal die Bilder sprechen:
Solche Grenzen sind ja immer ein bisschen aufregend, da man nicht weiß wie freundlich man behandelt wird und was alles so schieflaufen kann.
Aber alle Sorgen waren unbegründet. Beim Ausklarieren half für einen kleines Sümmchen einer der (der oft schmierigen, aufdringlichen) selbsternannten Makler. Die Beamten waren freundlich und ich rollte 500 Meter weiter auf die iranische Seite zu. Tschüss Türkei. Du warst ein sehr schönes, gastfreundliches, ausschließlich-türkisch-sprechendes und gastfreundliches Land.